Bauern näher zu kommen. Der Sekretär sagte leichen blaß und zitternd: "Was thun Sie? Man wird Sie nicht weiter reisen lassen!"
"Desto besser, desto besser!" entgegnete ich immer hitziger und blieb schützend vor dem alten Manne stehen. "Ich will gar nicht weiter, ich will nach Memel zurück, mir ist alle Lust nach näherer Bekanntschaft mit einem Lande vergangen, in welches man wie ein Verbrecher von bewaffneten Reitern eingeführt, wo man wie ein Schmuggler behandelt wird, und wo uralte arme Leute geohrfeigt werden ... Ich will zurück! Verdolmetschen Sie das und sagen Sie, ich würde alles hier Vorgefallene dem Konsul in Memel mittheilen und ihn ersuchen, mein Nichteintreffen in Petersburg zu melden, und auch die Ursache desselben. Erfährt dann Fürst Wolkonski, auf welche Weise die Unterbeamten die Befehle der Vorge¬ setzten überschreiten, so wird die Strafe nicht ausbleiben und der boshafte Knirps da übel wegkommen!" ...
Endlich sprach der Sekretär mit Energie. Ich ver¬ nahm öfters das Wort: Knäs (Fürst) Wolkonski. Die Beamten befahlen dem Ohrfeigengeber, das Zimmer zu verlassen, und als endlich -- leider nur zu spät -- der Sekretär vernehmlich mit Geld klapperte, ging das Untersuchen der Effekten rasch vorwärts, und bald konnten wir weiter fahren.
Mein Bauer wischte eine Thräne nach der andern mit seinen zitternden Händen ab, ich steckte ihm Geld zu und streichelte seine mißhandelten Wangen, ihm
Bauern näher zu kommen. Der Sekretär ſagte leichen blaß und zitternd: »Was thun Sie? Man wird Sie nicht weiter reiſen laſſen!«
»Deſto beſſer, deſto beſſer!« entgegnete ich immer hitziger und blieb ſchützend vor dem alten Manne ſtehen. »Ich will gar nicht weiter, ich will nach Memel zurück, mir iſt alle Luſt nach näherer Bekanntſchaft mit einem Lande vergangen, in welches man wie ein Verbrecher von bewaffneten Reitern eingeführt, wo man wie ein Schmuggler behandelt wird, und wo uralte arme Leute geohrfeigt werden … Ich will zurück! Verdolmetſchen Sie das und ſagen Sie, ich würde alles hier Vorgefallene dem Konſul in Memel mittheilen und ihn erſuchen, mein Nichteintreffen in Petersburg zu melden, und auch die Urſache deſſelben. Erfährt dann Fürſt Wolkonski, auf welche Weiſe die Unterbeamten die Befehle der Vorge¬ ſetzten überſchreiten, ſo wird die Strafe nicht ausbleiben und der boshafte Knirps da übel wegkommen!« …
Endlich ſprach der Sekretär mit Energie. Ich ver¬ nahm öfters das Wort: Knäs (Fürſt) Wolkonski. Die Beamten befahlen dem Ohrfeigengeber, das Zimmer zu verlaſſen, und als endlich — leider nur zu ſpät — der Sekretär vernehmlich mit Geld klapperte, ging das Unterſuchen der Effekten raſch vorwärts, und bald konnten wir weiter fahren.
Mein Bauer wiſchte eine Thräne nach der andern mit ſeinen zitternden Händen ab, ich ſteckte ihm Geld zu und ſtreichelte ſeine mißhandelten Wangen, ihm
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Bauern näher zu kommen. Der Sekretär ſagte leichen
blaß und zitternd: »Was thun Sie? Man wird Sie
nicht weiter reiſen laſſen!«
»Deſto beſſer, deſto beſſer!« entgegnete ich immer
hitziger und blieb ſchützend vor dem alten Manne ſtehen.
»Ich will gar nicht weiter, ich will nach Memel zurück,
mir iſt alle Luſt nach näherer Bekanntſchaft mit einem
Lande vergangen, in welches man wie ein Verbrecher
von bewaffneten Reitern eingeführt, wo man wie ein
Schmuggler behandelt wird, und wo uralte arme Leute
geohrfeigt werden … Ich will zurück! Verdolmetſchen
Sie das und ſagen Sie, ich würde alles hier Vorgefallene
dem Konſul in Memel mittheilen und ihn erſuchen, mein
Nichteintreffen in Petersburg zu melden, und auch die
Urſache deſſelben. Erfährt dann Fürſt Wolkonski, auf
welche Weiſe die Unterbeamten die Befehle der Vorge¬
ſetzten überſchreiten, ſo wird die Strafe nicht ausbleiben
und der boshafte Knirps da übel wegkommen!« …
Endlich ſprach der Sekretär mit Energie. Ich ver¬
nahm öfters das Wort: Knäs (Fürſt) Wolkonski. Die
Beamten befahlen dem Ohrfeigengeber, das Zimmer zu
verlaſſen, und als endlich — leider nur zu ſpät — der
Sekretär vernehmlich mit Geld klapperte, ging das
Unterſuchen der Effekten raſch vorwärts, und bald
konnten wir weiter fahren.
Mein Bauer wiſchte eine Thräne nach der andern
mit ſeinen zitternden Händen ab, ich ſteckte ihm Geld
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/209>, abgerufen am 22.11.2024.
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