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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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zu dem aus dem Wananga (heiligen Geheimniss) hervorstrah-
lenden Glorienglanz (Te Ahua), und so bei Menu. Als die
Welt noch in Finsterniss versenkt und unentdeckbar war,
macht (beim Erwachen aus chaotischem Schlummer) Aum
das Elementare anschaulich, seine Herrlichkeit entfaltend,
und in das aus dem Gedankenbeschluss gebildete Nara (des
Geistes oder Nara) oder Wasser die Keime legend, entwickeln
sich diese zum Ei Brahma's (oder Purucha's), der in Hälf-
ten theilt (wie bei Bersus), als Himmel und Erde oder (bei
Maori) Rangi und Papa beim Zerfall des Weltenei's. Der
Demiurg (nachdem Alles vorbereitet) verfertigte ton ouranon
kai ten gen (bei den Tyrrheniern), während in Polynesien
den Tii oder Tiki (wie den Maui) die feinere Ausbildung des
aus dem Bythos, als Urgrundes, Hervorgeblühten auferlegt
wird. Auch dort aber werden Tane und seine Brüder von
Himmel und Erde in ehelicher Umschlingung gezeugt, Djaus-
pitar und Prithivi-matar (in den Vedas). Nachdem die Eltern
durch die rebellischen Kinder zerrissen, steigen Papa's Seufzer
in den Nebeln empor, während Rangi's Thränen herabfallen
im Thau. Am Orinoco ist der Thau das Gespucke der Sterne,
und nach Einiger Ansicht im Archipelagos nehmen die Stern-
schnuppen beim Hinausfahren nicht die Richtung nach der
Nase, sondern eher umgekehrt. Dagegen gelten sie auch
als die leuchtend dahinfahrenden Seelen berühmter Häupt-
linge, und neugeborene Kinder wieder als Götterdreck, eine
natürliche Folge des Seelenfressen's bei den Atua (die man
mit dewa und deus auf glänzende Wurzel zurückzuführen
versucht).


Bis dahin waren in der Ethnologie nur ganz allgemeine
Anschauungen gegeben, aus der Ferne gesehen, gleich den
Planeten etwa, über welche man sich mit den Bewegungs-
und Schweregesetzen, wie astronomisch berechenbar, zu be-
gnügen hatte. Wie aber, nachdem auf dem Mond Berge
erkannt, selbst auf dem Mars Schnee schon schimmert, sich
damit unübersehbar neue Arbeitsfelder für weiteres Detail

zu dem aus dem Wananga (heiligen Geheimniss) hervorstrah-
lenden Glorienglanz (Te Ahua), und so bei Menu. Als die
Welt noch in Finsterniss versenkt und unentdeckbar war,
macht (beim Erwachen aus chaotischem Schlummer) Aum
das Elementare anschaulich, seine Herrlichkeit entfaltend,
und in das aus dem Gedankenbeschluss gebildete Nara (des
Geistes oder Nara) oder Wasser die Keime legend, entwickeln
sich diese zum Ei Brahma’s (oder Purucha’s), der in Hälf-
ten theilt (wie bei Bersus), als Himmel und Erde oder (bei
Maori) Rangi und Papa beim Zerfall des Weltenei’s. Der
Demiurg (nachdem Alles vorbereitet) verfertigte τὸν οὐρανὸν
καὶ τήν γῆν (bei den Tyrrheniern), während in Polynesien
den Tii oder Tiki (wie den Maui) die feinere Ausbildung des
aus dem Bythos, als Urgrundes, Hervorgeblühten auferlegt
wird. Auch dort aber werden Tane und seine Brüder von
Himmel und Erde in ehelicher Umschlingung gezeugt, Djaus-
pitar und Prithivi-matar (in den Vedas). Nachdem die Eltern
durch die rebellischen Kinder zerrissen, steigen Papa’s Seufzer
in den Nebeln empor, während Rangi’s Thränen herabfallen
im Thau. Am Orinoco ist der Thau das Gespucke der Sterne,
und nach Einiger Ansicht im Archipelagos nehmen die Stern-
schnuppen beim Hinausfahren nicht die Richtung nach der
Nase, sondern eher umgekehrt. Dagegen gelten sie auch
als die leuchtend dahinfahrenden Seelen berühmter Häupt-
linge, und neugeborene Kinder wieder als Götterdreck, eine
natürliche Folge des Seelenfressen’s bei den Atua (die man
mit dewa und deus auf glänzende Wurzel zurückzuführen
versucht).


Bis dahin waren in der Ethnologie nur ganz allgemeine
Anschauungen gegeben, aus der Ferne gesehen, gleich den
Planeten etwa, über welche man sich mit den Bewegungs-
und Schweregesetzen, wie astronomisch berechenbar, zu be-
gnügen hatte. Wie aber, nachdem auf dem Mond Berge
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[59/0093] zu dem aus dem Wananga (heiligen Geheimniss) hervorstrah- lenden Glorienglanz (Te Ahua), und so bei Menu. Als die Welt noch in Finsterniss versenkt und unentdeckbar war, macht (beim Erwachen aus chaotischem Schlummer) Aum das Elementare anschaulich, seine Herrlichkeit entfaltend, und in das aus dem Gedankenbeschluss gebildete Nara (des Geistes oder Nara) oder Wasser die Keime legend, entwickeln sich diese zum Ei Brahma’s (oder Purucha’s), der in Hälf- ten theilt (wie bei Bersus), als Himmel und Erde oder (bei Maori) Rangi und Papa beim Zerfall des Weltenei’s. Der Demiurg (nachdem Alles vorbereitet) verfertigte τὸν οὐρανὸν καὶ τήν γῆν (bei den Tyrrheniern), während in Polynesien den Tii oder Tiki (wie den Maui) die feinere Ausbildung des aus dem Bythos, als Urgrundes, Hervorgeblühten auferlegt wird. Auch dort aber werden Tane und seine Brüder von Himmel und Erde in ehelicher Umschlingung gezeugt, Djaus- pitar und Prithivi-matar (in den Vedas). Nachdem die Eltern durch die rebellischen Kinder zerrissen, steigen Papa’s Seufzer in den Nebeln empor, während Rangi’s Thränen herabfallen im Thau. Am Orinoco ist der Thau das Gespucke der Sterne, und nach Einiger Ansicht im Archipelagos nehmen die Stern- schnuppen beim Hinausfahren nicht die Richtung nach der Nase, sondern eher umgekehrt. Dagegen gelten sie auch als die leuchtend dahinfahrenden Seelen berühmter Häupt- linge, und neugeborene Kinder wieder als Götterdreck, eine natürliche Folge des Seelenfressen’s bei den Atua (die man mit dewa und deus auf glänzende Wurzel zurückzuführen versucht). Bis dahin waren in der Ethnologie nur ganz allgemeine Anschauungen gegeben, aus der Ferne gesehen, gleich den Planeten etwa, über welche man sich mit den Bewegungs- und Schweregesetzen, wie astronomisch berechenbar, zu be- gnügen hatte. Wie aber, nachdem auf dem Mond Berge erkannt, selbst auf dem Mars Schnee schon schimmert, sich damit unübersehbar neue Arbeitsfelder für weiteres Detail

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/93>, abgerufen am 19.05.2024.