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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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wandlungen Gebundene abzuscheiden, und dann die späteren
Zugaben auf den Mannigfaltigkeiten einzuschlagender Wege
(und unter der Vielfachheit der auf denselben eintreffbaren
Schicksale) zu verfolgen. Das Endziel*) läuft aus in die
gesetzliche Harmonie der Kräfte, die den Menschen auf
geistig-körperliche Gesundheit**) im nationalen Gesellschafts-
bande hinweist, um im ungestört organischen Fortschritt
geistige Schöpfungen im All zu zeitigen.

De non existentibus et non apparentibus eadem est ratio,
wie gleiches auch für das Gegentheil gilt, und indem das
Seiende (oder einmal Gewesene) wieder in Nichtseiendes
nicht verschwinden kann, stellt sich die Fortdauer***) fest,

*) Wenn man aus Anlass nicht zu beantwortender Fragen, das Dogma
der Erkenntnissgrenze ohne Weiteres proclamirt, so ist das immer ein
vorschneller Schritt (s. Rehmke). Auf neugestellte Fragen neue Antwort,
o karpos tou pneumatos (Gal.) in Verjüngung veredelbar.
**) Wie die Formen unseres logischen und mathematischen Denken's
uns einerseits ewige Wahrheiten offenbaren, andererseits aber auch Er-
kenntnissprincipien sind, durch deren Entwicklung und Anwendung wir
die in der Natur vorhandene gesetzliche Ordnung entdecken, so führen uns
die ethischen Ideen, deren Gehalt an und für sich das unvergänglich
Werthvolle ist, auf den Gedanken einer noch andern und höheren Ordnung
der Dinge, einer auf die Verwirklichung des Guten abzielenden moralischen
Weltordnung (s. Drobisch). Dafür: la statistique morale et les principes
qui doivent en former la base (bei Quetelet), wenn wir soweit kommen
(in der Theorie des probabilites).
***) Am starrsten klebt an solchem Fortbestand die im westlichen
Urtheil als windigste und (atheistisch) gottlos erklärte Religion des Osten's,
das Teufelswerk des "Affen-Gottes" oder (bei den Kapuzinern) des
ketzerischen Schreckgespenstes Manes. Durch den Schall von 84,000 Pauken
werden die Wesen für die Epiphanie auf dem Uccadhvaja genannten
Vimana (in der Lalita Vistara) zusammenberufen, und auch alle Schöpfungs-
vorgänge bereits, in der Vivattatthahi-kappa, verlaufen wie immer, je nach dem
Vordringen früherer Zerstörung in die Rupa-Terrassen, vor einer grösseren
oder geringeren Menge von Zeugen. Unsere Weltweisen allerdings, da sie
schwarz sehen, wo die buddhistischen weiss meinen, und umgekehrt, da sie
ja hören, wo die buddhistischen nein sagen wollten, und umgekehrt, haben
in den Erklärungen des Nirvana vorgezogen "cacumen radicis loco ponere",

wandlungen Gebundene abzuscheiden, und dann die späteren
Zugaben auf den Mannigfaltigkeiten einzuschlagender Wege
(und unter der Vielfachheit der auf denselben eintreffbaren
Schicksale) zu verfolgen. Das Endziel*) läuft aus in die
gesetzliche Harmonie der Kräfte, die den Menschen auf
geistig-körperliche Gesundheit**) im nationalen Gesellschafts-
bande hinweist, um im ungestört organischen Fortschritt
geistige Schöpfungen im All zu zeitigen.

De non existentibus et non apparentibus eadem est ratio,
wie gleiches auch für das Gegentheil gilt, und indem das
Seiende (oder einmal Gewesene) wieder in Nichtseiendes
nicht verschwinden kann, stellt sich die Fortdauer***) fest,

*) Wenn man aus Anlass nicht zu beantwortender Fragen, das Dogma
der Erkenntnissgrenze ohne Weiteres proclamirt, so ist das immer ein
vorschneller Schritt (s. Rehmke). Auf neugestellte Fragen neue Antwort,
ὁ καρπὸς τοῦ πνευματος (Gal.) in Verjüngung veredelbar.
**) Wie die Formen unseres logischen und mathematischen Denken’s
uns einerseits ewige Wahrheiten offenbaren, andererseits aber auch Er-
kenntnissprincipien sind, durch deren Entwicklung und Anwendung wir
die in der Natur vorhandene gesetzliche Ordnung entdecken, so führen uns
die ethischen Ideen, deren Gehalt an und für sich das unvergänglich
Werthvolle ist, auf den Gedanken einer noch andern und höheren Ordnung
der Dinge, einer auf die Verwirklichung des Guten abzielenden moralischen
Weltordnung (s. Drobisch). Dafür: la statistique morale et les principes
qui doivent en former la base (bei Quetelet), wenn wir soweit kommen
(in der Théorie des probabilités).
***) Am starrsten klebt an solchem Fortbestand die im westlichen
Urtheil als windigste und (atheistisch) gottlos erklärte Religion des Osten’s,
das Teufelswerk des „Affen-Gottes“ oder (bei den Kapuzinern) des
ketzerischen Schreckgespenstes Manes. Durch den Schall von 84,000 Pauken
werden die Wesen für die Epiphanie auf dem Uccadhvaja genannten
Vimana (in der Lalita Vistara) zusammenberufen, und auch alle Schöpfungs-
vorgänge bereits, in der Vivattatthahi-kappa, verlaufen wie immer, je nach dem
Vordringen früherer Zerstörung in die Rupa-Terrassen, vor einer grösseren
oder geringeren Menge von Zeugen. Unsere Weltweisen allerdings, da sie
schwarz sehen, wo die buddhistischen weiss meinen, und umgekehrt, da sie
ja hören, wo die buddhistischen nein sagen wollten, und umgekehrt, haben
in den Erklärungen des Nirvana vorgezogen „cacumen radicis loco ponere“,
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[132/0166] wandlungen Gebundene abzuscheiden, und dann die späteren Zugaben auf den Mannigfaltigkeiten einzuschlagender Wege (und unter der Vielfachheit der auf denselben eintreffbaren Schicksale) zu verfolgen. Das Endziel *) läuft aus in die gesetzliche Harmonie der Kräfte, die den Menschen auf geistig-körperliche Gesundheit **) im nationalen Gesellschafts- bande hinweist, um im ungestört organischen Fortschritt geistige Schöpfungen im All zu zeitigen. De non existentibus et non apparentibus eadem est ratio, wie gleiches auch für das Gegentheil gilt, und indem das Seiende (oder einmal Gewesene) wieder in Nichtseiendes nicht verschwinden kann, stellt sich die Fortdauer ***) fest, *) Wenn man aus Anlass nicht zu beantwortender Fragen, das Dogma der Erkenntnissgrenze ohne Weiteres proclamirt, so ist das immer ein vorschneller Schritt (s. Rehmke). Auf neugestellte Fragen neue Antwort, ὁ καρπὸς τοῦ πνευματος (Gal.) in Verjüngung veredelbar. **) Wie die Formen unseres logischen und mathematischen Denken’s uns einerseits ewige Wahrheiten offenbaren, andererseits aber auch Er- kenntnissprincipien sind, durch deren Entwicklung und Anwendung wir die in der Natur vorhandene gesetzliche Ordnung entdecken, so führen uns die ethischen Ideen, deren Gehalt an und für sich das unvergänglich Werthvolle ist, auf den Gedanken einer noch andern und höheren Ordnung der Dinge, einer auf die Verwirklichung des Guten abzielenden moralischen Weltordnung (s. Drobisch). Dafür: la statistique morale et les principes qui doivent en former la base (bei Quetelet), wenn wir soweit kommen (in der Théorie des probabilités). ***) Am starrsten klebt an solchem Fortbestand die im westlichen Urtheil als windigste und (atheistisch) gottlos erklärte Religion des Osten’s, das Teufelswerk des „Affen-Gottes“ oder (bei den Kapuzinern) des ketzerischen Schreckgespenstes Manes. Durch den Schall von 84,000 Pauken werden die Wesen für die Epiphanie auf dem Uccadhvaja genannten Vimana (in der Lalita Vistara) zusammenberufen, und auch alle Schöpfungs- vorgänge bereits, in der Vivattatthahi-kappa, verlaufen wie immer, je nach dem Vordringen früherer Zerstörung in die Rupa-Terrassen, vor einer grösseren oder geringeren Menge von Zeugen. Unsere Weltweisen allerdings, da sie schwarz sehen, wo die buddhistischen weiss meinen, und umgekehrt, da sie ja hören, wo die buddhistischen nein sagen wollten, und umgekehrt, haben in den Erklärungen des Nirvana vorgezogen „cacumen radicis loco ponere“,

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/166>, abgerufen am 21.11.2024.