Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Joh. Barclayens Argenis/ vnd adelich im Gange; allein daß jhr niedergeschla-genes Antlitz auff etwas trawriges zeigete. Ich wunderte mich fürnemlich darüber/ daß nicht mehr als ein einiger Mann sie begleitete/ welcher mit verhülletem Haupte nachfolgete/ daß man jhn kaum erkennen kundte. Es erhub sich baldt ein Ge- mürmel wer sie seyn müßte/ oder von wannen sie käm; dann das Gesichte war vnbekandt/ vnd die Kleidung in Sicilien nicht gebräuchlich. Sie gieng etwas geschwinde/ aber/ Herr/ mit solcher Majestet vnd Anmütigkeit/ nebenst solcher Anzeigung eines Kummers/ daß ich vber jhrer Beschawung alle meine Andacht fahren ließ. Sie hielte sich für der Göttin niche lange auff/ mochte auch den heiligen Spiegel jhr nit fürhalten/ vnd den Altar mit einer Verehrung zie- ren; sondern tratt nur an die Seiten/ vnd fiel wieder meinen Willen für mir nieder. Fraw/ sagte sie/ diesen Tag habet jhr Gelegenheit ewere Gütigkeit mehr zu erweisen als jhr vermeinet. Wann euch gelie- bet ein Mitleiden zuhaben/ vnd den Göttern wel- che jhr so embsig bittet mit Exempel fürgehen wöl- let/ so zeiget mir Gelegenheit an euch/ das jenige was ich im Hertzen habe/ vertrewlich zuoffenbaren. Ich hub sie vber jhrem Seufftzen auff/ vnd/ weil ich sahe/ daß jhr die vmbstehenden zu wieder waren/ gieng ich desto eher auß dem Tempel/ vnd führte sie auff mei- nem Wagen zu meiner Schwester/ da ich eingekch- ret war/ nach Hause. Als wir allein waren/ fragte ich erstlich/ von wannen sie in Sicilien käme; dann sie
Joh. Barclayens Argenis/ vnd adelich im Gange; allein daß jhr niedergeſchla-genes Antlitz auff etwas trawriges zeigete. Ich wunderte mich fuͤrnemlich daruͤber/ daß nicht mehr als ein einiger Mann ſie begleitete/ welcher mit verhuͤlletem Haupte nachfolgete/ daß man jhn kaum erkennen kundte. Es erhub ſich baldt ein Ge- muͤrmel wer ſie ſeyn muͤßte/ oder von wannen ſie kaͤm; dann das Geſichte war vnbekandt/ vnd die Kleidung in Sicilien nicht gebraͤuchlich. Sie gieng etwas geſchwinde/ aber/ Herꝛ/ mit ſolcher Majeſtet vnd Anmuͤtigkeit/ nebenſt ſolcher Anzeigung eines Kum̃ers/ daß ich vber jhrer Beſchawung alle meine Andacht fahren ließ. Sie hielte ſich fuͤr der Goͤttin niche lãge auff/ mochte auch dẽ heiligen Spiegel jhr nit fuͤrhaltẽ/ vnd den Altar mit einer Verehrung zie- ren; ſondern tratt nur an die Seiten/ vnd fiel wieder meinen Willen fuͤr mir nieder. Fraw/ ſagte ſie/ dieſen Tag habet jhr Gelegenheit ewere Guͤtigkeit mehr zu erweiſen als jhr vermeinet. Wann euch gelie- bet ein Mitleiden zuhaben/ vnd den Goͤttern wel- che jhr ſo embſig bittet mit Exempel fuͤrgehen woͤl- let/ ſo zeiget mir Gelegenheit an euch/ das jenige was ich im Hertzen habe/ vertrewlich zuoffenbaren. Ich hub ſie vber jhrem Seufftzen auff/ vnd/ weil ich ſahe/ daß jhr die vmbſtehenden zu wieder waren/ gieng ich deſto eher auß dem Tempel/ vnd fuͤhrte ſie auff mei- nem Wagen zu meiner Schweſter/ da ich eingekch- ret war/ nach Hauſe. Als wir allein waren/ fragte ich erſtlich/ von wannen ſie in Sicilien kaͤme; dann ſie
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Joh. Barclayens Argenis/
vnd adelich im Gange; allein daß jhr niedergeſchla-
genes Antlitz auff etwas trawriges zeigete. Ich
wunderte mich fuͤrnemlich daruͤber/ daß nicht mehr
als ein einiger Mann ſie begleitete/ welcher mit
verhuͤlletem Haupte nachfolgete/ daß man jhn
kaum erkennen kundte. Es erhub ſich baldt ein Ge-
muͤrmel wer ſie ſeyn muͤßte/ oder von wannen ſie
kaͤm; dann das Geſichte war vnbekandt/ vnd die
Kleidung in Sicilien nicht gebraͤuchlich. Sie gieng
etwas geſchwinde/ aber/ Herꝛ/ mit ſolcher Majeſtet
vnd Anmuͤtigkeit/ nebenſt ſolcher Anzeigung eines
Kum̃ers/ daß ich vber jhrer Beſchawung alle meine
Andacht fahren ließ. Sie hielte ſich fuͤr der Goͤttin
niche lãge auff/ mochte auch dẽ heiligen Spiegel jhr
nit fuͤrhaltẽ/ vnd den Altar mit einer Verehrung zie-
ren; ſondern tratt nur an die Seiten/ vnd fiel wieder
meinen Willen fuͤr mir nieder. Fraw/ ſagte ſie/ dieſen
Tag habet jhr Gelegenheit ewere Guͤtigkeit mehr
zu erweiſen als jhr vermeinet. Wann euch gelie-
bet ein Mitleiden zuhaben/ vnd den Goͤttern wel-
che jhr ſo embſig bittet mit Exempel fuͤrgehen woͤl-
let/ ſo zeiget mir Gelegenheit an euch/ das jenige was
ich im Hertzen habe/ vertrewlich zuoffenbaren. Ich
hub ſie vber jhrem Seufftzen auff/ vnd/ weil ich ſahe/
daß jhr die vmbſtehenden zu wieder waren/ gieng ich
deſto eher auß dem Tempel/ vnd fuͤhrte ſie auff mei-
nem Wagen zu meiner Schweſter/ da ich eingekch-
ret war/ nach Hauſe. Als wir allein waren/ fragte
ich erſtlich/ von wannen ſie in Sicilien kaͤme; dann
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