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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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ton pragmaton darstellen würden, als Verwirklichungen des
Geisteslebens. Mit diesem im Aussen erkannten Ganzen
fänden dann wieder die Einzelnheiten ihre Erklärung, denn
(bei Aristoteles): "Wer das Allgemeine weiss, weiss auch
das Einzelne" und zum Wissen des Allgemeinen wieder wird
erst durch allmählige (oftmals, weil noch vergleichungslose,
damit vorläufig unverständliche) Bemeisterungen der Einzeln-
heiten gelangt, während dann nach dem Abschluss des Ge-
sammtbau's allerdings die Möglichkeit gegeben ist, rückwärts
das richtige Theilverhältniss jedes Einzelnen (aus den zu-
sammengetragenen Materialien der Bausteine) innerhalb des
Ganzen zu verstehen.

In einer für die spätere Behandlungsweise nach inductiver
Methode vorbedeutenden Eintheilung wurde die Psychologie
längere Zeit unter die Physik gestellt, während sie im eth-
nischen Gesammtresultat, bei objectiver Verwirklichung des
psychologischen Processes (in dem aus den Componenten
der Individualitäten zusammengetretenen Organismus der
Gesellschaft*) die Metaphysik beanspruchen würde. Als
Lehre von den Völkergedanken gefasst, repräsentirt die
Psychologie damit den geistigen Horizont, sowie der Mensch
(in dem ihm zugehörigen Mikrokosmos) lebt, soweit dieser
sich als reine Schöpfung ethnischer (social-psychologischer)
Thätigkeit ergiebt, -- nicht jedoch (in supponirter Identität
des Denkens und Sein's) den Makrokosmos im Grossen und
Ganzen, da die aus dem Bythos oder Hades eines Nicht-
seins hervorgetretene Materie nur in ihren Vorstellungen
darüber begriffen wird, ohne das Ding an sich zu berühren.
Rosenkranz nennt es eine "Monomanie", (bei dem Anstreben

*) "Der Trieb der Objectivirung kommt nicht nur dem einzelnen Menschen,
sondern auch der Gesellschaft zu", als Inbegriff von Individuen (s. Lindner).
"Insofern diese Individuen von einem gemeinschaftlichen Bewusstsein be-
seelt sind, wird auch die von jedem derselben ausgehende Objectivirung
des eigenen Gedankenkreises einen übereinstimmend einheitlichen Character
in sich tragen" (als sociale Physiognomie).

τῶν πραγμάτων darstellen würden, als Verwirklichungen des
Geisteslebens. Mit diesem im Aussen erkannten Ganzen
fänden dann wieder die Einzelnheiten ihre Erklärung, denn
(bei Aristoteles): „Wer das Allgemeine weiss, weiss auch
das Einzelne“ und zum Wissen des Allgemeinen wieder wird
erst durch allmählige (oftmals, weil noch vergleichungslose,
damit vorläufig unverständliche) Bemeisterungen der Einzeln-
heiten gelangt, während dann nach dem Abschluss des Ge-
sammtbau’s allerdings die Möglichkeit gegeben ist, rückwärts
das richtige Theilverhältniss jedes Einzelnen (aus den zu-
sammengetragenen Materialien der Bausteine) innerhalb des
Ganzen zu verstehen.

In einer für die spätere Behandlungsweise nach inductiver
Methode vorbedeutenden Eintheilung wurde die Psychologie
längere Zeit unter die Physik gestellt, während sie im eth-
nischen Gesammtresultat, bei objectiver Verwirklichung des
psychologischen Processes (in dem aus den Componenten
der Individualitäten zusammengetretenen Organismus der
Gesellschaft*) die Metaphysik beanspruchen würde. Als
Lehre von den Völkergedanken gefasst, repräsentirt die
Psychologie damit den geistigen Horizont, sowie der Mensch
(in dem ihm zugehörigen Mikrokosmos) lebt, soweit dieser
sich als reine Schöpfung ethnischer (social-psychologischer)
Thätigkeit ergiebt, — nicht jedoch (in supponirter Identität
des Denkens und Sein’s) den Makrokosmos im Grossen und
Ganzen, da die aus dem Bythos oder Hades eines Nicht-
seins hervorgetretene Materie nur in ihren Vorstellungen
darüber begriffen wird, ohne das Ding an sich zu berühren.
Rosenkranz nennt es eine „Monomanie“, (bei dem Anstreben

*) „Der Trieb der Objectivirung kommt nicht nur dem einzelnen Menschen,
sondern auch der Gesellschaft zu“, als Inbegriff von Individuen (s. Lindner).
„Insofern diese Individuen von einem gemeinschaftlichen Bewusstsein be-
seelt sind, wird auch die von jedem derselben ausgehende Objectivirung
des eigenen Gedankenkreises einen übereinstimmend einheitlichen Character
in sich tragen“ (als sociale Physiognomie).
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[13/0047] τῶν πραγμάτων darstellen würden, als Verwirklichungen des Geisteslebens. Mit diesem im Aussen erkannten Ganzen fänden dann wieder die Einzelnheiten ihre Erklärung, denn (bei Aristoteles): „Wer das Allgemeine weiss, weiss auch das Einzelne“ und zum Wissen des Allgemeinen wieder wird erst durch allmählige (oftmals, weil noch vergleichungslose, damit vorläufig unverständliche) Bemeisterungen der Einzeln- heiten gelangt, während dann nach dem Abschluss des Ge- sammtbau’s allerdings die Möglichkeit gegeben ist, rückwärts das richtige Theilverhältniss jedes Einzelnen (aus den zu- sammengetragenen Materialien der Bausteine) innerhalb des Ganzen zu verstehen. In einer für die spätere Behandlungsweise nach inductiver Methode vorbedeutenden Eintheilung wurde die Psychologie längere Zeit unter die Physik gestellt, während sie im eth- nischen Gesammtresultat, bei objectiver Verwirklichung des psychologischen Processes (in dem aus den Componenten der Individualitäten zusammengetretenen Organismus der Gesellschaft *) die Metaphysik beanspruchen würde. Als Lehre von den Völkergedanken gefasst, repräsentirt die Psychologie damit den geistigen Horizont, sowie der Mensch (in dem ihm zugehörigen Mikrokosmos) lebt, soweit dieser sich als reine Schöpfung ethnischer (social-psychologischer) Thätigkeit ergiebt, — nicht jedoch (in supponirter Identität des Denkens und Sein’s) den Makrokosmos im Grossen und Ganzen, da die aus dem Bythos oder Hades eines Nicht- seins hervorgetretene Materie nur in ihren Vorstellungen darüber begriffen wird, ohne das Ding an sich zu berühren. Rosenkranz nennt es eine „Monomanie“, (bei dem Anstreben *) „Der Trieb der Objectivirung kommt nicht nur dem einzelnen Menschen, sondern auch der Gesellschaft zu“, als Inbegriff von Individuen (s. Lindner). „Insofern diese Individuen von einem gemeinschaftlichen Bewusstsein be- seelt sind, wird auch die von jedem derselben ausgehende Objectivirung des eigenen Gedankenkreises einen übereinstimmend einheitlichen Character in sich tragen“ (als sociale Physiognomie).

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/47>, abgerufen am 03.05.2024.