Nach dem über Erwarten gelungenen vierten Akt, der großen Aufgabe der Giftßene (ich spielte die Rolle zum ersten Male), lag ich ganz vergnügt in der Nähe des grimmigen Thybald in der Gruft, mit stiller Vor¬ freude auf die Wirkung des malerischen Schlußtableaus.
Romeo nahm Abschied, ich hörte ihn die Stufen hinabsteigen, -- wunderte mich aber, daß, wie in der Probe, das Gerüst nicht vom fallenden Körper Barlow- Romeo's erzitterte. Lorenzo kommt, ich erwache mit der Frage: "Und wo ist mein Gemahl?" etc. und vernehme die Schreckenskunde: "Dein Gatte liegt zu Deinen Füßen todt!" ... Ich soll als Julia aufschreien, ihn entseelt erblickend; -- ich schreie, sehe aber keinen Romeo. Ich bemerkte wohl, daß Lorenzo mich die Stufen herabziehen wollte, hielt es aber für ein fein kombinirtes Spiel, um mich dem Schreckensort des Todes zu entreißen ... Lorenzo flieht. Ich fahre fort: "Geh' nur, entweich'! denn ich will nicht von hinnen!" und "Was ist das? ein Fläschchen fest in meines Liebsten Hand? Gift, seh' ich wohl, war sein voreilig Ende." Ich suche den Gatten, er ist nir¬ gends zu erblicken -- nicht rechts, nicht links, nicht auf, noch vor den Stufen ... Ich muß ihn aber doch sehen, muß mich mit dem an seinem Gürtel befestigten Dolche tödten, wenn das Stück enden soll ...
Ich steige also die Stufen hinab, gehe einen, zwei Schritte vorwärts, nach Romeo überall umherblickend, indem ich die Pause mit verzweiflungsvollem Händeringen auszufüllen suche ... kein Romeo zu sehen! Ich trete ver¬
Nach dem über Erwarten gelungenen vierten Akt, der großen Aufgabe der Giftſzene (ich ſpielte die Rolle zum erſten Male), lag ich ganz vergnügt in der Nähe des grimmigen Thybald in der Gruft, mit ſtiller Vor¬ freude auf die Wirkung des maleriſchen Schlußtableaus.
Romeo nahm Abſchied, ich hörte ihn die Stufen hinabſteigen, — wunderte mich aber, daß, wie in der Probe, das Gerüſt nicht vom fallenden Körper Barlow- Romeo's erzitterte. Lorenzo kommt, ich erwache mit der Frage: »Und wo iſt mein Gemahl?« ꝛc. und vernehme die Schreckenskunde: »Dein Gatte liegt zu Deinen Füßen todt!« … Ich ſoll als Julia aufſchreien, ihn entſeelt erblickend; — ich ſchreie, ſehe aber keinen Romeo. Ich bemerkte wohl, daß Lorenzo mich die Stufen herabziehen wollte, hielt es aber für ein fein kombinirtes Spiel, um mich dem Schreckensort des Todes zu entreißen … Lorenzo flieht. Ich fahre fort: »Geh' nur, entweich'! denn ich will nicht von hinnen!« und »Was iſt das? ein Fläſchchen feſt in meines Liebſten Hand? Gift, ſeh' ich wohl, war ſein voreilig Ende.« Ich ſuche den Gatten, er iſt nir¬ gends zu erblicken — nicht rechts, nicht links, nicht auf, noch vor den Stufen … Ich muß ihn aber doch ſehen, muß mich mit dem an ſeinem Gürtel befeſtigten Dolche tödten, wenn das Stück enden ſoll …
Ich ſteige alſo die Stufen hinab, gehe einen, zwei Schritte vorwärts, nach Romeo überall umherblickend, indem ich die Pauſe mit verzweiflungsvollem Händeringen auszufüllen ſuche … kein Romeo zu ſehen! Ich trete ver¬
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Nach dem über Erwarten gelungenen vierten Akt,
der großen Aufgabe der Giftſzene (ich ſpielte die Rolle
zum erſten Male), lag ich ganz vergnügt in der Nähe
des grimmigen Thybald in der Gruft, mit ſtiller Vor¬
freude auf die Wirkung des maleriſchen Schlußtableaus.
Romeo nahm Abſchied, ich hörte ihn die Stufen
hinabſteigen, — wunderte mich aber, daß, wie in der
Probe, das Gerüſt nicht vom fallenden Körper Barlow-
Romeo's erzitterte. Lorenzo kommt, ich erwache mit der
Frage: »Und wo iſt mein Gemahl?« ꝛc. und vernehme
die Schreckenskunde: »Dein Gatte liegt zu Deinen Füßen
todt!« … Ich ſoll als Julia aufſchreien, ihn entſeelt
erblickend; — ich ſchreie, ſehe aber keinen Romeo. Ich
bemerkte wohl, daß Lorenzo mich die Stufen herabziehen
wollte, hielt es aber für ein fein kombinirtes Spiel, um
mich dem Schreckensort des Todes zu entreißen … Lorenzo
flieht. Ich fahre fort: »Geh' nur, entweich'! denn ich
will nicht von hinnen!« und »Was iſt das? ein Fläſchchen
feſt in meines Liebſten Hand? Gift, ſeh' ich wohl, war
ſein voreilig Ende.« Ich ſuche den Gatten, er iſt nir¬
gends zu erblicken — nicht rechts, nicht links, nicht auf,
noch vor den Stufen … Ich muß ihn aber doch ſehen,
muß mich mit dem an ſeinem Gürtel befeſtigten Dolche
tödten, wenn das Stück enden ſoll …
Ich ſteige alſo die Stufen hinab, gehe einen, zwei
Schritte vorwärts, nach Romeo überall umherblickend,
indem ich die Pauſe mit verzweiflungsvollem Händeringen
auszufüllen ſuche … kein Romeo zu ſehen! Ich trete ver¬
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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