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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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zu können -- die geistvolle, zauberschöne, sanfte Polin,
Gräfin Johanna Grudczinska, die Kaiser Nikolaus zur
Fürstin von Lowicz erhob. Gewiß zeugt dies von Leiden¬
schaft und Energie -- aber in dieser Energie und Leiden¬
schaftlichkeit war er ein Despot -- oft bis zur Grausam¬
keit. Seine angebetete Gemahlin, sie, die sich ihm opferte,
um der Schutzengel Polens zu werden, war bitter ent¬
täuscht. Bald von ihren Landsleuten, bald von den
Russen mißtrauisch beobachtet, konnte sie nur selten das
Herz ihres Gemahls zur Milde stimmen -- für das arme,
unglückliche Polen, dessen Vizekönig er war. Konstantin
hatte beim Ausbruch des Polenaufstandes aus Warschau
fliehen müssen -- nur mit Mühe war er der Gefangen¬
schaft entronnen ... Und doch war Konstantin stolz auf
die Tapferkeit von Johanna's Landsleuten. Auf ein
stolzes russisches Wort: "Die armselige polnische Armee
wird bald zu Paaren getrieben und Warschau erobert
sein ..." antwortete er mit ironischem Lachen: "Meint
Ihr? Wartet nur ab, wie meine tapferen Polen
sich schlagen werden ..."

Die Polen, diese von den Russen so gehaßten und ge¬
fürchteten "Rebellen" nannte der Bruder des Czaren stolz
"seine tapferen Polen" ... Welch' eine Aufgabe für
einen Psychologen, Konstantin's Charakter zu entziffern!

Nach fünf Monaten starb auch Johanna Grudczinska.
Fern vom geliebten Vaterlande fern von Verwandten
und Freunden, einsam, verlassen, vergessen, starb sie dem
Gemahle nach, der sie trotz aller Tyrannei -- -- heiß

Erinnerungen etc. 14

zu können — die geiſtvolle, zauberſchöne, ſanfte Polin,
Gräfin Johanna Grudczinska, die Kaiſer Nikolaus zur
Fürſtin von Lowicz erhob. Gewiß zeugt dies von Leiden¬
ſchaft und Energie — aber in dieſer Energie und Leiden¬
ſchaftlichkeit war er ein Deſpot — oft bis zur Grauſam¬
keit. Seine angebetete Gemahlin, ſie, die ſich ihm opferte,
um der Schutzengel Polens zu werden, war bitter ent¬
täuſcht. Bald von ihren Landsleuten, bald von den
Ruſſen mißtrauiſch beobachtet, konnte ſie nur ſelten das
Herz ihres Gemahls zur Milde ſtimmen — für das arme,
unglückliche Polen, deſſen Vizekönig er war. Konſtantin
hatte beim Ausbruch des Polenaufſtandes aus Warſchau
fliehen müſſen — nur mit Mühe war er der Gefangen¬
ſchaft entronnen … Und doch war Konſtantin ſtolz auf
die Tapferkeit von Johanna's Landsleuten. Auf ein
ſtolzes ruſſiſches Wort: »Die armſelige polniſche Armee
wird bald zu Paaren getrieben und Warſchau erobert
ſein …« antwortete er mit ironiſchem Lachen: »Meint
Ihr? Wartet nur ab, wie meine tapferen Polen
ſich ſchlagen werden …«

Die Polen, dieſe von den Ruſſen ſo gehaßten und ge¬
fürchteten »Rebellen« nannte der Bruder des Czaren ſtolz
»ſeine tapferen Polen« … Welch' eine Aufgabe für
einen Pſychologen, Konſtantin's Charakter zu entziffern!

Nach fünf Monaten ſtarb auch Johanna Grudczinska.
Fern vom geliebten Vaterlande fern von Verwandten
und Freunden, einſam, verlaſſen, vergeſſen, ſtarb ſie dem
Gemahle nach, der ſie trotz aller Tyrannei — — heiß

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[209/0237] zu können — die geiſtvolle, zauberſchöne, ſanfte Polin, Gräfin Johanna Grudczinska, die Kaiſer Nikolaus zur Fürſtin von Lowicz erhob. Gewiß zeugt dies von Leiden¬ ſchaft und Energie — aber in dieſer Energie und Leiden¬ ſchaftlichkeit war er ein Deſpot — oft bis zur Grauſam¬ keit. Seine angebetete Gemahlin, ſie, die ſich ihm opferte, um der Schutzengel Polens zu werden, war bitter ent¬ täuſcht. Bald von ihren Landsleuten, bald von den Ruſſen mißtrauiſch beobachtet, konnte ſie nur ſelten das Herz ihres Gemahls zur Milde ſtimmen — für das arme, unglückliche Polen, deſſen Vizekönig er war. Konſtantin hatte beim Ausbruch des Polenaufſtandes aus Warſchau fliehen müſſen — nur mit Mühe war er der Gefangen¬ ſchaft entronnen … Und doch war Konſtantin ſtolz auf die Tapferkeit von Johanna's Landsleuten. Auf ein ſtolzes ruſſiſches Wort: »Die armſelige polniſche Armee wird bald zu Paaren getrieben und Warſchau erobert ſein …« antwortete er mit ironiſchem Lachen: »Meint Ihr? Wartet nur ab, wie meine tapferen Polen ſich ſchlagen werden …« Die Polen, dieſe von den Ruſſen ſo gehaßten und ge¬ fürchteten »Rebellen« nannte der Bruder des Czaren ſtolz »ſeine tapferen Polen« … Welch' eine Aufgabe für einen Pſychologen, Konſtantin's Charakter zu entziffern! Nach fünf Monaten ſtarb auch Johanna Grudczinska. Fern vom geliebten Vaterlande fern von Verwandten und Freunden, einſam, verlaſſen, vergeſſen, ſtarb ſie dem Gemahle nach, der ſie trotz aller Tyrannei — — heiß Erinnerungen ꝛc. 14

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/237>, abgerufen am 22.11.2024.