Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

nisse hervortretenden Bücher eine für Fernerstehende etwas
abschreckende*) Form bewahren, so mag es darum sein,
da diejenigen, denen es ernstlich um die Sache zu thun ist,
den Eingang schon finden werden, wie in jeder Fachwissen-
schaft die damit Vertrauten. Und emsige Arbeiter**) nur sind

Unterbrechung (mit langjähriger Entfernung von literarischen Hilfsquellen)
geführt werden müssen, liegt in gewisser Unbestimmtheit der Citationen der
Gewinn eigener Controle unter den Augen des Sachkenners, für den die
Anhalte zur Verificirung (oder Rectificirung) genügend sein werden. Da
nur die Skizzenumrisse von Entwürfen geliefert werden, ist neues Durch-
arbeiten gewinnreicher, als allzu ängstlich gleiche Bahn nachzutreten.
Ohnedem kreuzen sich in der Ethnologie die Wege stets nach allen Seiten,
und manchmal entsteht der Schein von Verwirrung für den, der gerade
einer Richtung nur in seinem Gedankengange folgend, die Wegweiser nach
andern Seiten hin übersieht, die in der Citation für allseitige Erwägung
liegen sollten, oft zugleich mit Rückweis oder Anschluss an früher bereits
Behandeltes. Je unermesslicher die Masse des Stoffes wächst, desto mehr
ist das Gedruckte auf möglichst kurze Winke zusammenzudrängen, wie für
den genügend, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Wo die Fol-
gerungen klar zu Tage liegen, erhöht es dann die Befriedigung des denkenden
Lesers, sie selbst zu ziehen, und ohne Denken kein Gedeihen für eine
Wissenschaft, in der wir noch Alle mehr zu lernen, als zu lehren haben.
*) Dass in Benutzung der Quellen, soweit auf anerkannte Autoritäten
zurückgegriffen wird, die secundären überwiegen müssen, ergiebt sich von
selbst, da sie schon dem classischen Gelehrten beim Anstreifen des ganz
benachbarten Feldes der orientalischen Literatur zuzugestehen, und es eine
allzu ungeheuerliche Anforderung wäre, wenn die Ethnologie bei all' den
verschiedenen Literaturkreisen, nicht Asien's allein, sondern in noch
4 ganzen Continenten ausserdem, in sämmtlichen schriftlichen oder schrift-
losen Traditionen des Erdball's nur durch eigenes Selbststudium erschöpfte
Originale benutzen dürfte. Auch ist auf diesen geographisch vergleichenden
Arbeitsfeldern, weil universellen, Theilung der Arbeit als zu Recht be-
stehend längst anerkannt, von den Autoritäten in Specialfällen und für
dieselben.
**) Observation, experimentation, telle est actuellement la devise de la
science medicale (s. Perret). Philosopher, c'est doctriner, or nous n'avons
pas le temps de cela, quand le malade nous reclame (und in der Ethno-
logie, wenn das Material vor unseren Augen zu Grunde geht, ohne rasches
Zugreifen und Ansammeln durch den dazu Berufenen). Generally speaking

nisse hervortretenden Bücher eine für Fernerstehende etwas
abschreckende*) Form bewahren, so mag es darum sein,
da diejenigen, denen es ernstlich um die Sache zu thun ist,
den Eingang schon finden werden, wie in jeder Fachwissen-
schaft die damit Vertrauten. Und emsige Arbeiter**) nur sind

Unterbrechung (mit langjähriger Entfernung von literarischen Hilfsquellen)
geführt werden müssen, liegt in gewisser Unbestimmtheit der Citationen der
Gewinn eigener Controle unter den Augen des Sachkenners, für den die
Anhalte zur Verificirung (oder Rectificirung) genügend sein werden. Da
nur die Skizzenumrisse von Entwürfen geliefert werden, ist neues Durch-
arbeiten gewinnreicher, als allzu ängstlich gleiche Bahn nachzutreten.
Ohnedem kreuzen sich in der Ethnologie die Wege stets nach allen Seiten,
und manchmal entsteht der Schein von Verwirrung für den, der gerade
einer Richtung nur in seinem Gedankengange folgend, die Wegweiser nach
andern Seiten hin übersieht, die in der Citation für allseitige Erwägung
liegen sollten, oft zugleich mit Rückweis oder Anschluss an früher bereits
Behandeltes. Je unermesslicher die Masse des Stoffes wächst, desto mehr
ist das Gedruckte auf möglichst kurze Winke zusammenzudrängen, wie für
den genügend, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Wo die Fol-
gerungen klar zu Tage liegen, erhöht es dann die Befriedigung des denkenden
Lesers, sie selbst zu ziehen, und ohne Denken kein Gedeihen für eine
Wissenschaft, in der wir noch Alle mehr zu lernen, als zu lehren haben.
*) Dass in Benutzung der Quellen, soweit auf anerkannte Autoritäten
zurückgegriffen wird, die secundären überwiegen müssen, ergiebt sich von
selbst, da sie schon dem classischen Gelehrten beim Anstreifen des ganz
benachbarten Feldes der orientalischen Literatur zuzugestehen, und es eine
allzu ungeheuerliche Anforderung wäre, wenn die Ethnologie bei all’ den
verschiedenen Literaturkreisen, nicht Asien’s allein, sondern in noch
4 ganzen Continenten ausserdem, in sämmtlichen schriftlichen oder schrift-
losen Traditionen des Erdball’s nur durch eigenes Selbststudium erschöpfte
Originale benutzen dürfte. Auch ist auf diesen geographisch vergleichenden
Arbeitsfeldern, weil universellen, Theilung der Arbeit als zu Recht be-
stehend längst anerkannt, von den Autoritäten in Specialfällen und für
dieselben.
**) Observation, expérimentation, telle est actuellement la devise de la
science médicale (s. Perret). Philosopher, c’est doctriner, or nous n’avons
pas le temps de cela, quand le malade nous réclame (und in der Ethno-
logie, wenn das Material vor unseren Augen zu Grunde geht, ohne rasches
Zugreifen und Ansammeln durch den dazu Berufenen). Generally speaking
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0156" n="122"/>
nisse hervortretenden Bücher eine für Fernerstehende etwas<lb/>
abschreckende<note place="foot" n="*)">Dass in Benutzung der Quellen, soweit auf anerkannte Autoritäten<lb/>
zurückgegriffen wird, die secundären überwiegen müssen, ergiebt sich von<lb/>
selbst, da sie schon dem classischen Gelehrten beim Anstreifen des ganz<lb/>
benachbarten Feldes der orientalischen Literatur zuzugestehen, und es eine<lb/>
allzu ungeheuerliche Anforderung wäre, wenn die Ethnologie bei all&#x2019; den<lb/>
verschiedenen Literaturkreisen, nicht Asien&#x2019;s allein, sondern in noch<lb/>
4 ganzen Continenten ausserdem, in sämmtlichen schriftlichen oder schrift-<lb/>
losen Traditionen des Erdball&#x2019;s nur durch eigenes Selbststudium erschöpfte<lb/>
Originale benutzen dürfte. Auch ist auf diesen geographisch vergleichenden<lb/>
Arbeitsfeldern, weil universellen, Theilung der Arbeit als zu Recht be-<lb/>
stehend längst anerkannt, von den Autoritäten in Specialfällen und für<lb/>
dieselben.</note> Form bewahren, so mag es darum sein,<lb/>
da diejenigen, denen es ernstlich um die Sache zu thun ist,<lb/>
den Eingang schon finden werden, wie in jeder Fachwissen-<lb/>
schaft die damit Vertrauten. Und emsige Arbeiter<note xml:id="seg2pn_29_1" next="#seg2pn_29_2" place="foot" n="**)">Observation, expérimentation, telle est actuellement la devise de la<lb/>
science médicale (s. Perret). Philosopher, c&#x2019;est doctriner, or nous n&#x2019;avons<lb/>
pas le temps de cela, quand le malade nous réclame (und in der Ethno-<lb/>
logie, wenn das Material vor unseren Augen zu Grunde geht, ohne rasches<lb/>
Zugreifen und Ansammeln durch den dazu Berufenen). Generally speaking</note> nur sind<lb/><note xml:id="seg2pn_28_2" prev="#seg2pn_28_1" place="foot" n="*)">Unterbrechung (mit langjähriger Entfernung von literarischen Hilfsquellen)<lb/>
geführt werden müssen, liegt in gewisser Unbestimmtheit der Citationen der<lb/>
Gewinn eigener Controle unter den Augen des Sachkenners, für den die<lb/>
Anhalte zur Verificirung (oder Rectificirung) genügend sein werden. Da<lb/>
nur die Skizzenumrisse von Entwürfen geliefert werden, ist neues Durch-<lb/>
arbeiten gewinnreicher, als allzu ängstlich gleiche Bahn nachzutreten.<lb/>
Ohnedem kreuzen sich in der Ethnologie die Wege stets nach allen Seiten,<lb/>
und manchmal entsteht der Schein von Verwirrung für den, der gerade<lb/>
einer Richtung nur in seinem Gedankengange folgend, die Wegweiser nach<lb/>
andern Seiten hin übersieht, die in der Citation für allseitige Erwägung<lb/>
liegen sollten, oft zugleich mit Rückweis oder Anschluss an früher bereits<lb/>
Behandeltes. Je unermesslicher die Masse des Stoffes wächst, desto mehr<lb/>
ist das Gedruckte auf möglichst kurze Winke zusammenzudrängen, wie für<lb/>
den genügend, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Wo die Fol-<lb/>
gerungen klar zu Tage liegen, erhöht es dann die Befriedigung des denkenden<lb/>
Lesers, sie selbst zu ziehen, und ohne Denken kein Gedeihen für eine<lb/>
Wissenschaft, in der wir noch Alle mehr zu lernen, als zu lehren haben.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0156] nisse hervortretenden Bücher eine für Fernerstehende etwas abschreckende *) Form bewahren, so mag es darum sein, da diejenigen, denen es ernstlich um die Sache zu thun ist, den Eingang schon finden werden, wie in jeder Fachwissen- schaft die damit Vertrauten. Und emsige Arbeiter **) nur sind *) *) Dass in Benutzung der Quellen, soweit auf anerkannte Autoritäten zurückgegriffen wird, die secundären überwiegen müssen, ergiebt sich von selbst, da sie schon dem classischen Gelehrten beim Anstreifen des ganz benachbarten Feldes der orientalischen Literatur zuzugestehen, und es eine allzu ungeheuerliche Anforderung wäre, wenn die Ethnologie bei all’ den verschiedenen Literaturkreisen, nicht Asien’s allein, sondern in noch 4 ganzen Continenten ausserdem, in sämmtlichen schriftlichen oder schrift- losen Traditionen des Erdball’s nur durch eigenes Selbststudium erschöpfte Originale benutzen dürfte. Auch ist auf diesen geographisch vergleichenden Arbeitsfeldern, weil universellen, Theilung der Arbeit als zu Recht be- stehend längst anerkannt, von den Autoritäten in Specialfällen und für dieselben. **) Observation, expérimentation, telle est actuellement la devise de la science médicale (s. Perret). Philosopher, c’est doctriner, or nous n’avons pas le temps de cela, quand le malade nous réclame (und in der Ethno- logie, wenn das Material vor unseren Augen zu Grunde geht, ohne rasches Zugreifen und Ansammeln durch den dazu Berufenen). Generally speaking *) Unterbrechung (mit langjähriger Entfernung von literarischen Hilfsquellen) geführt werden müssen, liegt in gewisser Unbestimmtheit der Citationen der Gewinn eigener Controle unter den Augen des Sachkenners, für den die Anhalte zur Verificirung (oder Rectificirung) genügend sein werden. Da nur die Skizzenumrisse von Entwürfen geliefert werden, ist neues Durch- arbeiten gewinnreicher, als allzu ängstlich gleiche Bahn nachzutreten. Ohnedem kreuzen sich in der Ethnologie die Wege stets nach allen Seiten, und manchmal entsteht der Schein von Verwirrung für den, der gerade einer Richtung nur in seinem Gedankengange folgend, die Wegweiser nach andern Seiten hin übersieht, die in der Citation für allseitige Erwägung liegen sollten, oft zugleich mit Rückweis oder Anschluss an früher bereits Behandeltes. Je unermesslicher die Masse des Stoffes wächst, desto mehr ist das Gedruckte auf möglichst kurze Winke zusammenzudrängen, wie für den genügend, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Wo die Fol- gerungen klar zu Tage liegen, erhöht es dann die Befriedigung des denkenden Lesers, sie selbst zu ziehen, und ohne Denken kein Gedeihen für eine Wissenschaft, in der wir noch Alle mehr zu lernen, als zu lehren haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/156
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/156>, abgerufen am 21.11.2024.