Warschau mit dem Eise eingebrochen -- soeben kam die frohe Botschaft an den Gouverneur, und ich eilte, sie Ihnen zu verkünden. Die Blüte des Adels und der Jugend sollen mit versunken sein ..."
Da mußte ich der polnischen Studenten und Gutsbesitzer gedenken, welche ich in Berlin hatte kennen gelernt. Und Alle hatten sich durch feines, liebenswürdiges Benehmen ausgezeichnet. Bei keinem Balle durften die eleganten Tänzer fehlen; wer hätte sonst wohl die Mazurkas an¬ führen sollen? Fast alle diese jungen Polen waren beim Beginne des Aufstandes nach Warschau aufgebrochen. Welche glühenden Patrioten gab es unter ihnen! Wie begeistert hatte gleich nach der ersten Aufführung des "Alten Studenten" von Baron Maltitz der junge schwärmerische Dichter Garcinsky, sehr mit Maltitz befreundet, uns er¬ zählt: die Aufführung dieses Stückes hätte die ganze polnische Jugend in Berlin förmlich beseligt ... und sie hätten während der Vorstellung diesem Enthusiasmus Ausdruck geben müssen, trotz des öftern mißbilligenden Herausblickens des Königs aus seiner Proßeniumsloge im Königstädter Theater ... Dafür waren sie ja junge, heißblütige Polen!!
"Wie unbesonnen!" bemerkte meine Mutter, "-- und weshalb den guten König ärgern? -- Konnten Sie sich denn nicht weniger -- bemerkbar freuen? Wenn nun das Stück verboten wird?"
Und so kam es. Nicht allein durfte der "Alte Stu¬ dent" nicht mehr gespielt werden, -- Baron Maltitz, der Verfasser, mußte Berlin verlassen.
Warſchau mit dem Eiſe eingebrochen — ſoeben kam die frohe Botſchaft an den Gouverneur, und ich eilte, ſie Ihnen zu verkünden. Die Blüte des Adels und der Jugend ſollen mit verſunken ſein …«
Da mußte ich der polniſchen Studenten und Gutsbeſitzer gedenken, welche ich in Berlin hatte kennen gelernt. Und Alle hatten ſich durch feines, liebenswürdiges Benehmen ausgezeichnet. Bei keinem Balle durften die eleganten Tänzer fehlen; wer hätte ſonſt wohl die Mazurkas an¬ führen ſollen? Faſt alle dieſe jungen Polen waren beim Beginne des Aufſtandes nach Warſchau aufgebrochen. Welche glühenden Patrioten gab es unter ihnen! Wie begeiſtert hatte gleich nach der erſten Aufführung des »Alten Studenten« von Baron Maltitz der junge ſchwärmeriſche Dichter Garcinsky, ſehr mit Maltitz befreundet, uns er¬ zählt: die Aufführung dieſes Stückes hätte die ganze polniſche Jugend in Berlin förmlich beſeligt … und ſie hätten während der Vorſtellung dieſem Enthuſiasmus Ausdruck geben müſſen, trotz des öftern mißbilligenden Herausblickens des Königs aus ſeiner Proſzeniumsloge im Königſtädter Theater … Dafür waren ſie ja junge, heißblütige Polen!!
»Wie unbeſonnen!« bemerkte meine Mutter, »— und weshalb den guten König ärgern? — Konnten Sie ſich denn nicht weniger — bemerkbar freuen? Wenn nun das Stück verboten wird?«
Und ſo kam es. Nicht allein durfte der »Alte Stu¬ dent« nicht mehr geſpielt werden, — Baron Maltitz, der Verfaſſer, mußte Berlin verlaſſen.
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Warſchau mit dem Eiſe eingebrochen — ſoeben kam die
frohe Botſchaft an den Gouverneur, und ich eilte, ſie
Ihnen zu verkünden. Die Blüte des Adels und der
Jugend ſollen mit verſunken ſein …«
Da mußte ich der polniſchen Studenten und Gutsbeſitzer
gedenken, welche ich in Berlin hatte kennen gelernt. Und
Alle hatten ſich durch feines, liebenswürdiges Benehmen
ausgezeichnet. Bei keinem Balle durften die eleganten
Tänzer fehlen; wer hätte ſonſt wohl die Mazurkas an¬
führen ſollen? Faſt alle dieſe jungen Polen waren beim
Beginne des Aufſtandes nach Warſchau aufgebrochen.
Welche glühenden Patrioten gab es unter ihnen! Wie
begeiſtert hatte gleich nach der erſten Aufführung des »Alten
Studenten« von Baron Maltitz der junge ſchwärmeriſche
Dichter Garcinsky, ſehr mit Maltitz befreundet, uns er¬
zählt: die Aufführung dieſes Stückes hätte die ganze polniſche
Jugend in Berlin förmlich beſeligt … und ſie hätten während
der Vorſtellung dieſem Enthuſiasmus Ausdruck geben müſſen,
trotz des öftern mißbilligenden Herausblickens des Königs
aus ſeiner Proſzeniumsloge im Königſtädter Theater …
Dafür waren ſie ja junge, heißblütige Polen!!
»Wie unbeſonnen!« bemerkte meine Mutter, »— und
weshalb den guten König ärgern? — Konnten Sie ſich
denn nicht weniger — bemerkbar freuen? Wenn nun das
Stück verboten wird?«
Und ſo kam es. Nicht allein durfte der »Alte Stu¬
dent« nicht mehr geſpielt werden, — Baron Maltitz,
der Verfaſſer, mußte Berlin verlaſſen.
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/217>, abgerufen am 22.11.2024.
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