gerne mitlache, verargte es fast dem Künstler: aus den idealen Schöpfungen herausgetreten zu sein, denn die Darstellung streifte an die Posse; -- die Mutter fühlte gleich mir, rieth aber zu schweigen. -- Eine alte Dame, Frau Krikeberg, welche die undankbarsten Rollen über¬ nehmen muß, habe ich auch liebgewonnen. Sie war mit Kotzebue befreundet, erzählt fesselnd aus vergan¬ genen Zeiten und wird von Rahel von Varnhagen sehr geschätzt.
Als ich im Begriff war, im vierten Stock bei Frau Krikeberg anzuklopfen, trat mir Rahel entgegen, blieb aber noch während meines Besuches und forderte mich auf, sie durch die Straßen bis zu ihrer Wohnung zu begleiten. Sie sprach sehr lebhaft, in ihrer bezaubern¬ den Redeweise. Unter Anderem sagte sie: "Von der alten Krikeberg habe ich mir oft Rath geholt, von ihr kann man Lebensweisheit lernen!"
"Sie -- die geistreiche Rahel, bedürfen der Weis¬ heit Anderer?" fragte ich lächelnd. "Mehr als jedes andere Menschenkind!" sagte sie seufzend, -- "ich bin oft unausstehlich trüb gestimmt! -- Das wundert meinen lieben Narren, nicht? Ja, Sie Glückliche wissen noch nicht, wie Nerven quälen können. Frau Krikeberg ver¬ steht aus der dürftigsten Blume noch Honig zu schlürfen, ist beladen mit den schwersten Sorgen und doch stets heiter. Sie spart, entbehrt für Lieblingswünsche -- und giebt resignirt das sauer Erworbene den um Hülfe bit¬ tenden Töchtern, Schwiegersöhnen, Enkeln,-- zufrieden,
gerne mitlache, verargte es faſt dem Künſtler: aus den idealen Schöpfungen herausgetreten zu ſein, denn die Darſtellung ſtreifte an die Poſſe; — die Mutter fühlte gleich mir, rieth aber zu ſchweigen. — Eine alte Dame, Frau Krikeberg, welche die undankbarſten Rollen über¬ nehmen muß, habe ich auch liebgewonnen. Sie war mit Kotzebue befreundet, erzählt feſſelnd aus vergan¬ genen Zeiten und wird von Rahel von Varnhagen ſehr geſchätzt.
Als ich im Begriff war, im vierten Stock bei Frau Krikeberg anzuklopfen, trat mir Rahel entgegen, blieb aber noch während meines Beſuches und forderte mich auf, ſie durch die Straßen bis zu ihrer Wohnung zu begleiten. Sie ſprach ſehr lebhaft, in ihrer bezaubern¬ den Redeweiſe. Unter Anderem ſagte ſie: »Von der alten Krikeberg habe ich mir oft Rath geholt, von ihr kann man Lebensweisheit lernen!«
»Sie — die geiſtreiche Rahel, bedürfen der Weis¬ heit Anderer?« fragte ich lächelnd. »Mehr als jedes andere Menſchenkind!« ſagte ſie ſeufzend, — »ich bin oft unausſtehlich trüb geſtimmt! — Das wundert meinen lieben Narren, nicht? Ja, Sie Glückliche wiſſen noch nicht, wie Nerven quälen können. Frau Krikeberg ver¬ ſteht aus der dürftigſten Blume noch Honig zu ſchlürfen, iſt beladen mit den ſchwerſten Sorgen und doch ſtets heiter. Sie ſpart, entbehrt für Lieblingswünſche — und giebt reſignirt das ſauer Erworbene den um Hülfe bit¬ tenden Töchtern, Schwiegerſöhnen, Enkeln,— zufrieden,
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gerne mitlache, verargte es faſt dem Künſtler: aus den
idealen Schöpfungen herausgetreten zu ſein, denn die
Darſtellung ſtreifte an die Poſſe; — die Mutter fühlte
gleich mir, rieth aber zu ſchweigen. — Eine alte Dame,
Frau Krikeberg, welche die undankbarſten Rollen über¬
nehmen muß, habe ich auch liebgewonnen. Sie war
mit Kotzebue befreundet, erzählt feſſelnd aus vergan¬
genen Zeiten und wird von Rahel von Varnhagen
ſehr geſchätzt.
Als ich im Begriff war, im vierten Stock bei Frau
Krikeberg anzuklopfen, trat mir Rahel entgegen, blieb
aber noch während meines Beſuches und forderte mich
auf, ſie durch die Straßen bis zu ihrer Wohnung zu
begleiten. Sie ſprach ſehr lebhaft, in ihrer bezaubern¬
den Redeweiſe. Unter Anderem ſagte ſie: »Von der alten
Krikeberg habe ich mir oft Rath geholt, von ihr kann man
Lebensweisheit lernen!«
»Sie — die geiſtreiche Rahel, bedürfen der Weis¬
heit Anderer?« fragte ich lächelnd. »Mehr als jedes
andere Menſchenkind!« ſagte ſie ſeufzend, — »ich bin
oft unausſtehlich trüb geſtimmt! — Das wundert meinen
lieben Narren, nicht? Ja, Sie Glückliche wiſſen noch
nicht, wie Nerven quälen können. Frau Krikeberg ver¬
ſteht aus der dürftigſten Blume noch Honig zu ſchlürfen,
iſt beladen mit den ſchwerſten Sorgen und doch ſtets
heiter. Sie ſpart, entbehrt für Lieblingswünſche — und
giebt reſignirt das ſauer Erworbene den um Hülfe bit¬
tenden Töchtern, Schwiegerſöhnen, Enkeln,— zufrieden,
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/112>, abgerufen am 24.11.2024.
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