Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Joh. Barclayens Argenis/ Alter nach mit Kurtzweil/ mit welchen sie die jenigenJungfrawen vnterhielten/ welche neben jhr erzoge worden; so daß ich mich offtmals verwunderte/ wi ein freyes Gemüte so glückselig were/ vnd mich vbe die Boßheit der Zeit beklagte/ daß die Erbin Sici- liens in so einem engen Platz kaum sicher wohnete. Aber ich wil es kurtz machen. Nein/ meine Mutter/ sagte Radirobanes/ dann ob ich wol noch nit verste- he/ wie dieses sich zu meinem Fürhaben schicke/ jedoch hab ich Lust deß Meleanders Anschlag/ wie auch der Argenis Sitten vnd Glück zuvernehmen. Da redte Selenisse weiter: Wir hatten die Stunden also ab- getheilet/ daß nicht Argenis durch einen Vberdruß jhrer Gefängnüß jnnen würde. Sie gieng nicht vb- rig geschmückt herein/ sondern liebte den Ort d auff dem Schloß sehr lustig war. Daselbst vbete sie sich mit einem leichten Bogen/ vnd forderte jhre Jung- frawen auß/ welcher Pfeile am weitesten kommen/ vnd am geradesten an den Zweck treffen würden. Auff den Sieg erfolgte ein Lachen vnd Frolocken. Es waren auch Belohnungen für die/ so am besten lauf- fen kundten. Bißweilen mengten sie sich alle durch- einander/ vnd beflissen sich/ welche am zierlichsten re- den würde. Ich war wol zufrieden/ daß meine Toch- ter zu dergleichen Zeitvertreibungen Lust hatte/ weil sie dadurch stärckere Kräfften bekam/ vnd die gegen- wärtigen Dinge ohn allen Schmertzen deß Gemü- tes ließ fürüber gehen. Auff dieses geriethe sie vber die alten Thaten jhrer Vorfahren/ vnd ich hab sie nie- mals
Joh. Barclayens Argenis/ Alter nach mit Kurtzweil/ mit welchen ſie die jenigenJungfrawen vnterhielten/ welche neben jhr erzoge worden; ſo daß ich mich offtmals verwunderte/ wi ein freyes Gemuͤte ſo gluͤckſelig were/ vnd mich vbe die Boßheit der Zeit beklagte/ daß die Erbin Sici- liens in ſo einem engen Platz kaum ſicher wohnete. Aber ich wil es kurtz machen. Nein/ meine Mutter/ ſagte Radirobanes/ dann ob ich wol noch nit verſte- he/ wie dieſes ſich zu meinem Fuͤrhabẽ ſchicke/ jedoch hab ich Luſt deß Meleanders Anſchlag/ wie auch der Argenis Sitten vnd Gluͤck zuvernehmen. Da redte Seleniſſe weiter: Wir hatten die Stunden alſo ab- getheilet/ daß nicht Argenis durch einen Vberdruß jhrer Gefaͤngnuͤß jnnen wuͤrde. Sie gieng nicht vb- rig geſchmuͤckt herein/ ſondern liebte den Ort d̕ auff dem Schloß ſehr luſtig war. Daſelbſt vbete ſie ſich mit einem leichten Bogen/ vnd forderte jhre Jung- frawen auß/ welcher Pfeile am weiteſten kommen/ vnd am geradeſtẽ an den Zweck treffen wuͤrden. Auff den Sieg erfolgte ein Lachen vnd Frolocken. Es waren auch Belohnungen fuͤr die/ ſo am beſten lauf- fen kundten. Bißweilen mengten ſie ſich alle durch- einander/ vnd befliſſen ſich/ welche am zierlichſten re- den wuͤrde. Ich war wol zufrieden/ daß meine Toch- ter zu dergleichen Zeitvertreibungen Luſt hatte/ weil ſie dadurch ſtaͤrckere Kraͤfften bekam/ vnd die gegen- waͤrtigen Dinge ohn allen Schmertzen deß Gemuͤ- tes ließ fuͤruͤber gehen. Auff dieſes geriethe ſie vber die alten Thaten jhrer Vorfahren/ vnd ich hab ſie nie- mals
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0512" n="468"/><fw place="top" type="header">Joh. Barclayens Argenis/</fw><lb/> Alter nach mit Kurtzweil/ mit welchen ſie die jenigen<lb/> Jungfrawen vnterhielten/ welche neben jhr erzoge<lb/> worden; ſo daß ich mich offtmals verwunderte/ wi<lb/> ein freyes Gemuͤte ſo gluͤckſelig were/ vnd mich vbe<lb/> die Boßheit der Zeit beklagte/ daß die Erbin Sici-<lb/> liens in ſo einem engen Platz kaum ſicher wohnete.<lb/> Aber ich wil es kurtz machen. Nein/ meine Mutter/<lb/> ſagte Radirobanes/ dann ob ich wol noch nit verſte-<lb/> he/ wie dieſes ſich zu meinem Fuͤrhabẽ ſchicke/ jedoch<lb/> hab ich Luſt deß Meleanders Anſchlag/ wie auch der<lb/> Argenis Sitten vnd Gluͤck zuvernehmen. Da redte<lb/> Seleniſſe weiter: Wir hatten die Stunden alſo ab-<lb/> getheilet/ daß nicht Argenis durch einen Vberdruß<lb/> jhrer Gefaͤngnuͤß jnnen wuͤrde. Sie gieng nicht vb-<lb/> rig geſchmuͤckt herein/ ſondern liebte den Ort d̕ auff<lb/> dem Schloß ſehr luſtig war. Daſelbſt vbete ſie ſich<lb/> mit einem leichten Bogen/ vnd forderte jhre Jung-<lb/> frawen auß/ welcher Pfeile am weiteſten kommen/<lb/> vnd am geradeſtẽ an den Zweck treffen wuͤrden. Auff<lb/> den Sieg erfolgte ein Lachen vnd Frolocken. Es<lb/> waren auch Belohnungen fuͤr die/ ſo am beſten lauf-<lb/> fen kundten. Bißweilen mengten ſie ſich alle durch-<lb/> einander/ vnd befliſſen ſich/ welche am zierlichſten re-<lb/> den wuͤrde. Ich war wol zufrieden/ daß meine Toch-<lb/> ter zu dergleichen Zeitvertreibungen Luſt hatte/ weil<lb/> ſie dadurch ſtaͤrckere Kraͤfften bekam/ vnd die gegen-<lb/> waͤrtigen Dinge ohn allen Schmertzen deß Gemuͤ-<lb/> tes ließ fuͤruͤber gehen. Auff dieſes geriethe ſie vber die<lb/> alten Thaten jhrer Vorfahren/ vnd ich hab ſie nie-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mals</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [468/0512]
Joh. Barclayens Argenis/
Alter nach mit Kurtzweil/ mit welchen ſie die jenigen
Jungfrawen vnterhielten/ welche neben jhr erzoge
worden; ſo daß ich mich offtmals verwunderte/ wi
ein freyes Gemuͤte ſo gluͤckſelig were/ vnd mich vbe
die Boßheit der Zeit beklagte/ daß die Erbin Sici-
liens in ſo einem engen Platz kaum ſicher wohnete.
Aber ich wil es kurtz machen. Nein/ meine Mutter/
ſagte Radirobanes/ dann ob ich wol noch nit verſte-
he/ wie dieſes ſich zu meinem Fuͤrhabẽ ſchicke/ jedoch
hab ich Luſt deß Meleanders Anſchlag/ wie auch der
Argenis Sitten vnd Gluͤck zuvernehmen. Da redte
Seleniſſe weiter: Wir hatten die Stunden alſo ab-
getheilet/ daß nicht Argenis durch einen Vberdruß
jhrer Gefaͤngnuͤß jnnen wuͤrde. Sie gieng nicht vb-
rig geſchmuͤckt herein/ ſondern liebte den Ort d̕ auff
dem Schloß ſehr luſtig war. Daſelbſt vbete ſie ſich
mit einem leichten Bogen/ vnd forderte jhre Jung-
frawen auß/ welcher Pfeile am weiteſten kommen/
vnd am geradeſtẽ an den Zweck treffen wuͤrden. Auff
den Sieg erfolgte ein Lachen vnd Frolocken. Es
waren auch Belohnungen fuͤr die/ ſo am beſten lauf-
fen kundten. Bißweilen mengten ſie ſich alle durch-
einander/ vnd befliſſen ſich/ welche am zierlichſten re-
den wuͤrde. Ich war wol zufrieden/ daß meine Toch-
ter zu dergleichen Zeitvertreibungen Luſt hatte/ weil
ſie dadurch ſtaͤrckere Kraͤfften bekam/ vnd die gegen-
waͤrtigen Dinge ohn allen Schmertzen deß Gemuͤ-
tes ließ fuͤruͤber gehen. Auff dieſes geriethe ſie vber die
alten Thaten jhrer Vorfahren/ vnd ich hab ſie nie-
mals
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |