gegenüber gefügiger und liebenswürdiger. Ich hatte vor drei Jahren manchen Strauß mit ihnen zu kämpfen gehabt -- und sie in meiner Weise überwunden.
"Warum" (ich sollte damals nun einmal aus den Warums nicht herauskommen) "lachten die Tänzerinnen," frug ich den Balletmeister nach dem ersten Akt der Probe von Preziosa, "während meines Solos? Wenn in Berlin dasselbe nicht ausgelacht wurde, wird es wohl auch vor diesen Jüngerinnen Terpsichore's Gnade finden können."
"Es sind Russinnen," entgegnete derselbe. "Diese unterstützen nicht gern die Deutschen."
"Ah so," bemerkte ich; "deshalb sehen auch die rus¬ sischen Choristen so verdrossen aus und singen Weber's herrliche Melodien so kauderwälsch und rufen stets anstatt: Heil Preziosa, Heil der Schönen --: hil Pitschoso, hil di schnula! ..."
Der Kapellmeister schob die Schuld dem Chordirektor zu: dieser verwies den Automaten ihr Kauderwälsch, und während der Vorstellung vernahm man kein Russisch- Chinesisch und kein Lachen der Tänzerinnen.
Dann schien es dem Maschinisten bei der Feuerßene im Käthchen von Heilbronn ganz gleichgültig zu sein, ob eine Deutsche den Hals bräche oder nicht. Er ließ die Säule, an welche sich Käthchen anklammern muß, auf der Probe so blitzschnell und ruckweise fallen, daß sie umschlug. Zum Glück hatte ich mir den Vorgang zeigen lassen, und als ich meine Bedenken darüber äußerte, antwortete der Maschinist kaltblütig: "Nitschewo!"
gegenüber gefügiger und liebenswürdiger. Ich hatte vor drei Jahren manchen Strauß mit ihnen zu kämpfen gehabt — und ſie in meiner Weiſe überwunden.
»Warum« (ich ſollte damals nun einmal aus den Warums nicht herauskommen) »lachten die Tänzerinnen,« frug ich den Balletmeiſter nach dem erſten Akt der Probe von Prezioſa, »während meines Solos? Wenn in Berlin daſſelbe nicht ausgelacht wurde, wird es wohl auch vor dieſen Jüngerinnen Terpſichore's Gnade finden können.«
»Es ſind Ruſſinnen,« entgegnete derſelbe. »Dieſe unterſtützen nicht gern die Deutſchen.«
»Ah ſo,« bemerkte ich; »deshalb ſehen auch die ruſ¬ ſiſchen Choriſten ſo verdroſſen aus und ſingen Weber's herrliche Melodien ſo kauderwälſch und rufen ſtets anſtatt: Heil Prezioſa, Heil der Schönen —: hil Pitschoso, hil di schnula! …«
Der Kapellmeiſter ſchob die Schuld dem Chordirektor zu: dieſer verwies den Automaten ihr Kauderwälſch, und während der Vorſtellung vernahm man kein Ruſſiſch- Chineſiſch und kein Lachen der Tänzerinnen.
Dann ſchien es dem Maſchiniſten bei der Feuerſzene im Käthchen von Heilbronn ganz gleichgültig zu ſein, ob eine Deutſche den Hals bräche oder nicht. Er ließ die Säule, an welche ſich Käthchen anklammern muß, auf der Probe ſo blitzſchnell und ruckweiſe fallen, daß ſie umſchlug. Zum Glück hatte ich mir den Vorgang zeigen laſſen, und als ich meine Bedenken darüber äußerte, antwortete der Maſchiniſt kaltblütig: »Nitschewo!«
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0230"n="202"/>
gegenüber gefügiger und liebenswürdiger. Ich hatte vor<lb/>
drei Jahren manchen Strauß mit ihnen zu kämpfen<lb/>
gehabt — und ſie in meiner Weiſe überwunden.</p><lb/><p>»Warum« (ich ſollte damals nun einmal aus den<lb/>
Warums nicht herauskommen) »lachten die Tänzerinnen,«<lb/>
frug ich den Balletmeiſter nach dem erſten Akt der Probe<lb/>
von Prezioſa, »während meines Solos? Wenn in Berlin<lb/>
daſſelbe nicht ausgelacht wurde, wird es wohl auch vor<lb/>
dieſen Jüngerinnen Terpſichore's Gnade finden können.«</p><lb/><p>»Es ſind Ruſſinnen,« entgegnete derſelbe. »Dieſe<lb/>
unterſtützen nicht gern die Deutſchen.«</p><lb/><p>»Ah ſo,« bemerkte ich; »deshalb ſehen auch die ruſ¬<lb/>ſiſchen Choriſten ſo verdroſſen aus und ſingen Weber's<lb/>
herrliche Melodien ſo kauderwälſch und rufen ſtets anſtatt:<lb/>
Heil Prezioſa, Heil der Schönen —: <hirendition="#aq">hil Pitschoso, hil<lb/>
di schnula</hi>! …«</p><lb/><p>Der Kapellmeiſter ſchob die Schuld dem Chordirektor<lb/>
zu: dieſer verwies den Automaten ihr Kauderwälſch, und<lb/>
während der Vorſtellung vernahm man kein Ruſſiſch-<lb/>
Chineſiſch und kein Lachen der Tänzerinnen.</p><lb/><p>Dann ſchien es dem Maſchiniſten bei der Feuerſzene<lb/>
im Käthchen von Heilbronn ganz gleichgültig zu ſein,<lb/>
ob eine Deutſche den Hals bräche oder nicht. Er ließ<lb/>
die Säule, an welche ſich Käthchen anklammern muß,<lb/>
auf der Probe ſo blitzſchnell und ruckweiſe fallen, daß<lb/>ſie umſchlug. Zum Glück hatte ich mir den Vorgang<lb/>
zeigen laſſen, und als ich meine Bedenken darüber äußerte,<lb/>
antwortete der Maſchiniſt kaltblütig: <hirendition="#aq">»Nitschewo!«</hi><lb/></p></div></body></text></TEI>
[202/0230]
gegenüber gefügiger und liebenswürdiger. Ich hatte vor
drei Jahren manchen Strauß mit ihnen zu kämpfen
gehabt — und ſie in meiner Weiſe überwunden.
»Warum« (ich ſollte damals nun einmal aus den
Warums nicht herauskommen) »lachten die Tänzerinnen,«
frug ich den Balletmeiſter nach dem erſten Akt der Probe
von Prezioſa, »während meines Solos? Wenn in Berlin
daſſelbe nicht ausgelacht wurde, wird es wohl auch vor
dieſen Jüngerinnen Terpſichore's Gnade finden können.«
»Es ſind Ruſſinnen,« entgegnete derſelbe. »Dieſe
unterſtützen nicht gern die Deutſchen.«
»Ah ſo,« bemerkte ich; »deshalb ſehen auch die ruſ¬
ſiſchen Choriſten ſo verdroſſen aus und ſingen Weber's
herrliche Melodien ſo kauderwälſch und rufen ſtets anſtatt:
Heil Prezioſa, Heil der Schönen —: hil Pitschoso, hil
di schnula! …«
Der Kapellmeiſter ſchob die Schuld dem Chordirektor
zu: dieſer verwies den Automaten ihr Kauderwälſch, und
während der Vorſtellung vernahm man kein Ruſſiſch-
Chineſiſch und kein Lachen der Tänzerinnen.
Dann ſchien es dem Maſchiniſten bei der Feuerſzene
im Käthchen von Heilbronn ganz gleichgültig zu ſein,
ob eine Deutſche den Hals bräche oder nicht. Er ließ
die Säule, an welche ſich Käthchen anklammern muß,
auf der Probe ſo blitzſchnell und ruckweiſe fallen, daß
ſie umſchlug. Zum Glück hatte ich mir den Vorgang
zeigen laſſen, und als ich meine Bedenken darüber äußerte,
antwortete der Maſchiniſt kaltblütig: »Nitschewo!«
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/230>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.