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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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zeugt zu werden. Fr. v. Holtei's Individualität paßte
nur für wenige Rollen, und ihre zarte Konstitution ver¬
hinderte sie, das jugendliche Fach allein auszufüllen.
Eine Kollegin hätte sie doch neben sich dulden müssen, --
und wahrscheinlich eine pretentiösere.

Amalie Wolff glänzte nicht im Mindesten durch
Schönheit; das kleine, angenehm geformte Gesicht hatte
zu tief liegende Augen, die Gestalt war unbedeutend und
doch fesselte sie unwiderstehlich: ihre Grazie, ihr feines
Benehmen erinnerte an die gefeierte Mlle. Mars in Paris,
ihre Unterhaltung entzückte besonders durch die herrliche
Gabe des echten Humors, der belebt, erquickt und -- nie
verletzt. Geist, Talent, Anmuth, beharrlicher Fleiß hatten,
harmonisch zusammenwirkend, Amalie Wolff, geborne
Malcolmi, die geliebte würdige Schülerin Goethe's und
Schiller's, zu einer der ersten Künstlerinnen Deutschlands
erhoben. Sie glänzte Anfangs in sanften, naiven, idealen
Mädchenrollen, später aber durch ihre scharfe Indivi¬
dualisirung im Charakter- und komischen Fach. Auch ihr
Gatte, Pius Alexander Wolff, -- der Verfasser meiner
lieben "Preziosa" -- machte beim ersten Anblick mit
seinen schmalen Schultern, müden Haltung, schlaffen
Zügen und kranker Gesichtsfarbe den Eindruck der dürf¬
tigst ausgestatteten Persönlichkeit. Ich hätte fragen
mögen: "Zu welchen Zaubermitteln haben Sie Ihre Zu¬
flucht genommen, um auf der Bühne -- so poetisch schön
auszusehen?"

Die Unterhaltung den Anderen überlassend, suchte

zeugt zu werden. Fr. v. Holtei's Individualität paßte
nur für wenige Rollen, und ihre zarte Konſtitution ver¬
hinderte ſie, das jugendliche Fach allein auszufüllen.
Eine Kollegin hätte ſie doch neben ſich dulden müſſen, —
und wahrſcheinlich eine pretentiöſere.

Amalie Wolff glänzte nicht im Mindeſten durch
Schönheit; das kleine, angenehm geformte Geſicht hatte
zu tief liegende Augen, die Geſtalt war unbedeutend und
doch feſſelte ſie unwiderſtehlich: ihre Grazie, ihr feines
Benehmen erinnerte an die gefeierte Mlle. Mars in Paris,
ihre Unterhaltung entzückte beſonders durch die herrliche
Gabe des echten Humors, der belebt, erquickt und — nie
verletzt. Geiſt, Talent, Anmuth, beharrlicher Fleiß hatten,
harmoniſch zuſammenwirkend, Amalie Wolff, geborne
Malcolmi, die geliebte würdige Schülerin Goethe's und
Schiller's, zu einer der erſten Künſtlerinnen Deutſchlands
erhoben. Sie glänzte Anfangs in ſanften, naiven, idealen
Mädchenrollen, ſpäter aber durch ihre ſcharfe Indivi¬
dualiſirung im Charakter- und komiſchen Fach. Auch ihr
Gatte, Pius Alexander Wolff, — der Verfaſſer meiner
lieben »Prezioſa« — machte beim erſten Anblick mit
ſeinen ſchmalen Schultern, müden Haltung, ſchlaffen
Zügen und kranker Geſichtsfarbe den Eindruck der dürf¬
tigſt ausgeſtatteten Perſönlichkeit. Ich hätte fragen
mögen: »Zu welchen Zaubermitteln haben Sie Ihre Zu¬
flucht genommen, um auf der Bühne — ſo poetiſch ſchön
auszuſehen?«

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[109/0137] zeugt zu werden. Fr. v. Holtei's Individualität paßte nur für wenige Rollen, und ihre zarte Konſtitution ver¬ hinderte ſie, das jugendliche Fach allein auszufüllen. Eine Kollegin hätte ſie doch neben ſich dulden müſſen, — und wahrſcheinlich eine pretentiöſere. Amalie Wolff glänzte nicht im Mindeſten durch Schönheit; das kleine, angenehm geformte Geſicht hatte zu tief liegende Augen, die Geſtalt war unbedeutend und doch feſſelte ſie unwiderſtehlich: ihre Grazie, ihr feines Benehmen erinnerte an die gefeierte Mlle. Mars in Paris, ihre Unterhaltung entzückte beſonders durch die herrliche Gabe des echten Humors, der belebt, erquickt und — nie verletzt. Geiſt, Talent, Anmuth, beharrlicher Fleiß hatten, harmoniſch zuſammenwirkend, Amalie Wolff, geborne Malcolmi, die geliebte würdige Schülerin Goethe's und Schiller's, zu einer der erſten Künſtlerinnen Deutſchlands erhoben. Sie glänzte Anfangs in ſanften, naiven, idealen Mädchenrollen, ſpäter aber durch ihre ſcharfe Indivi¬ dualiſirung im Charakter- und komiſchen Fach. Auch ihr Gatte, Pius Alexander Wolff, — der Verfaſſer meiner lieben »Prezioſa« — machte beim erſten Anblick mit ſeinen ſchmalen Schultern, müden Haltung, ſchlaffen Zügen und kranker Geſichtsfarbe den Eindruck der dürf¬ tigſt ausgeſtatteten Perſönlichkeit. Ich hätte fragen mögen: »Zu welchen Zaubermitteln haben Sie Ihre Zu¬ flucht genommen, um auf der Bühne — ſo poetiſch ſchön auszuſehen?« Die Unterhaltung den Anderen überlaſſend, ſuchte

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/137>, abgerufen am 21.11.2024.