Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Deines Lebens bilden. Theile nur Louis Alles aus¬
führlich mit, damit Du in trüben Zeiten Dich einst an
der Schilderung wieder erfreuen kannst!" Ich bitte mir
daher aus, den Brief -- Deiner unrühmlichen Gewohn¬
heit gemäß -- nicht zu vernichten; -- obwohl ich zu
hoffen wage: erst nach vielen, vielen Jahren in der Lage
zu sein, mich daran erquicken und aus diesen Zeilen
Muth schöpfen zu müssen.

Die Mutter hat Recht, ich bin förmlich berauscht
von all' dem Erlebten, glücklich in der schönen, heiteren
Gegenwart, und der Zukunft übermüthig fröhlich ent¬
gegensehend! Die ausgestandenen Alterationen sind weg¬
gewischt aus dem Gedächtniß -- und mit Lust und
Zuversicht gehe ich an meine neue Aufgabe bei der
königlichen Bühne. Ein ganzer Pack allerliebster Rollen
wurde mir schon abgeliefert: -- Strudelköpfchen, aus
dem Französischen, -- Die Gouvernante, von Körner,
-- Wilhelmine, aus der Entführung, von Jünger, --
Die Nachtwandlerin, Operette von Karl Blum, welche
er für Madame Neumann komponirte, -- und den Edwin
in Raoul de Crequi ... Also, singen wird die kleine
Komödiantin nun auch noch gar? Ja, Herzenslouis,
ich bin so kühn! Karl Blum hat bereits meine Gesangs¬
fähigkeit geprüft, und folgenden Urtheilsspruch der hohen
Intendanz vorgelegt: "Nicht starke, aber wohlklingende
Altstimme. Richtiges Gehör. Musikalische Ausbildung.
-- Summa: für Operetten und nicht zu schwere Gesangs¬
partieen vollkommen genügend!" -- Die berühmte Unzel¬

Deines Lebens bilden. Theile nur Louis Alles aus¬
führlich mit, damit Du in trüben Zeiten Dich einſt an
der Schilderung wieder erfreuen kannſt!« Ich bitte mir
daher aus, den Brief — Deiner unrühmlichen Gewohn¬
heit gemäß — nicht zu vernichten; — obwohl ich zu
hoffen wage: erſt nach vielen, vielen Jahren in der Lage
zu ſein, mich daran erquicken und aus dieſen Zeilen
Muth ſchöpfen zu müſſen.

Die Mutter hat Recht, ich bin förmlich berauſcht
von all' dem Erlebten, glücklich in der ſchönen, heiteren
Gegenwart, und der Zukunft übermüthig fröhlich ent¬
gegenſehend! Die ausgeſtandenen Alterationen ſind weg¬
gewiſcht aus dem Gedächtniß — und mit Luſt und
Zuverſicht gehe ich an meine neue Aufgabe bei der
königlichen Bühne. Ein ganzer Pack allerliebſter Rollen
wurde mir ſchon abgeliefert: — Strudelköpfchen, aus
dem Franzöſiſchen, — Die Gouvernante, von Körner,
— Wilhelmine, aus der Entführung, von Jünger, —
Die Nachtwandlerin, Operette von Karl Blum, welche
er für Madame Neumann komponirte, — und den Edwin
in Raoul de Crequi … Alſo, ſingen wird die kleine
Komödiantin nun auch noch gar? Ja, Herzenslouis,
ich bin ſo kühn! Karl Blum hat bereits meine Geſangs¬
fähigkeit geprüft, und folgenden Urtheilsſpruch der hohen
Intendanz vorgelegt: »Nicht ſtarke, aber wohlklingende
Altſtimme. Richtiges Gehör. Muſikaliſche Ausbildung.
— Summa: für Operetten und nicht zu ſchwere Geſangs¬
partieen vollkommen genügend!« — Die berühmte Unzel¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="77"/>
Deines Lebens bilden. Theile nur Louis Alles aus¬<lb/>
führlich mit, damit Du in trüben Zeiten Dich ein&#x017F;t an<lb/>
der Schilderung wieder erfreuen kann&#x017F;t!« Ich bitte mir<lb/>
daher aus, den Brief &#x2014; Deiner unrühmlichen Gewohn¬<lb/>
heit gemäß &#x2014; nicht zu vernichten; &#x2014; obwohl ich zu<lb/>
hoffen wage: er&#x017F;t nach vielen, vielen Jahren in der Lage<lb/>
zu &#x017F;ein, mich daran erquicken und aus die&#x017F;en Zeilen<lb/>
Muth &#x017F;chöpfen zu mü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Die Mutter hat Recht, ich bin förmlich berau&#x017F;cht<lb/>
von all' dem Erlebten, glücklich in der &#x017F;chönen, heiteren<lb/>
Gegenwart, und der Zukunft übermüthig fröhlich ent¬<lb/>
gegen&#x017F;ehend! Die ausge&#x017F;tandenen Alterationen &#x017F;ind weg¬<lb/>
gewi&#x017F;cht aus dem Gedächtniß &#x2014; und mit Lu&#x017F;t und<lb/>
Zuver&#x017F;icht gehe ich an meine neue Aufgabe bei der<lb/>
königlichen Bühne. Ein ganzer Pack allerlieb&#x017F;ter Rollen<lb/>
wurde mir &#x017F;chon abgeliefert: &#x2014; Strudelköpfchen, aus<lb/>
dem Franzö&#x017F;i&#x017F;chen, &#x2014; Die Gouvernante, von Körner,<lb/>
&#x2014; Wilhelmine, aus der Entführung, von Jünger, &#x2014;<lb/>
Die Nachtwandlerin, Operette von Karl Blum, welche<lb/>
er für Madame Neumann komponirte, &#x2014; und den Edwin<lb/>
in Raoul de Crequi &#x2026; Al&#x017F;o, &#x017F;ingen wird die kleine<lb/>
Komödiantin nun auch noch gar? Ja, Herzenslouis,<lb/>
ich bin &#x017F;o kühn! Karl Blum hat bereits meine Ge&#x017F;angs¬<lb/>
fähigkeit geprüft, und folgenden Urtheils&#x017F;pruch der hohen<lb/>
Intendanz vorgelegt: »Nicht &#x017F;tarke, aber wohlklingende<lb/>
Alt&#x017F;timme. Richtiges Gehör. Mu&#x017F;ikali&#x017F;che Ausbildung.<lb/>
&#x2014; Summa: für Operetten und nicht zu &#x017F;chwere Ge&#x017F;angs¬<lb/>
partieen vollkommen genügend!« &#x2014; Die berühmte Unzel¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0105] Deines Lebens bilden. Theile nur Louis Alles aus¬ führlich mit, damit Du in trüben Zeiten Dich einſt an der Schilderung wieder erfreuen kannſt!« Ich bitte mir daher aus, den Brief — Deiner unrühmlichen Gewohn¬ heit gemäß — nicht zu vernichten; — obwohl ich zu hoffen wage: erſt nach vielen, vielen Jahren in der Lage zu ſein, mich daran erquicken und aus dieſen Zeilen Muth ſchöpfen zu müſſen. Die Mutter hat Recht, ich bin förmlich berauſcht von all' dem Erlebten, glücklich in der ſchönen, heiteren Gegenwart, und der Zukunft übermüthig fröhlich ent¬ gegenſehend! Die ausgeſtandenen Alterationen ſind weg¬ gewiſcht aus dem Gedächtniß — und mit Luſt und Zuverſicht gehe ich an meine neue Aufgabe bei der königlichen Bühne. Ein ganzer Pack allerliebſter Rollen wurde mir ſchon abgeliefert: — Strudelköpfchen, aus dem Franzöſiſchen, — Die Gouvernante, von Körner, — Wilhelmine, aus der Entführung, von Jünger, — Die Nachtwandlerin, Operette von Karl Blum, welche er für Madame Neumann komponirte, — und den Edwin in Raoul de Crequi … Alſo, ſingen wird die kleine Komödiantin nun auch noch gar? Ja, Herzenslouis, ich bin ſo kühn! Karl Blum hat bereits meine Geſangs¬ fähigkeit geprüft, und folgenden Urtheilsſpruch der hohen Intendanz vorgelegt: »Nicht ſtarke, aber wohlklingende Altſtimme. Richtiges Gehör. Muſikaliſche Ausbildung. — Summa: für Operetten und nicht zu ſchwere Geſangs¬ partieen vollkommen genügend!« — Die berühmte Unzel¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/105
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/105>, abgerufen am 21.11.2024.