abbrechend frug sie mich: "Warum sagt denn die Jugend kein Wörtchen?" -- "Ich höre mit Entzücken zu," er¬ widerte ich, und erzählte dann, wie glücklich ich in Karlsruhe gewesen sei, die schöne Frau Robert, damals noch Frau Primavesa, beim Kommen aus der Schule auf der Straße zu sehen. Wie ich sie anstaunte, wähnend, die Fee aus dem eifrig gelesenen blauen Märchenbuch -- Du erinnerst Dich doch, Louis? -- zu erblicken, welche aus ihrem Feenreiche zeitweise verbannt, jetzt in Karls¬ ruhe weile! So sei sie mir erschienen: die hohe Gestalt, traurig an mir vorüberschwebend, aber mild, meinen ehr¬ erbietigen Knix, mit den Worten lohnend: "Wie geht es, liebes, freundliches Kind?"
"Wie hübsch sich das anhört!" sagte Rahel; "ja, der Kinderblick! -- wie richtig fühlen oft diese kleinen Menschen heraus, ob Kummer unser Gemüth bedrückt! Meine Schwägerin hatte damals manche Prüfung zu be¬ stehen und war ungern in Karlsruhe."
Dann kam die Rede auf das Theater. Rahel freute sich, daß wir ihr Entzücken über die Mustervorstellung von Kleist's "Käthchen von Heilbronn" theilten. Sie fragte mehrere Male: "Nicht wahr? Rebenstein ist ein prächtiger, biederer, schöner Wetter von Strahl? und könnte man ein holderes, lieblicheres Käthchen zu sehen wünschen, als Frau von Holtei? Wie entzückend ist diese zarte, ätherische Erscheinung, besonders neben Wauer, diesem herzigen Gottschalk, der so brummig seinem Herrn die Wahrheit sagt und doch dabei zum -- Fressen lieb
abbrechend frug ſie mich: »Warum ſagt denn die Jugend kein Wörtchen?« — »Ich höre mit Entzücken zu,« er¬ widerte ich, und erzählte dann, wie glücklich ich in Karlsruhe geweſen ſei, die ſchöne Frau Robert, damals noch Frau Primaveſa, beim Kommen aus der Schule auf der Straße zu ſehen. Wie ich ſie anſtaunte, wähnend, die Fee aus dem eifrig geleſenen blauen Märchenbuch — Du erinnerſt Dich doch, Louis? — zu erblicken, welche aus ihrem Feenreiche zeitweiſe verbannt, jetzt in Karls¬ ruhe weile! So ſei ſie mir erſchienen: die hohe Geſtalt, traurig an mir vorüberſchwebend, aber mild, meinen ehr¬ erbietigen Knix, mit den Worten lohnend: »Wie geht es, liebes, freundliches Kind?«
»Wie hübſch ſich das anhört!« ſagte Rahel; »ja, der Kinderblick! — wie richtig fühlen oft dieſe kleinen Menſchen heraus, ob Kummer unſer Gemüth bedrückt! Meine Schwägerin hatte damals manche Prüfung zu be¬ ſtehen und war ungern in Karlsruhe.«
Dann kam die Rede auf das Theater. Rahel freute ſich, daß wir ihr Entzücken über die Muſtervorſtellung von Kleiſt's »Käthchen von Heilbronn« theilten. Sie fragte mehrere Male: »Nicht wahr? Rebenſtein iſt ein prächtiger, biederer, ſchöner Wetter von Strahl? und könnte man ein holderes, lieblicheres Käthchen zu ſehen wünſchen, als Frau von Holtei? Wie entzückend iſt dieſe zarte, ätheriſche Erſcheinung, beſonders neben Wauer, dieſem herzigen Gottſchalk, der ſo brummig ſeinem Herrn die Wahrheit ſagt und doch dabei zum — Freſſen lieb
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abbrechend frug ſie mich: »Warum ſagt denn die Jugend
kein Wörtchen?« — »Ich höre mit Entzücken zu,« er¬
widerte ich, und erzählte dann, wie glücklich ich in
Karlsruhe geweſen ſei, die ſchöne Frau Robert, damals
noch Frau Primaveſa, beim Kommen aus der Schule
auf der Straße zu ſehen. Wie ich ſie anſtaunte, wähnend,
die Fee aus dem eifrig geleſenen blauen Märchenbuch —
Du erinnerſt Dich doch, Louis? — zu erblicken, welche
aus ihrem Feenreiche zeitweiſe verbannt, jetzt in Karls¬
ruhe weile! So ſei ſie mir erſchienen: die hohe Geſtalt,
traurig an mir vorüberſchwebend, aber mild, meinen ehr¬
erbietigen Knix, mit den Worten lohnend: »Wie geht es,
liebes, freundliches Kind?«
»Wie hübſch ſich das anhört!« ſagte Rahel; »ja,
der Kinderblick! — wie richtig fühlen oft dieſe kleinen
Menſchen heraus, ob Kummer unſer Gemüth bedrückt!
Meine Schwägerin hatte damals manche Prüfung zu be¬
ſtehen und war ungern in Karlsruhe.«
Dann kam die Rede auf das Theater. Rahel freute
ſich, daß wir ihr Entzücken über die Muſtervorſtellung
von Kleiſt's »Käthchen von Heilbronn« theilten. Sie
fragte mehrere Male: »Nicht wahr? Rebenſtein iſt ein
prächtiger, biederer, ſchöner Wetter von Strahl? und
könnte man ein holderes, lieblicheres Käthchen zu ſehen
wünſchen, als Frau von Holtei? Wie entzückend iſt dieſe
zarte, ätheriſche Erſcheinung, beſonders neben Wauer,
dieſem herzigen Gottſchalk, der ſo brummig ſeinem Herrn
die Wahrheit ſagt und doch dabei zum — Freſſen lieb
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/117>, abgerufen am 21.11.2024.
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