Ein Ah! der Bewunderung geht durch die Reihen bei hohen Zuschauer ... Prinzessin Karl sagte mir späterhin: dies Bild habe am meisten gefallen.
Aber plötzlich höre ich meinen Egmont angstvoll durch die Zähne zischeln: Ich rutsche ... der verdammte Stuhl mit dem glatten, straffen Leder ...
Ich -- halb todt vor Schreck, ohne jedoch mit den schwärmerischen Augen zu zucken, hauche zurück: "Um Gottes willen, rutschen Sie nicht! Ich stütze Sie!" Und krampfhaft stemme ich meine Ellbogen gegen die Kniee Rebensteins ... Bleischwer gleiten die Secunden an uns vorüber. Will denn der Vorhang in Ewigkeit nicht fallen? Ich fühle meine Kräfte erlahmen. Auf Egmonts Stirn perlen Angsttropfen und schon rinnt solch ein großer blanker Tropfen langsam die Nase herab ... jetzt zittert er an Egmonts Nasenspitze ... Wird er fallen? ... Und wohin? ... O Ihr Götter, Egmont rutscht sacht weiter ... Wie das Leder knarrt ... Und meine Arme sind wie erstorben ... Jetzt fällt auch der große Schweißtropfen von der Nasenspitze ... Wie er an meinen Augen vor¬ über niederflirrt! ... Und es flirren die Bühne -- die Lichter -- Alles! Alles! um mich her vor meinen Augen ... Nein, ich kann nicht länger schmachtend zu Egmont aufblicken ... Und stände Todesstrafe darauf, ich muß mit den Augen zucken ... doch! das Schurr! Schurr! über mir giebt mir neue Lebenskraft ... Gott sei Dank, der Vorhang fällt ... Aber, so entsetzlich langsam und träge, wie noch nie ... Endlich hat er den
Ein Ah! der Bewunderung geht durch die Reihen bei hohen Zuſchauer … Prinzeſſin Karl ſagte mir ſpäterhin: dies Bild habe am meiſten gefallen.
Aber plötzlich höre ich meinen Egmont angſtvoll durch die Zähne ziſcheln: Ich rutſche … der verdammte Stuhl mit dem glatten, ſtraffen Leder …
Ich — halb todt vor Schreck, ohne jedoch mit den ſchwärmeriſchen Augen zu zucken, hauche zurück: »Um Gottes willen, rutſchen Sie nicht! Ich ſtütze Sie!« Und krampfhaft ſtemme ich meine Ellbogen gegen die Kniee Rebenſteins … Bleiſchwer gleiten die Secunden an uns vorüber. Will denn der Vorhang in Ewigkeit nicht fallen? Ich fühle meine Kräfte erlahmen. Auf Egmonts Stirn perlen Angſttropfen und ſchon rinnt ſolch ein großer blanker Tropfen langſam die Naſe herab … jetzt zittert er an Egmonts Naſenſpitze … Wird er fallen? … Und wohin? … O Ihr Götter, Egmont rutſcht ſacht weiter … Wie das Leder knarrt … Und meine Arme ſind wie erſtorben … Jetzt fällt auch der große Schweißtropfen von der Naſenſpitze … Wie er an meinen Augen vor¬ über niederflirrt! … Und es flirren die Bühne — die Lichter — Alles! Alles! um mich her vor meinen Augen … Nein, ich kann nicht länger ſchmachtend zu Egmont aufblicken … Und ſtände Todesſtrafe darauf, ich muß mit den Augen zucken … doch! das Schurr! Schurr! über mir giebt mir neue Lebenskraft … Gott ſei Dank, der Vorhang fällt … Aber, ſo entſetzlich langſam und träge, wie noch nie … Endlich hat er den
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Ein Ah! der Bewunderung geht durch die Reihen
bei hohen Zuſchauer … Prinzeſſin Karl ſagte mir
ſpäterhin: dies Bild habe am meiſten gefallen.
Aber plötzlich höre ich meinen Egmont angſtvoll
durch die Zähne ziſcheln: Ich rutſche … der verdammte
Stuhl mit dem glatten, ſtraffen Leder …
Ich — halb todt vor Schreck, ohne jedoch mit den
ſchwärmeriſchen Augen zu zucken, hauche zurück: »Um
Gottes willen, rutſchen Sie nicht! Ich ſtütze Sie!« Und
krampfhaft ſtemme ich meine Ellbogen gegen die Kniee
Rebenſteins … Bleiſchwer gleiten die Secunden an uns
vorüber. Will denn der Vorhang in Ewigkeit nicht fallen?
Ich fühle meine Kräfte erlahmen. Auf Egmonts Stirn
perlen Angſttropfen und ſchon rinnt ſolch ein großer
blanker Tropfen langſam die Naſe herab … jetzt zittert
er an Egmonts Naſenſpitze … Wird er fallen? … Und
wohin? … O Ihr Götter, Egmont rutſcht ſacht weiter …
Wie das Leder knarrt … Und meine Arme ſind wie
erſtorben … Jetzt fällt auch der große Schweißtropfen
von der Naſenſpitze … Wie er an meinen Augen vor¬
über niederflirrt! … Und es flirren die Bühne — die
Lichter — Alles! Alles! um mich her vor meinen
Augen … Nein, ich kann nicht länger ſchmachtend zu
Egmont aufblicken … Und ſtände Todesſtrafe darauf,
ich muß mit den Augen zucken … doch! das Schurr!
Schurr! über mir giebt mir neue Lebenskraft … Gott
ſei Dank, der Vorhang fällt … Aber, ſo entſetzlich
langſam und träge, wie noch nie … Endlich hat er den
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/165>, abgerufen am 10.05.2024.
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