nur lieblich zu entzücken -- auch zu erschüttern, gewaltsam zu ergreifen vermochte sie, wie keine andere. Dafür zeugten besonders ihre Lady Macbeth und Phädra. -- Außerdem sang und spielte sie wunderlieblich in Ope¬ retten -- als Adeline, Königin von Golkonda, Fanchon. Die Vielseitigkeit ihres Talentes ist bis jetzt noch nicht übertroffen!"
Herrn von Varnhagen's Kommen unterbrach das für mich so höchst interessante Gespräch. Er machte auf mich von vornherein einen recht unbedeutenden, ja un¬ angenehmen Eindruck. Er hat nicht die Spur von ernster, würdiger, imponirender Männlichkeit. Er gilt auch in ganz Berlin als eine Klatschbase prima Sorte. Er spricht mit leiser, beinahe flüsternder, gezierter Stimme. Die grauen, matten Augen vermögen dem runden, vollen Gesicht keinen belebenden Ausdruck zu verleihen, denn er hält sie stets halb geschlossen, dabei spielt ein stereotypes Lächeln um seinen Mund, und das hellblonde Haar, die fast weißen Wimpern lassen die Züge noch unbedeutender und zerflossener erscheinen. Gar keine ansprechende Per¬ sönlichkeit! Herr von Varnhagen scheint seine Gattin über alle Maßen zu verehren! Er lauscht mit fast komischer Bewunderung jedem Worte Rahel's und beobachtet ihr Gesicht, ihre Bewegungen fortwährend aufmerksam und mit Selbstgefälligkeit, und aus seinem verschwommenen, eitlen Semmelgesichte triumphirt es: Ah! seht doch -- ich bin der Mann dieser geistreichen, berühmten Frau! -- In meinen Augen die jammervollste Rolle, die ein Mann
nur lieblich zu entzücken — auch zu erſchüttern, gewaltſam zu ergreifen vermochte ſie, wie keine andere. Dafür zeugten beſonders ihre Lady Macbeth und Phädra. — Außerdem ſang und ſpielte ſie wunderlieblich in Ope¬ retten — als Adeline, Königin von Golkonda, Fanchon. Die Vielſeitigkeit ihres Talentes iſt bis jetzt noch nicht übertroffen!«
Herrn von Varnhagen's Kommen unterbrach das für mich ſo höchſt intereſſante Geſpräch. Er machte auf mich von vornherein einen recht unbedeutenden, ja un¬ angenehmen Eindruck. Er hat nicht die Spur von ernſter, würdiger, imponirender Männlichkeit. Er gilt auch in ganz Berlin als eine Klatſchbaſe prima Sorte. Er ſpricht mit leiſer, beinahe flüſternder, gezierter Stimme. Die grauen, matten Augen vermögen dem runden, vollen Geſicht keinen belebenden Ausdruck zu verleihen, denn er hält ſie ſtets halb geſchloſſen, dabei ſpielt ein ſtereotypes Lächeln um ſeinen Mund, und das hellblonde Haar, die faſt weißen Wimpern laſſen die Züge noch unbedeutender und zerfloſſener erſcheinen. Gar keine anſprechende Per¬ ſönlichkeit! Herr von Varnhagen ſcheint ſeine Gattin über alle Maßen zu verehren! Er lauſcht mit faſt komiſcher Bewunderung jedem Worte Rahel's und beobachtet ihr Geſicht, ihre Bewegungen fortwährend aufmerkſam und mit Selbſtgefälligkeit, und aus ſeinem verſchwommenen, eitlen Semmelgeſichte triumphirt es: Ah! ſeht doch — ich bin der Mann dieſer geiſtreichen, berühmten Frau! — In meinen Augen die jammervollſte Rolle, die ein Mann
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nur lieblich zu entzücken — auch zu erſchüttern, gewaltſam
zu ergreifen vermochte ſie, wie keine andere. Dafür
zeugten beſonders ihre Lady Macbeth und Phädra. —
Außerdem ſang und ſpielte ſie wunderlieblich in Ope¬
retten — als Adeline, Königin von Golkonda, Fanchon.
Die Vielſeitigkeit ihres Talentes iſt bis jetzt noch nicht
übertroffen!«
Herrn von Varnhagen's Kommen unterbrach das
für mich ſo höchſt intereſſante Geſpräch. Er machte auf
mich von vornherein einen recht unbedeutenden, ja un¬
angenehmen Eindruck. Er hat nicht die Spur von ernſter,
würdiger, imponirender Männlichkeit. Er gilt auch in
ganz Berlin als eine Klatſchbaſe prima Sorte. Er ſpricht
mit leiſer, beinahe flüſternder, gezierter Stimme. Die
grauen, matten Augen vermögen dem runden, vollen
Geſicht keinen belebenden Ausdruck zu verleihen, denn er
hält ſie ſtets halb geſchloſſen, dabei ſpielt ein ſtereotypes
Lächeln um ſeinen Mund, und das hellblonde Haar, die
faſt weißen Wimpern laſſen die Züge noch unbedeutender
und zerfloſſener erſcheinen. Gar keine anſprechende Per¬
ſönlichkeit! Herr von Varnhagen ſcheint ſeine Gattin
über alle Maßen zu verehren! Er lauſcht mit faſt komiſcher
Bewunderung jedem Worte Rahel's und beobachtet ihr
Geſicht, ihre Bewegungen fortwährend aufmerkſam und
mit Selbſtgefälligkeit, und aus ſeinem verſchwommenen,
eitlen Semmelgeſichte triumphirt es: Ah! ſeht doch —
ich bin der Mann dieſer geiſtreichen, berühmten Frau! —
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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