Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen die Pensionisten.
fasten, alsdann bis Abend trockne Kost und Wasser
zu geniessen, in kalten Stuben oder unter unangeneh-
mem Himmel (doch in guter Kleidung) zu seyn,
des Nachts auf dem Boden oder auf Streu zu
schlafen, und doch zufrieden zu bleiben. Denn
die Erziehung muß zu den Zufällen des Lebens vor-
bereiten.

5) Ein jeder Pensionist weis in jeder Stunde
und in jedem Geschäfte, wem er Gehorsam schul-
dig ist. Der blinde oder klostermässige Gehorsam
wird vor dem 12ten Jahre gefodert. Ausser der
Zeit des Befehls und der Handlung giebt man
ihnen freylich bey Gelegenheit Einsicht von Ursa-
chen guter Befehle. Aber nur die älteren Pensio-
nisten dürfen, wenn die Sache Verzug leidet, sich
nach der Ursache des Befehls erkundigen, und als-
dann ihre Gegenmeynung oder Wünsche sagen.

6) Die Handlungen eines Academisten sind
entweder blos mechanisch oder geistig. Die
letzten erfodern Anstrengung der Verstandeskräfte,
und eine besondre Lust oder Aufmerksamkeit. Nur
die mechanischen stehn unter Strafe; die geistigen
sucht man durch Erleichterung, schrittmässige Fort-
schreitung, Beyspiel, Ueberredung und Belohnung
zu erhalten.

7) Vor dem 12ten Jahre (und auch hernach
nicht, wenn er nicht selbst will) giebt man einem
Pensionisten niemals den Auftrag, etwas zu me-
moriren. Und dennoch wird Anstalt gemacht, daß
er alles Nöthige mit Lust lerne, so weit seine Natur-
gaben reichen. Wir bitten also vorzüglich um

solche

gegen die Penſioniſten.
faſten, alsdann bis Abend trockne Koſt und Waſſer
zu genieſſen, in kalten Stuben oder unter unangeneh-
mem Himmel (doch in guter Kleidung) zu ſeyn,
des Nachts auf dem Boden oder auf Streu zu
ſchlafen, und doch zufrieden zu bleiben. Denn
die Erziehung muß zu den Zufaͤllen des Lebens vor-
bereiten.

5) Ein jeder Penſioniſt weis in jeder Stunde
und in jedem Geſchaͤfte, wem er Gehorſam ſchul-
dig iſt. Der blinde oder kloſtermaͤſſige Gehorſam
wird vor dem 12ten Jahre gefodert. Auſſer der
Zeit des Befehls und der Handlung giebt man
ihnen freylich bey Gelegenheit Einſicht von Urſa-
chen guter Befehle. Aber nur die aͤlteren Penſio-
niſten duͤrfen, wenn die Sache Verzug leidet, ſich
nach der Urſache des Befehls erkundigen, und als-
dann ihre Gegenmeynung oder Wuͤnſche ſagen.

6) Die Handlungen eines Academiſten ſind
entweder blos mechaniſch oder geiſtig. Die
letzten erfodern Anſtrengung der Verſtandeskraͤfte,
und eine beſondre Luſt oder Aufmerkſamkeit. Nur
die mechaniſchen ſtehn unter Strafe; die geiſtigen
ſucht man durch Erleichterung, ſchrittmaͤſſige Fort-
ſchreitung, Beyſpiel, Ueberredung und Belohnung
zu erhalten.

7) Vor dem 12ten Jahre (und auch hernach
nicht, wenn er nicht ſelbſt will) giebt man einem
Penſioniſten niemals den Auftrag, etwas zu me-
moriren. Und dennoch wird Anſtalt gemacht, daß
er alles Noͤthige mit Luſt lerne, ſo weit ſeine Natur-
gaben reichen. Wir bitten alſo vorzuͤglich um

ſolche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gegen die Pen&#x017F;ioni&#x017F;ten.</hi></fw><lb/>
fa&#x017F;ten, alsdann bis Abend trockne Ko&#x017F;t und Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
zu genie&#x017F;&#x017F;en, in kalten Stuben oder unter unangeneh-<lb/>
mem Himmel (doch in guter Kleidung) zu &#x017F;eyn,<lb/>
des Nachts auf dem Boden oder auf Streu zu<lb/>
&#x017F;chlafen, und doch zufrieden zu bleiben. Denn<lb/>
die Erziehung muß zu den Zufa&#x0364;llen des Lebens vor-<lb/>
bereiten.</p><lb/>
          <p>5) Ein jeder Pen&#x017F;ioni&#x017F;t weis in jeder Stunde<lb/>
und in jedem Ge&#x017F;cha&#x0364;fte, wem er <hi rendition="#fr">Gehor&#x017F;am</hi> &#x017F;chul-<lb/>
dig i&#x017F;t. Der blinde oder klo&#x017F;terma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige <hi rendition="#fr">Gehor&#x017F;am</hi><lb/>
wird vor dem 12ten Jahre gefodert. Au&#x017F;&#x017F;er der<lb/>
Zeit des Befehls und der Handlung giebt man<lb/>
ihnen freylich bey Gelegenheit Ein&#x017F;icht von Ur&#x017F;a-<lb/>
chen guter Befehle. Aber nur die a&#x0364;lteren Pen&#x017F;io-<lb/>
ni&#x017F;ten du&#x0364;rfen, wenn die Sache Verzug leidet, &#x017F;ich<lb/>
nach der Ur&#x017F;ache des Befehls erkundigen, und als-<lb/>
dann ihre Gegenmeynung oder Wu&#x0364;n&#x017F;che &#x017F;agen.</p><lb/>
          <p>6) Die Handlungen eines Academi&#x017F;ten &#x017F;ind<lb/>
entweder blos <hi rendition="#fr">mechani&#x017F;ch</hi> oder <hi rendition="#fr">gei&#x017F;tig.</hi> Die<lb/>
letzten erfodern An&#x017F;trengung der Ver&#x017F;tandeskra&#x0364;fte,<lb/>
und eine be&#x017F;ondre Lu&#x017F;t oder Aufmerk&#x017F;amkeit. Nur<lb/>
die mechani&#x017F;chen &#x017F;tehn unter Strafe; die gei&#x017F;tigen<lb/>
&#x017F;ucht man durch Erleichterung, &#x017F;chrittma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Fort-<lb/>
&#x017F;chreitung, Bey&#x017F;piel, Ueberredung und Belohnung<lb/>
zu erhalten.</p><lb/>
          <p>7) Vor dem 12ten Jahre (und auch hernach<lb/>
nicht, wenn er nicht &#x017F;elb&#x017F;t will) giebt man einem<lb/>
Pen&#x017F;ioni&#x017F;ten niemals den Auftrag, etwas zu me-<lb/>
moriren. Und dennoch wird An&#x017F;talt gemacht, daß<lb/>
er alles No&#x0364;thige mit Lu&#x017F;t lerne, &#x017F;o weit &#x017F;eine Natur-<lb/>
gaben reichen. Wir bitten al&#x017F;o vorzu&#x0364;glich um<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;olche</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0051] gegen die Penſioniſten. faſten, alsdann bis Abend trockne Koſt und Waſſer zu genieſſen, in kalten Stuben oder unter unangeneh- mem Himmel (doch in guter Kleidung) zu ſeyn, des Nachts auf dem Boden oder auf Streu zu ſchlafen, und doch zufrieden zu bleiben. Denn die Erziehung muß zu den Zufaͤllen des Lebens vor- bereiten. 5) Ein jeder Penſioniſt weis in jeder Stunde und in jedem Geſchaͤfte, wem er Gehorſam ſchul- dig iſt. Der blinde oder kloſtermaͤſſige Gehorſam wird vor dem 12ten Jahre gefodert. Auſſer der Zeit des Befehls und der Handlung giebt man ihnen freylich bey Gelegenheit Einſicht von Urſa- chen guter Befehle. Aber nur die aͤlteren Penſio- niſten duͤrfen, wenn die Sache Verzug leidet, ſich nach der Urſache des Befehls erkundigen, und als- dann ihre Gegenmeynung oder Wuͤnſche ſagen. 6) Die Handlungen eines Academiſten ſind entweder blos mechaniſch oder geiſtig. Die letzten erfodern Anſtrengung der Verſtandeskraͤfte, und eine beſondre Luſt oder Aufmerkſamkeit. Nur die mechaniſchen ſtehn unter Strafe; die geiſtigen ſucht man durch Erleichterung, ſchrittmaͤſſige Fort- ſchreitung, Beyſpiel, Ueberredung und Belohnung zu erhalten. 7) Vor dem 12ten Jahre (und auch hernach nicht, wenn er nicht ſelbſt will) giebt man einem Penſioniſten niemals den Auftrag, etwas zu me- moriren. Und dennoch wird Anſtalt gemacht, daß er alles Noͤthige mit Luſt lerne, ſo weit ſeine Natur- gaben reichen. Wir bitten alſo vorzuͤglich um ſolche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/51
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/51>, abgerufen am 22.11.2024.