"Um Sie zu eskortiren, wenn Sie verdächtig er¬ scheinen oder Contrebande bei sich führen -- in eine Sicherheit, die Ihnen schwerlich gefallen würde ..."
"Sehr erfreulich!" sagte ich und betrachtete neugierig die Reiter, die übrigens ganz hübsch aussahen, leicht, graziös auf den kleinen flinken Pferden saßen, aus mar¬ tialischen, bärtigen Gesichtern gutmüthig hervor blickten und mit geschwungenen Lanzen unsern Wagen in die Mitte nahmen. Als wären wir Kriegsgefangene, hielten sie uns umringt und verließen uns nicht eher, bis der Wagen vor dem Zollgebäude anhielt.
Dante's Wort: "Ihr, die Ihr eintretet, laßt jede Hoffnung draußen!" hätte als Schild vor der Eingangs¬ thür hängen müssen, dann wären wir würdig vorbereitet gewesen auf dieses Höllenzimmer.
Ein wahrer Qualm von Hitze und verpesteter Luft schlug uns entgegen. Die Doppelfenster ließen durch die trüben Scheiben wenig Tageshelle ein. Eine Menge Juden saßen und standen umher, uns neugierig anschauend. Die Beamten empfingen uns mürrisch und gingen langsam an's Oeffnen der Koffer, welche der Bediente hereintragen half. Aus aufgedunsenen, graublassen Gesichtern traf uns manchmal ein lauernder Blick, wenn ein Gepäckstück ihnen aufzufallen schien. Der Sekretär wischte sich den Angstschweiß von der Stirn, als einer der Untersuchenden mit den schmutzigsten Fingern ihm Atlasschuhe vorhielt, eifrigst dabei sprechend. Ich trat näher.
12*
»Warum aber das?«
»Um Sie zu eskortiren, wenn Sie verdächtig er¬ ſcheinen oder Contrebande bei ſich führen — in eine Sicherheit, die Ihnen ſchwerlich gefallen würde …«
»Sehr erfreulich!« ſagte ich und betrachtete neugierig die Reiter, die übrigens ganz hübſch ausſahen, leicht, graziös auf den kleinen flinken Pferden ſaßen, aus mar¬ tialiſchen, bärtigen Geſichtern gutmüthig hervor blickten und mit geſchwungenen Lanzen unſern Wagen in die Mitte nahmen. Als wären wir Kriegsgefangene, hielten ſie uns umringt und verließen uns nicht eher, bis der Wagen vor dem Zollgebäude anhielt.
Dante's Wort: »Ihr, die Ihr eintretet, laßt jede Hoffnung draußen!« hätte als Schild vor der Eingangs¬ thür hängen müſſen, dann wären wir würdig vorbereitet geweſen auf dieſes Höllenzimmer.
Ein wahrer Qualm von Hitze und verpeſteter Luft ſchlug uns entgegen. Die Doppelfenſter ließen durch die trüben Scheiben wenig Tageshelle ein. Eine Menge Juden ſaßen und ſtanden umher, uns neugierig anſchauend. Die Beamten empfingen uns mürriſch und gingen langſam an's Oeffnen der Koffer, welche der Bediente hereintragen half. Aus aufgedunſenen, graublaſſen Geſichtern traf uns manchmal ein lauernder Blick, wenn ein Gepäckſtück ihnen aufzufallen ſchien. Der Sekretär wiſchte ſich den Angſtſchweiß von der Stirn, als einer der Unterſuchenden mit den ſchmutzigſten Fingern ihm Atlasſchuhe vorhielt, eifrigſt dabei ſprechend. Ich trat näher.
12*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0207"n="179"/><p>»Warum aber das?«</p><lb/><p>»Um Sie zu eskortiren, wenn Sie verdächtig er¬<lb/>ſcheinen oder Contrebande bei ſich führen — in eine<lb/>
Sicherheit, die Ihnen ſchwerlich gefallen würde …«</p><lb/><p>»Sehr erfreulich!« ſagte ich und betrachtete neugierig<lb/>
die Reiter, die übrigens ganz hübſch ausſahen, leicht,<lb/>
graziös auf den kleinen flinken Pferden ſaßen, aus mar¬<lb/>
tialiſchen, bärtigen Geſichtern gutmüthig hervor blickten<lb/>
und mit geſchwungenen Lanzen unſern Wagen in die<lb/>
Mitte nahmen. Als wären wir Kriegsgefangene, hielten<lb/>ſie uns umringt und verließen uns nicht eher, bis der<lb/>
Wagen vor dem Zollgebäude anhielt.</p><lb/><p>Dante's Wort: »Ihr, die Ihr eintretet, laßt jede<lb/>
Hoffnung draußen!« hätte als Schild vor der Eingangs¬<lb/>
thür hängen müſſen, dann wären wir würdig vorbereitet<lb/>
geweſen auf dieſes Höllenzimmer.</p><lb/><p>Ein wahrer Qualm von Hitze und verpeſteter Luft<lb/>ſchlug uns entgegen. Die Doppelfenſter ließen durch die<lb/>
trüben Scheiben wenig Tageshelle ein. Eine Menge<lb/>
Juden ſaßen und ſtanden umher, uns neugierig anſchauend.<lb/>
Die Beamten empfingen uns mürriſch und gingen langſam<lb/>
an's Oeffnen der Koffer, welche der Bediente hereintragen<lb/>
half. Aus aufgedunſenen, graublaſſen Geſichtern traf<lb/>
uns manchmal ein lauernder Blick, wenn ein Gepäckſtück<lb/>
ihnen aufzufallen ſchien. Der Sekretär wiſchte ſich den<lb/>
Angſtſchweiß von der Stirn, als einer der Unterſuchenden<lb/>
mit den ſchmutzigſten Fingern ihm Atlasſchuhe vorhielt,<lb/>
eifrigſt dabei ſprechend. Ich trat näher.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">12*<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[179/0207]
»Warum aber das?«
»Um Sie zu eskortiren, wenn Sie verdächtig er¬
ſcheinen oder Contrebande bei ſich führen — in eine
Sicherheit, die Ihnen ſchwerlich gefallen würde …«
»Sehr erfreulich!« ſagte ich und betrachtete neugierig
die Reiter, die übrigens ganz hübſch ausſahen, leicht,
graziös auf den kleinen flinken Pferden ſaßen, aus mar¬
tialiſchen, bärtigen Geſichtern gutmüthig hervor blickten
und mit geſchwungenen Lanzen unſern Wagen in die
Mitte nahmen. Als wären wir Kriegsgefangene, hielten
ſie uns umringt und verließen uns nicht eher, bis der
Wagen vor dem Zollgebäude anhielt.
Dante's Wort: »Ihr, die Ihr eintretet, laßt jede
Hoffnung draußen!« hätte als Schild vor der Eingangs¬
thür hängen müſſen, dann wären wir würdig vorbereitet
geweſen auf dieſes Höllenzimmer.
Ein wahrer Qualm von Hitze und verpeſteter Luft
ſchlug uns entgegen. Die Doppelfenſter ließen durch die
trüben Scheiben wenig Tageshelle ein. Eine Menge
Juden ſaßen und ſtanden umher, uns neugierig anſchauend.
Die Beamten empfingen uns mürriſch und gingen langſam
an's Oeffnen der Koffer, welche der Bediente hereintragen
half. Aus aufgedunſenen, graublaſſen Geſichtern traf
uns manchmal ein lauernder Blick, wenn ein Gepäckſtück
ihnen aufzufallen ſchien. Der Sekretär wiſchte ſich den
Angſtſchweiß von der Stirn, als einer der Unterſuchenden
mit den ſchmutzigſten Fingern ihm Atlasſchuhe vorhielt,
eifrigſt dabei ſprechend. Ich trat näher.
12*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/207>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.