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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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ducirt sich das Ganze, wie jetzt bereits erkennbar, auf eine
verhältnissmässig sehr geringe Zahl von Typen*). In jedem

*) Mit diesen Typen ist in der Seelenwelt (einer ethnischen Psychologie
oder Anthropologie) das System herzustellen in seinen Ordnungen, Familien,
Gattungen, wie in jeder anderen Naturwissenschaft mit deren Sammlungen
(welche sich für schriftlose Völker auf die ethnologischen reduciren), und
das Material kann hier, der Natur der Sache nach, natürlich aus der Natur
nur, durch objective Beobachtung, erlangt werden. Indem nun die Museen
dieses Material in alljährlich steigende Progressionen vor den Augen ver-
schwinden sehen (unter dem unabänderlich nothwendigen Gang eiserner
Naturgesetze in der Geschichte), auf der anderen Seite aber die Zahl der
Concurrenten, die sich um die letzten (und mit weiterer Entfernung in der
Originalität beständig verschlechterten) Reste streiten werden, zunehmend
und (je mehr das Bewusstsein der hohen Culturfragen, die hier auf dem
Spiele stehen, bei allen Nationen erwacht) zunehmender steigt, so sollte
die Wahl, ob mit verhältnissmässig noch mässiger Summe gut und billig
(soweit es nicht etwa jetzt bereits dafür vielfach zu spät ist) oder später
schlecht und theuer, mit kolossalen Summen (wenn überhaupt noch Etwas
dafür zu haben sein wird), zu kaufen, in verständiger Staatsökonomie nicht
schwer fallen, und also: caveant consules, ne respublica detrimentum capiat
(zunächst betreffs der eigenen, wofür betraut). Diese Verhältnisse sind
so durchsichtig klar, dass sie Keinem, der sich zum Hineindenken geringste
Mühe giebt, undeutlich bleiben können, sie basiren so sehr auf elementarsten
Rechnungsoperationen, dass sich auch dem Ungeübtesten leicht das richtige
Resultat ergiebt, ja sie sind, möchte man sagen, zu klar, so klar, um
als transparent übersehen zu werden
, weil man durch sie, als
selbstverständliche, hindurchsieht. Dies geschieht stets, wenn wir, wie hier,
mitten drinnen stehen in einer Entwicklungsperiode, in welcher wir während
der eigenen Generation selbst erst hineingewachsen sind. Erst nachdem
bestimmte Phasen abgelaufen sind, erkennt man beim Rückblick auf die
Periode der Vergangenheit ihren Zusammenhang, dann aber auch zu spät
die Verluste, welche durch frühere Vernachlässigung zum zweiten Male
nicht gut zu machen sind. In der Ethnologie stehen wir augenblicklich
an einem kritischen Wendepunkte, wir besitzen bereits aus kurzer Vor-
geschichte genügende Belege, um zu verstehen, wie noch jetzt leitend ein-
zugreifen, während wir, wenn uns diese letzte Handhabe entgeht, willenlos
und widerstandslos werden fortgeschwemmt werden von den Fluthen der
Zeit, die dann die ethnologische Welt für immer in die Nacht des Nicht-
sein begraben muss.

ungeordneten Wirrwar schreckbar erscheinenden Masse, re-
ducirt sich das Ganze, wie jetzt bereits erkennbar, auf eine
verhältnissmässig sehr geringe Zahl von Typen*). In jedem

*) Mit diesen Typen ist in der Seelenwelt (einer ethnischen Psychologie
oder Anthropologie) das System herzustellen in seinen Ordnungen, Familien,
Gattungen, wie in jeder anderen Naturwissenschaft mit deren Sammlungen
(welche sich für schriftlose Völker auf die ethnologischen reduciren), und
das Material kann hier, der Natur der Sache nach, natürlich aus der Natur
nur, durch objective Beobachtung, erlangt werden. Indem nun die Museen
dieses Material in alljährlich steigende Progressionen vor den Augen ver-
schwinden sehen (unter dem unabänderlich nothwendigen Gang eiserner
Naturgesetze in der Geschichte), auf der anderen Seite aber die Zahl der
Concurrenten, die sich um die letzten (und mit weiterer Entfernung in der
Originalität beständig verschlechterten) Reste streiten werden, zunehmend
und (je mehr das Bewusstsein der hohen Culturfragen, die hier auf dem
Spiele stehen, bei allen Nationen erwacht) zunehmender steigt, so sollte
die Wahl, ob mit verhältnissmässig noch mässiger Summe gut und billig
(soweit es nicht etwa jetzt bereits dafür vielfach zu spät ist) oder später
schlecht und theuer, mit kolossalen Summen (wenn überhaupt noch Etwas
dafür zu haben sein wird), zu kaufen, in verständiger Staatsökonomie nicht
schwer fallen, und also: caveant consules, ne respublica detrimentum capiat
(zunächst betreffs der eigenen, wofür betraut). Diese Verhältnisse sind
so durchsichtig klar, dass sie Keinem, der sich zum Hineindenken geringste
Mühe giebt, undeutlich bleiben können, sie basiren so sehr auf elementarsten
Rechnungsoperationen, dass sich auch dem Ungeübtesten leicht das richtige
Resultat ergiebt, ja sie sind, möchte man sagen, zu klar, so klar, um
als transparent übersehen zu werden
, weil man durch sie, als
selbstverständliche, hindurchsieht. Dies geschieht stets, wenn wir, wie hier,
mitten drinnen stehen in einer Entwicklungsperiode, in welcher wir während
der eigenen Generation selbst erst hineingewachsen sind. Erst nachdem
bestimmte Phasen abgelaufen sind, erkennt man beim Rückblick auf die
Periode der Vergangenheit ihren Zusammenhang, dann aber auch zu spät
die Verluste, welche durch frühere Vernachlässigung zum zweiten Male
nicht gut zu machen sind. In der Ethnologie stehen wir augenblicklich
an einem kritischen Wendepunkte, wir besitzen bereits aus kurzer Vor-
geschichte genügende Belege, um zu verstehen, wie noch jetzt leitend ein-
zugreifen, während wir, wenn uns diese letzte Handhabe entgeht, willenlos
und widerstandslos werden fortgeschwemmt werden von den Fluthen der
Zeit, die dann die ethnologische Welt für immer in die Nacht des Nicht-
sein begraben muss.
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[183/0217] ungeordneten Wirrwar schreckbar erscheinenden Masse, re- ducirt sich das Ganze, wie jetzt bereits erkennbar, auf eine verhältnissmässig sehr geringe Zahl von Typen *). In jedem *) Mit diesen Typen ist in der Seelenwelt (einer ethnischen Psychologie oder Anthropologie) das System herzustellen in seinen Ordnungen, Familien, Gattungen, wie in jeder anderen Naturwissenschaft mit deren Sammlungen (welche sich für schriftlose Völker auf die ethnologischen reduciren), und das Material kann hier, der Natur der Sache nach, natürlich aus der Natur nur, durch objective Beobachtung, erlangt werden. Indem nun die Museen dieses Material in alljährlich steigende Progressionen vor den Augen ver- schwinden sehen (unter dem unabänderlich nothwendigen Gang eiserner Naturgesetze in der Geschichte), auf der anderen Seite aber die Zahl der Concurrenten, die sich um die letzten (und mit weiterer Entfernung in der Originalität beständig verschlechterten) Reste streiten werden, zunehmend und (je mehr das Bewusstsein der hohen Culturfragen, die hier auf dem Spiele stehen, bei allen Nationen erwacht) zunehmender steigt, so sollte die Wahl, ob mit verhältnissmässig noch mässiger Summe gut und billig (soweit es nicht etwa jetzt bereits dafür vielfach zu spät ist) oder später schlecht und theuer, mit kolossalen Summen (wenn überhaupt noch Etwas dafür zu haben sein wird), zu kaufen, in verständiger Staatsökonomie nicht schwer fallen, und also: caveant consules, ne respublica detrimentum capiat (zunächst betreffs der eigenen, wofür betraut). Diese Verhältnisse sind so durchsichtig klar, dass sie Keinem, der sich zum Hineindenken geringste Mühe giebt, undeutlich bleiben können, sie basiren so sehr auf elementarsten Rechnungsoperationen, dass sich auch dem Ungeübtesten leicht das richtige Resultat ergiebt, ja sie sind, möchte man sagen, zu klar, so klar, um als transparent übersehen zu werden, weil man durch sie, als selbstverständliche, hindurchsieht. Dies geschieht stets, wenn wir, wie hier, mitten drinnen stehen in einer Entwicklungsperiode, in welcher wir während der eigenen Generation selbst erst hineingewachsen sind. Erst nachdem bestimmte Phasen abgelaufen sind, erkennt man beim Rückblick auf die Periode der Vergangenheit ihren Zusammenhang, dann aber auch zu spät die Verluste, welche durch frühere Vernachlässigung zum zweiten Male nicht gut zu machen sind. In der Ethnologie stehen wir augenblicklich an einem kritischen Wendepunkte, wir besitzen bereits aus kurzer Vor- geschichte genügende Belege, um zu verstehen, wie noch jetzt leitend ein- zugreifen, während wir, wenn uns diese letzte Handhabe entgeht, willenlos und widerstandslos werden fortgeschwemmt werden von den Fluthen der Zeit, die dann die ethnologische Welt für immer in die Nacht des Nicht- sein begraben muss.

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/217>, abgerufen am 24.11.2024.