Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Zum Schluß.
Wunder wirkst, ist Dein Thun wunderbar dem
Erfahrnen und Redlichen, der drauf merkt.

Jch war ein Kind, ein Jüngling und ein
Mann. Jetzt sink ich ins Alter! An dem Rande
meines nicht mehr gefürchteten Grabes seh ich zu-
rück auf den Weg, den Du mich führtest! --
Und nun bet ich dankbar Dich an!

Du hast Grosses an mir gethan. Das Leben
meiner Kindheit verpflanztest Du auf einen Acker
voll Unkrauts und Dornen. Und dennoch erhiel-
test Du den Saamen des Guten, zwar verzögert,
aber nicht getödtet. Denn Du erschufst ihn zum
spätern Gutesthun. Du hast Grosses an mir ge-
than, an mir, dem ehemals trostlosen Zweifler,
und dem wankenden Halbchristen; an mir, da
ich für meine langsam glaubende Seele Wahrheit
suchen mußte auf ungebahnten Wegen! Wie oft
an beyden Seiten Abgrund und Tod! wie oft!
O Du Retter! Viele stürzten ins trostlose Dun-
kel. Jch gieng den Weg der Dämmerung zum
Lichte.

Du schütztest mich, mein himmlischer Va-
ter, mich, den Bekenner meines Glaubens, wel-
chen (so dacht ich) Tausende mit Nutzen erfah-
ren und prüfen. Der Widersacher drohte, der
Freund weissagte mir nur Verachtung und Elend,
weil ich ungehorsam bin den menschlichen hierar-
chischen Gesetzen, welche nicht Du gabst und nicht
Dein Sohn! Doch bin ich nicht elend unter den
Mitbürgern der Welt, welche, was ich that und
thun will, erforschen. Wirst Du winken; so bin

ich

Zum Schluß.
Wunder wirkſt, iſt Dein Thun wunderbar dem
Erfahrnen und Redlichen, der drauf merkt.

Jch war ein Kind, ein Juͤngling und ein
Mann. Jetzt ſink ich ins Alter! An dem Rande
meines nicht mehr gefuͤrchteten Grabes ſeh ich zu-
ruͤck auf den Weg, den Du mich fuͤhrteſt! —
Und nun bet ich dankbar Dich an!

Du haſt Groſſes an mir gethan. Das Leben
meiner Kindheit verpflanzteſt Du auf einen Acker
voll Unkrauts und Dornen. Und dennoch erhiel-
teſt Du den Saamen des Guten, zwar verzoͤgert,
aber nicht getoͤdtet. Denn Du erſchufſt ihn zum
ſpaͤtern Gutesthun. Du haſt Groſſes an mir ge-
than, an mir, dem ehemals troſtloſen Zweifler,
und dem wankenden Halbchriſten; an mir, da
ich fuͤr meine langſam glaubende Seele Wahrheit
ſuchen mußte auf ungebahnten Wegen! Wie oft
an beyden Seiten Abgrund und Tod! wie oft!
O Du Retter! Viele ſtuͤrzten ins troſtloſe Dun-
kel. Jch gieng den Weg der Daͤmmerung zum
Lichte.

Du ſchuͤtzteſt mich, mein himmliſcher Va-
ter, mich, den Bekenner meines Glaubens, wel-
chen (ſo dacht ich) Tauſende mit Nutzen erfah-
ren und pruͤfen. Der Widerſacher drohte, der
Freund weiſſagte mir nur Verachtung und Elend,
weil ich ungehorſam bin den menſchlichen hierar-
chiſchen Geſetzen, welche nicht Du gabſt und nicht
Dein Sohn! Doch bin ich nicht elend unter den
Mitbuͤrgern der Welt, welche, was ich that und
thun will, erforſchen. Wirſt Du winken; ſo bin

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zum Schluß.</hi></fw><lb/>
Wunder wirk&#x017F;t, i&#x017F;t Dein Thun wunderbar dem<lb/>
Erfahrnen und Redlichen, der drauf merkt.</p><lb/>
          <p>Jch war ein Kind, ein Ju&#x0364;ngling und ein<lb/>
Mann. Jetzt &#x017F;ink ich ins Alter! An dem Rande<lb/>
meines nicht mehr gefu&#x0364;rchteten Grabes &#x017F;eh ich zu-<lb/>
ru&#x0364;ck auf den Weg, den Du mich fu&#x0364;hrte&#x017F;t! &#x2014;<lb/>
Und nun bet ich dankbar Dich an!</p><lb/>
          <p>Du ha&#x017F;t Gro&#x017F;&#x017F;es an mir gethan. Das Leben<lb/>
meiner Kindheit verpflanzte&#x017F;t Du auf einen Acker<lb/>
voll Unkrauts und Dornen. Und dennoch erhiel-<lb/>
te&#x017F;t Du den Saamen des Guten, zwar verzo&#x0364;gert,<lb/>
aber nicht geto&#x0364;dtet. Denn Du er&#x017F;chuf&#x017F;t ihn zum<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;tern Gutesthun. Du ha&#x017F;t Gro&#x017F;&#x017F;es an mir ge-<lb/>
than, an mir, dem ehemals tro&#x017F;tlo&#x017F;en Zweifler,<lb/>
und dem wankenden Halbchri&#x017F;ten; an mir, da<lb/>
ich fu&#x0364;r meine lang&#x017F;am glaubende Seele Wahrheit<lb/>
&#x017F;uchen mußte auf ungebahnten Wegen! Wie oft<lb/>
an beyden Seiten Abgrund und Tod! wie oft!<lb/>
O Du Retter! Viele &#x017F;tu&#x0364;rzten ins tro&#x017F;tlo&#x017F;e Dun-<lb/>
kel. Jch gieng den Weg der Da&#x0364;mmerung zum<lb/>
Lichte.</p><lb/>
          <p>Du &#x017F;chu&#x0364;tzte&#x017F;t mich, mein himmli&#x017F;cher Va-<lb/>
ter, mich, den Bekenner meines Glaubens, wel-<lb/>
chen (&#x017F;o dacht ich) Tau&#x017F;ende mit Nutzen erfah-<lb/>
ren und pru&#x0364;fen. Der Wider&#x017F;acher drohte, der<lb/>
Freund wei&#x017F;&#x017F;agte mir nur Verachtung und Elend,<lb/>
weil ich ungehor&#x017F;am bin den men&#x017F;chlichen hierar-<lb/>
chi&#x017F;chen Ge&#x017F;etzen, welche nicht Du gab&#x017F;t und nicht<lb/>
Dein Sohn! Doch bin ich nicht elend unter den<lb/>
Mitbu&#x0364;rgern der Welt, welche, was ich that und<lb/>
thun will, erfor&#x017F;chen. Wir&#x017F;t Du winken; &#x017F;o bin<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0125] Zum Schluß. Wunder wirkſt, iſt Dein Thun wunderbar dem Erfahrnen und Redlichen, der drauf merkt. Jch war ein Kind, ein Juͤngling und ein Mann. Jetzt ſink ich ins Alter! An dem Rande meines nicht mehr gefuͤrchteten Grabes ſeh ich zu- ruͤck auf den Weg, den Du mich fuͤhrteſt! — Und nun bet ich dankbar Dich an! Du haſt Groſſes an mir gethan. Das Leben meiner Kindheit verpflanzteſt Du auf einen Acker voll Unkrauts und Dornen. Und dennoch erhiel- teſt Du den Saamen des Guten, zwar verzoͤgert, aber nicht getoͤdtet. Denn Du erſchufſt ihn zum ſpaͤtern Gutesthun. Du haſt Groſſes an mir ge- than, an mir, dem ehemals troſtloſen Zweifler, und dem wankenden Halbchriſten; an mir, da ich fuͤr meine langſam glaubende Seele Wahrheit ſuchen mußte auf ungebahnten Wegen! Wie oft an beyden Seiten Abgrund und Tod! wie oft! O Du Retter! Viele ſtuͤrzten ins troſtloſe Dun- kel. Jch gieng den Weg der Daͤmmerung zum Lichte. Du ſchuͤtzteſt mich, mein himmliſcher Va- ter, mich, den Bekenner meines Glaubens, wel- chen (ſo dacht ich) Tauſende mit Nutzen erfah- ren und pruͤfen. Der Widerſacher drohte, der Freund weiſſagte mir nur Verachtung und Elend, weil ich ungehorſam bin den menſchlichen hierar- chiſchen Geſetzen, welche nicht Du gabſt und nicht Dein Sohn! Doch bin ich nicht elend unter den Mitbuͤrgern der Welt, welche, was ich that und thun will, erforſchen. Wirſt Du winken; ſo bin ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/125
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/125>, abgerufen am 22.11.2024.