Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871."In diesen qualvollen Minuten habe ich die Stich würde etwas zu vergeben. Als Lady Macbeth sollte sie diese Feuer¬ probe bestehen -- zum ersten Mal wieder vor die Berliner treten. Was hatte die geniale Frau ersonnen? Ein Murmeln der Erwartung -- ein Drohen des kommenden Sturmes zittert durch das überfüllte Haus ... Lady Macbeth soll ja im nächsten Augenblick auf die Bühne treten und -- zum ersten Mal in ihrem Leben ausgezischt werden ... Aber sie tritt nicht aus der Coulisse vor -- sie steckt nur ihren schönen Kopf mit dem unwiderstehlichen Lächeln -- den bittenden Augen eines verzogenen Kindes heraus und sagt mit ihrer süßesten, bezauberndsten Stimme: "Darf ich?" ... Das war neu, überraschend: -- das Haus verharrt in athemloser Stille -- die schon zum Pfeifen gespitzten Lippen bleiben stumm vor Erstaunen ... und Lady Macbeth-Bethmann benutzte diese Pause aufs Beste. Mit edler Würde tritt sie vor und sagt: "Verzeihen Sie der gekränkten Mutter, was die Künstlerin an Ihnen verschuldete ..." Das war zu viel für die leicht enthusiasmirten Berliner -- Alles war vergeben und vergessen -- rasender Jubel erschallt statt des Zischens ... und Berlin war fortan noch stolzer auf seine vergötterte geistreiche Friederike Beth¬ mann. -- Bei der Stich'schen Katastrophe ging der Name Friederike Unzelmann-Bethmann wieder in Berlin von Mund zu Mund -- in einem witzigen Bonmot ihres ersten Gatten, des alten leichtlebigen Komikers Unzelmann. Er hatte gesagt: "Wenn alle Verehrer meiner Friederike mir auch nur einen Stich versetzt hätten, wie dem armen Stich -- -- ich wäre längst zum Sieb geworden ..." 11 *
»In dieſen qualvollen Minuten habe ich die Stich würde etwas zu vergeben. Als Lady Macbeth ſollte ſie dieſe Feuer¬ probe beſtehen — zum erſten Mal wieder vor die Berliner treten. Was hatte die geniale Frau erſonnen? Ein Murmeln der Erwartung — ein Drohen des kommenden Sturmes zittert durch das überfüllte Haus … Lady Macbeth ſoll ja im nächſten Augenblick auf die Bühne treten und — zum erſten Mal in ihrem Leben ausgeziſcht werden … Aber ſie tritt nicht aus der Couliſſe vor — ſie ſteckt nur ihren ſchönen Kopf mit dem unwiderſtehlichen Lächeln — den bittenden Augen eines verzogenen Kindes heraus und ſagt mit ihrer ſüßeſten, bezauberndſten Stimme: »Darf ich?« … Das war neu, überraſchend: — das Haus verharrt in athemloſer Stille — die ſchon zum Pfeifen geſpitzten Lippen bleiben ſtumm vor Erſtaunen … und Lady Macbeth-Bethmann benutzte dieſe Pauſe aufs Beſte. Mit edler Würde tritt ſie vor und ſagt: »Verzeihen Sie der gekränkten Mutter, was die Künſtlerin an Ihnen verſchuldete …« Das war zu viel für die leicht enthuſiasmirten Berliner — Alles war vergeben und vergeſſen — raſender Jubel erſchallt ſtatt des Ziſchens … und Berlin war fortan noch ſtolzer auf ſeine vergötterte geiſtreiche Friederike Beth¬ mann. — Bei der Stich'ſchen Kataſtrophe ging der Name Friederike Unzelmann-Bethmann wieder in Berlin von Mund zu Mund — in einem witzigen Bonmot ihres erſten Gatten, des alten leichtlebigen Komikers Unzelmann. Er hatte geſagt: »Wenn alle Verehrer meiner Friederike mir auch nur einen Stich verſetzt hätten, wie dem armen Stich — — ich wäre längſt zum Sieb geworden …« 11 *
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»In dieſen qualvollen Minuten habe ich die Stich
wahrhaft bewundert, — nur der Gedanke an ihre Kinder
— und an ihre Unſchuld konnte ihr dieſe Seelenſtärke —
Selbſtbeherrſchung geben. Sie ſagte mir ſpäter: in dieſer
Stunde den Kampfplatz verlaſſen, hieße mich ſchuldig
bekennen … und ich wäre für immer auf der königlichen
Bühne unmöglich geweſen … Die Hände, wie bittend,
gegen ihre Beleidiger erhoben, harrte ſie bleich — bebend
neben mir aus … bis ſich der furchtbare Sturm be¬
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*) würde etwas zu vergeben. Als Lady Macbeth ſollte ſie dieſe Feuer¬
probe beſtehen — zum erſten Mal wieder vor die Berliner treten.
Was hatte die geniale Frau erſonnen? Ein Murmeln der Erwartung
— ein Drohen des kommenden Sturmes zittert durch das überfüllte
Haus … Lady Macbeth ſoll ja im nächſten Augenblick auf die
Bühne treten und — zum erſten Mal in ihrem Leben ausgeziſcht
werden … Aber ſie tritt nicht aus der Couliſſe vor — ſie ſteckt
nur ihren ſchönen Kopf mit dem unwiderſtehlichen Lächeln — den
bittenden Augen eines verzogenen Kindes heraus und ſagt mit ihrer
ſüßeſten, bezauberndſten Stimme: »Darf ich?« … Das war neu,
überraſchend: — das Haus verharrt in athemloſer Stille — die ſchon
zum Pfeifen geſpitzten Lippen bleiben ſtumm vor Erſtaunen … und
Lady Macbeth-Bethmann benutzte dieſe Pauſe aufs Beſte. Mit edler
Würde tritt ſie vor und ſagt: »Verzeihen Sie der gekränkten Mutter,
was die Künſtlerin an Ihnen verſchuldete …« Das war zu viel
für die leicht enthuſiasmirten Berliner — Alles war vergeben und
vergeſſen — raſender Jubel erſchallt ſtatt des Ziſchens … und Berlin
war fortan noch ſtolzer auf ſeine vergötterte geiſtreiche Friederike Beth¬
mann. — Bei der Stich'ſchen Kataſtrophe ging der Name Friederike
Unzelmann-Bethmann wieder in Berlin von Mund zu Mund — in
einem witzigen Bonmot ihres erſten Gatten, des alten leichtlebigen
Komikers Unzelmann. Er hatte geſagt: »Wenn alle Verehrer meiner
Friederike mir auch nur einen Stich verſetzt hätten, wie dem armen
Stich — — ich wäre längſt zum Sieb geworden …«
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