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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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und dieses umdämmert auch in weitesten Dimensionen, bis
zum Unendlichen und Ewigen hin, die Unsrige. Das Un-
begreifliche widerspricht an sich dem Begriff des Begriff-
lichen*). Indem wir nun aber den gesetzlichen Wachsthums-
gesetzen nachgehen, wie sich in dem engen Horizont der
Naturstämme jene Vorstellung gestaltete, werden wir den
Leitungsfaden für unsere eigene, nachdem aus durchsich-
tiger Einfachheit gewonnen, auch unter complicirten Orna-
mentirungen festhalten können. Das Unbegreifliche an sich
kann nicht begrifflich werden (beim Umschlagen in den
Gegensatz damit negirt), indem wir es aber genetisch aus
dem Gewordenen begreifen, das Sein im Werden (in orga-
nischen Uebergangszuständen), verstehen wir damit, was
menschlichem Verständniss verstandbar, mit dem Anhalt für
Weiterverfolgungen.

Als Hauptaufgabe müssen in der Ethnologie, um diese
bisher unbekannte (und der Natur der Sache nach, früher
selbst unmögliche) Wissenschaft zu begründen, um sie über-
haupt nur ins Leben zu rufen, zunächst voranstehen die Ma-
terialbeschaffungen, die nothwendige Vorbedingung für jede
inductive Naturwissenschaft, und deshalb auch für die Psy-
chologie, wenn sie eine solche werden soll.

Indem wir selbst, innerhalb unserer Generation, in dies
Erwachen der Ethnologie erst hineingewachsen sind, ergiebt
sich als Consequenz, dass solche Materialbeschaffung**) nicht

so vielfach wiederholt). Kalon (god) means also "anything great or mar-
vellous, anything superlative" (in Fiji). Im Gegensatz zu Kalon vu (Götter)
sind Kalon yalo "deified mortals".
*) Gleich den ersten Ursachen in dem kosmos noetos, als (transcenden-
tales) uperion (darüber hinausgehend) heisst das Eine (als Höchstes) to
epekeina tou Nou (bei Julian).
**) In der voraussetzungslosen Annäherungsmethode hat die Kritik manch-
mal (unter von früherher geläufigen Hintergedanken historischer Gedanken-
hausirer) ein Wiederaufleben der Symbolik gewittert, während es gegen-
theils gerade galt diesen gefährlichsten Feind objectiver Forschung zu be-
kämpfen. Wenn nun, um die gegnerische Methode durch factische Belege

und dieses umdämmert auch in weitesten Dimensionen, bis
zum Unendlichen und Ewigen hin, die Unsrige. Das Un-
begreifliche widerspricht an sich dem Begriff des Begriff-
lichen*). Indem wir nun aber den gesetzlichen Wachsthums-
gesetzen nachgehen, wie sich in dem engen Horizont der
Naturstämme jene Vorstellung gestaltete, werden wir den
Leitungsfaden für unsere eigene, nachdem aus durchsich-
tiger Einfachheit gewonnen, auch unter complicirten Orna-
mentirungen festhalten können. Das Unbegreifliche an sich
kann nicht begrifflich werden (beim Umschlagen in den
Gegensatz damit negirt), indem wir es aber genetisch aus
dem Gewordenen begreifen, das Sein im Werden (in orga-
nischen Uebergangszuständen), verstehen wir damit, was
menschlichem Verständniss verstandbar, mit dem Anhalt für
Weiterverfolgungen.

Als Hauptaufgabe müssen in der Ethnologie, um diese
bisher unbekannte (und der Natur der Sache nach, früher
selbst unmögliche) Wissenschaft zu begründen, um sie über-
haupt nur ins Leben zu rufen, zunächst voranstehen die Ma-
terialbeschaffungen, die nothwendige Vorbedingung für jede
inductive Naturwissenschaft, und deshalb auch für die Psy-
chologie, wenn sie eine solche werden soll.

Indem wir selbst, innerhalb unserer Generation, in dies
Erwachen der Ethnologie erst hineingewachsen sind, ergiebt
sich als Consequenz, dass solche Materialbeschaffung**) nicht

so vielfach wiederholt). Kalon (god) means also „anything great or mar-
vellous, anything superlative“ (in Fiji). Im Gegensatz zu Kalon vu (Götter)
sind Kalon yalo „deified mortals“.
*) Gleich den ersten Ursachen in dem κόσμος νοητός, als (transcenden-
tales) ὑπερίων (darüber hinausgehend) heisst das Eine (als Höchstes) τὸ
ἐπέκεινα τοῦ Νοῦ (bei Julian).
**) In der voraussetzungslosen Annäherungsmethode hat die Kritik manch-
mal (unter von früherher geläufigen Hintergedanken historischer Gedanken-
hausirer) ein Wiederaufleben der Symbolik gewittert, während es gegen-
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[82/0116] und dieses umdämmert auch in weitesten Dimensionen, bis zum Unendlichen und Ewigen hin, die Unsrige. Das Un- begreifliche widerspricht an sich dem Begriff des Begriff- lichen *). Indem wir nun aber den gesetzlichen Wachsthums- gesetzen nachgehen, wie sich in dem engen Horizont der Naturstämme jene Vorstellung gestaltete, werden wir den Leitungsfaden für unsere eigene, nachdem aus durchsich- tiger Einfachheit gewonnen, auch unter complicirten Orna- mentirungen festhalten können. Das Unbegreifliche an sich kann nicht begrifflich werden (beim Umschlagen in den Gegensatz damit negirt), indem wir es aber genetisch aus dem Gewordenen begreifen, das Sein im Werden (in orga- nischen Uebergangszuständen), verstehen wir damit, was menschlichem Verständniss verstandbar, mit dem Anhalt für Weiterverfolgungen. Als Hauptaufgabe müssen in der Ethnologie, um diese bisher unbekannte (und der Natur der Sache nach, früher selbst unmögliche) Wissenschaft zu begründen, um sie über- haupt nur ins Leben zu rufen, zunächst voranstehen die Ma- terialbeschaffungen, die nothwendige Vorbedingung für jede inductive Naturwissenschaft, und deshalb auch für die Psy- chologie, wenn sie eine solche werden soll. Indem wir selbst, innerhalb unserer Generation, in dies Erwachen der Ethnologie erst hineingewachsen sind, ergiebt sich als Consequenz, dass solche Materialbeschaffung **) nicht *) *) Gleich den ersten Ursachen in dem κόσμος νοητός, als (transcenden- tales) ὑπερίων (darüber hinausgehend) heisst das Eine (als Höchstes) τὸ ἐπέκεινα τοῦ Νοῦ (bei Julian). **) In der voraussetzungslosen Annäherungsmethode hat die Kritik manch- mal (unter von früherher geläufigen Hintergedanken historischer Gedanken- hausirer) ein Wiederaufleben der Symbolik gewittert, während es gegen- theils gerade galt diesen gefährlichsten Feind objectiver Forschung zu be- kämpfen. Wenn nun, um die gegnerische Methode durch factische Belege *) so vielfach wiederholt). Kalon (god) means also „anything great or mar- vellous, anything superlative“ (in Fiji). Im Gegensatz zu Kalon vu (Götter) sind Kalon yalo „deified mortals“.

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/116>, abgerufen am 24.11.2024.