überhaupt bei dem königlichen Institut das Recht der Anciennetät vorwaltete. Für das Ganze sicher vorzüg¬ lich, ist diese pietätvolle Einrichtung für das Ent¬ falten junger, aufstrebender Talente im höchsten Grade hemmend.
Ich hatte Berlin wie eine zweite Heimat lieb gewonnen und es schmerzte mich tief, aus dem herrlichen Künstlerkreise scheiden zu müssen! -- Mit welch' weh¬ müthigem Entzücken spielte ich mit den liebenswürdigen Kollegen, als nach meiner Rückkehr aus St. Petersburg mein Scheiden von Berlin feststand!
Jede Vorstellung war für mich ein Abschiednehmen ... Unvergeßlich bleibt mir eine der letzten: Raupach's "Ritterwort". Ich trat zuerst als Page auf -- dann als die Dame des Ritterherzens in weißem Atlas, eine fast tragische Rolle. Und wie mit so ganz eigenen wehmüthigen Gefühlen spielten wir Alle in diesem Stück! Hatte doch Raupach die Hauptrolle: einen Ritter, der ein Gelübde gethan, nicht zu sprechen ... für Pius Alexander Wolff geschrieben, als dessen Halsleiden ihm das Sprechen auf der Bühne unmöglich machte ... Aber auch für das pantomimische Durchführen der schweren Rolle fehlte dem großen Künstler schon damals die physische Kraft ... Mit Zartsinn wurde das Stück zurückgelegt -- bis nach Wolff's Tode. Dann gab Rebenstein, diese echt ritterliche Gestalt, den stummen Helden ... bis auch er bald darauf für immer ver¬ stummte ...
überhaupt bei dem königlichen Inſtitut das Recht der Anciennetät vorwaltete. Für das Ganze ſicher vorzüg¬ lich, iſt dieſe pietätvolle Einrichtung für das Ent¬ falten junger, aufſtrebender Talente im höchſten Grade hemmend.
Ich hatte Berlin wie eine zweite Heimat lieb gewonnen und es ſchmerzte mich tief, aus dem herrlichen Künſtlerkreiſe ſcheiden zu müſſen! — Mit welch' weh¬ müthigem Entzücken ſpielte ich mit den liebenswürdigen Kollegen, als nach meiner Rückkehr aus St. Petersburg mein Scheiden von Berlin feſtſtand!
Jede Vorſtellung war für mich ein Abſchiednehmen … Unvergeßlich bleibt mir eine der letzten: Raupach's »Ritterwort«. Ich trat zuerſt als Page auf — dann als die Dame des Ritterherzens in weißem Atlas, eine faſt tragiſche Rolle. Und wie mit ſo ganz eigenen wehmüthigen Gefühlen ſpielten wir Alle in dieſem Stück! Hatte doch Raupach die Hauptrolle: einen Ritter, der ein Gelübde gethan, nicht zu ſprechen … für Pius Alexander Wolff geſchrieben, als deſſen Halsleiden ihm das Sprechen auf der Bühne unmöglich machte … Aber auch für das pantomimiſche Durchführen der ſchweren Rolle fehlte dem großen Künſtler ſchon damals die phyſiſche Kraft … Mit Zartſinn wurde das Stück zurückgelegt — bis nach Wolff's Tode. Dann gab Rebenſtein, dieſe echt ritterliche Geſtalt, den ſtummen Helden … bis auch er bald darauf für immer ver¬ ſtummte …
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überhaupt bei dem königlichen Inſtitut das Recht der
Anciennetät vorwaltete. Für das Ganze ſicher vorzüg¬
lich, iſt dieſe pietätvolle Einrichtung für das Ent¬
falten junger, aufſtrebender Talente im höchſten Grade
hemmend.
Ich hatte Berlin wie eine zweite Heimat lieb
gewonnen und es ſchmerzte mich tief, aus dem herrlichen
Künſtlerkreiſe ſcheiden zu müſſen! — Mit welch' weh¬
müthigem Entzücken ſpielte ich mit den liebenswürdigen
Kollegen, als nach meiner Rückkehr aus St. Petersburg
mein Scheiden von Berlin feſtſtand!
Jede Vorſtellung war für mich ein Abſchiednehmen …
Unvergeßlich bleibt mir eine der letzten: Raupach's
»Ritterwort«. Ich trat zuerſt als Page auf — dann
als die Dame des Ritterherzens in weißem Atlas, eine
faſt tragiſche Rolle. Und wie mit ſo ganz eigenen
wehmüthigen Gefühlen ſpielten wir Alle in dieſem Stück!
Hatte doch Raupach die Hauptrolle: einen Ritter, der
ein Gelübde gethan, nicht zu ſprechen … für Pius
Alexander Wolff geſchrieben, als deſſen Halsleiden ihm
das Sprechen auf der Bühne unmöglich machte … Aber
auch für das pantomimiſche Durchführen der ſchweren
Rolle fehlte dem großen Künſtler ſchon damals die
phyſiſche Kraft … Mit Zartſinn wurde das Stück
zurückgelegt — bis nach Wolff's Tode. Dann gab
Rebenſtein, dieſe echt ritterliche Geſtalt, den ſtummen
Helden … bis auch er bald darauf für immer ver¬
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/185>, abgerufen am 09.05.2024.
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