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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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zerstreut gespielt. Mit Theilnahme begegneten sich die
Kollegen, aller Neid und alle kleinliche Kabale schien
besseren Gefühlen gewichen. Herzlich klang das "Gute
Nacht!" und "Auf Wiedersehen!" am Schluß der Vor¬
stellung. Die Rückkehr nach Haus war ein Fest ...
Wie beseligte die Gewißheit, sich noch zu besitzen! ...

Erst als auch zwei französische Schauspieler der
Cholera zum Opfer gefallen waren, kam der ersehnte
Befehl zur Schließung sämmtlicher Bühnen, und wir
zogen hinaus auf's Land.

In Wassili-Ostrow lebte es sich ganz angenehm. Die
meisten Häuser sind von kleinen, schattigen Gärten um¬
geben. Aber die ganzen Nächte hindurch -- denn bei
Tage durfte nicht mehr begraben werden -- fuhren die
nicht enden wollenden Leichenzüge unter unsern Fenstern
vorbei nach dem großen Friedhofe. Wochenlang starben
in Petersburg täglich sechs- bis achthundert Personen.

Nur einmal sahen wir diese gespenstische Leichenfahrt
mit an. Vom Mond beleuchtet fuhren stolze Karossen
vorüber, quer durch die Fenster ein -- Sarg gestellt ...
Elegante Droschken waren mit Särgen beladen -- da¬
zwischen plumpe Karren und Möbelwagen mit ganzen
Ladungen von Särgen ... denn woher so viele Leichen¬
wagen nehmen: auf das damals nur zu wüste, schaurige,
große Petersburger Leichenfeld diese furchtbar reiche Ernte
des Todes zu führen?! -- Popen begleiteten die Ver¬
storbenen, -- weiter Niemand: kein leidtragender Ver¬
wandter oder Freund! ... Kein Tuch trocknete Thränen

zerſtreut geſpielt. Mit Theilnahme begegneten ſich die
Kollegen, aller Neid und alle kleinliche Kabale ſchien
beſſeren Gefühlen gewichen. Herzlich klang das »Gute
Nacht!« und »Auf Wiederſehen!« am Schluß der Vor¬
ſtellung. Die Rückkehr nach Haus war ein Feſt …
Wie beſeligte die Gewißheit, ſich noch zu beſitzen! …

Erſt als auch zwei franzöſiſche Schauſpieler der
Cholera zum Opfer gefallen waren, kam der erſehnte
Befehl zur Schließung ſämmtlicher Bühnen, und wir
zogen hinaus auf's Land.

In Waſſili-Oſtrow lebte es ſich ganz angenehm. Die
meiſten Häuſer ſind von kleinen, ſchattigen Gärten um¬
geben. Aber die ganzen Nächte hindurch — denn bei
Tage durfte nicht mehr begraben werden — fuhren die
nicht enden wollenden Leichenzüge unter unſern Fenſtern
vorbei nach dem großen Friedhofe. Wochenlang ſtarben
in Petersburg täglich ſechs- bis achthundert Perſonen.

Nur einmal ſahen wir dieſe geſpenſtiſche Leichenfahrt
mit an. Vom Mond beleuchtet fuhren ſtolze Karoſſen
vorüber, quer durch die Fenſter ein — Sarg geſtellt …
Elegante Droſchken waren mit Särgen beladen — da¬
zwiſchen plumpe Karren und Möbelwagen mit ganzen
Ladungen von Särgen … denn woher ſo viele Leichen¬
wagen nehmen: auf das damals nur zu wüſte, ſchaurige,
große Petersburger Leichenfeld dieſe furchtbar reiche Ernte
des Todes zu führen?! — Popen begleiteten die Ver¬
ſtorbenen, — weiter Niemand: kein leidtragender Ver¬
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[207/0235] zerſtreut geſpielt. Mit Theilnahme begegneten ſich die Kollegen, aller Neid und alle kleinliche Kabale ſchien beſſeren Gefühlen gewichen. Herzlich klang das »Gute Nacht!« und »Auf Wiederſehen!« am Schluß der Vor¬ ſtellung. Die Rückkehr nach Haus war ein Feſt … Wie beſeligte die Gewißheit, ſich noch zu beſitzen! … Erſt als auch zwei franzöſiſche Schauſpieler der Cholera zum Opfer gefallen waren, kam der erſehnte Befehl zur Schließung ſämmtlicher Bühnen, und wir zogen hinaus auf's Land. In Waſſili-Oſtrow lebte es ſich ganz angenehm. Die meiſten Häuſer ſind von kleinen, ſchattigen Gärten um¬ geben. Aber die ganzen Nächte hindurch — denn bei Tage durfte nicht mehr begraben werden — fuhren die nicht enden wollenden Leichenzüge unter unſern Fenſtern vorbei nach dem großen Friedhofe. Wochenlang ſtarben in Petersburg täglich ſechs- bis achthundert Perſonen. Nur einmal ſahen wir dieſe geſpenſtiſche Leichenfahrt mit an. Vom Mond beleuchtet fuhren ſtolze Karoſſen vorüber, quer durch die Fenſter ein — Sarg geſtellt … Elegante Droſchken waren mit Särgen beladen — da¬ zwiſchen plumpe Karren und Möbelwagen mit ganzen Ladungen von Särgen … denn woher ſo viele Leichen¬ wagen nehmen: auf das damals nur zu wüſte, ſchaurige, große Petersburger Leichenfeld dieſe furchtbar reiche Ernte des Todes zu führen?! — Popen begleiteten die Ver¬ ſtorbenen, — weiter Niemand: kein leidtragender Ver¬ wandter oder Freund! … Kein Tuch trocknete Thränen

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/235>, abgerufen am 22.11.2024.