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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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gegangen und lebt heute als Professin im Kloster St.
Marienstern bei Bautzen. Besonders war Marie Herold
in "Drei Tagen aus dem Leben eines Spielers" und
in Wilibald Alexis' Drama: "Mitternacht" gefeiert
worden. Unglückliche Liebe hatte sie in's Kloster
geführt. Während meines Dresdener Gastspiels sah
ich sie als Nonne wieder. Mit niedergeschlagenen
Augen und einer Grabesstimme sagte sie mir:
"Denken Sie stets daran, daß es Sünde ist, den
Namen Gottes auf der Bühne auszusprechen ..." Die
ehemalige gefeierte Schauspielerin ist wegen ihrer Milde
und Frömmigkeit als Professin hochverehrt. -- Henriettens
Söhne trugen den Sarg in die Gruft hinab. Eine
erlauchte Hand legte einen goldenen Lorberkranz auf
ihre Gruft, die die Inschrift trägt: "Der besten Mutter
-- der zärtlichsten Tochter -- der treuesten Gattin --
der edelsten Freundin -- der größten Sängerin."

Die Hülle der geliebten Henriette, der Stütze und
Freudenspenderin der ganzen Familie, wird von der
jüngeren Schwester bewacht. Sie darf am Sarge der
Verstorbenen beten, weinen und fromme Weisen singen ...


Die Catalani hätte anno 1827 nicht mehr gastiren
sollen. Mich hat selten etwas so unerquicklich an eine
vergangene Größe gemahnt, wie ihr Konzert im Opern¬
hause. Die klassische Methode, die Anklänge einer ehe¬
mals wunderbar gewaltigen Stimme entschädigten nicht

gegangen und lebt heute als Profeſſin im Kloſter St.
Marienſtern bei Bautzen. Beſonders war Marie Herold
in »Drei Tagen aus dem Leben eines Spielers« und
in Wilibald Alexis' Drama: »Mitternacht« gefeiert
worden. Unglückliche Liebe hatte ſie in's Kloſter
geführt. Während meines Dresdener Gaſtſpiels ſah
ich ſie als Nonne wieder. Mit niedergeſchlagenen
Augen und einer Grabesſtimme ſagte ſie mir:
»Denken Sie ſtets daran, daß es Sünde iſt, den
Namen Gottes auf der Bühne auszuſprechen …« Die
ehemalige gefeierte Schauſpielerin iſt wegen ihrer Milde
und Frömmigkeit als Profeſſin hochverehrt. — Henriettens
Söhne trugen den Sarg in die Gruft hinab. Eine
erlauchte Hand legte einen goldenen Lorberkranz auf
ihre Gruft, die die Inſchrift trägt: »Der beſten Mutter
— der zärtlichſten Tochter — der treueſten Gattin —
der edelſten Freundin — der größten Sängerin.«

Die Hülle der geliebten Henriette, der Stütze und
Freudenſpenderin der ganzen Familie, wird von der
jüngeren Schweſter bewacht. Sie darf am Sarge der
Verſtorbenen beten, weinen und fromme Weiſen ſingen …


Die Catalani hätte anno 1827 nicht mehr gaſtiren
ſollen. Mich hat ſelten etwas ſo unerquicklich an eine
vergangene Größe gemahnt, wie ihr Konzert im Opern¬
hauſe. Die klaſſiſche Methode, die Anklänge einer ehe¬
mals wunderbar gewaltigen Stimme entſchädigten nicht

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[152/0180] gegangen und lebt heute als Profeſſin im Kloſter St. Marienſtern bei Bautzen. Beſonders war Marie Herold in »Drei Tagen aus dem Leben eines Spielers« und in Wilibald Alexis' Drama: »Mitternacht« gefeiert worden. Unglückliche Liebe hatte ſie in's Kloſter geführt. Während meines Dresdener Gaſtſpiels ſah ich ſie als Nonne wieder. Mit niedergeſchlagenen Augen und einer Grabesſtimme ſagte ſie mir: »Denken Sie ſtets daran, daß es Sünde iſt, den Namen Gottes auf der Bühne auszuſprechen …« Die ehemalige gefeierte Schauſpielerin iſt wegen ihrer Milde und Frömmigkeit als Profeſſin hochverehrt. — Henriettens Söhne trugen den Sarg in die Gruft hinab. Eine erlauchte Hand legte einen goldenen Lorberkranz auf ihre Gruft, die die Inſchrift trägt: »Der beſten Mutter — der zärtlichſten Tochter — der treueſten Gattin — der edelſten Freundin — der größten Sängerin.« Die Hülle der geliebten Henriette, der Stütze und Freudenſpenderin der ganzen Familie, wird von der jüngeren Schweſter bewacht. Sie darf am Sarge der Verſtorbenen beten, weinen und fromme Weiſen ſingen … Die Catalani hätte anno 1827 nicht mehr gaſtiren ſollen. Mich hat ſelten etwas ſo unerquicklich an eine vergangene Größe gemahnt, wie ihr Konzert im Opern¬ hauſe. Die klaſſiſche Methode, die Anklänge einer ehe¬ mals wunderbar gewaltigen Stimme entſchädigten nicht

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/180>, abgerufen am 10.05.2024.