Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

die erschütterndsten Wirkungen erzielt -- -- so mahnt
Raimund uns in seinen lustigsten Zaubermärchen plötzlich
durch ein tiefschmerzliches Antlitz an des Lebens bittersten
Ernst. O, ich liebe diesen Humor, der mit dem einen
Auge lacht -- mit dem anderen weint!

Und dieser herzfröhliche Dichter -- dieser urnärrische
Komiker ... war schon damals im bürgerlichen Leben
ein finsterer Hypochonder -- ein Schwarzseher. Die
fixe Idee von seinen lieben Wienern nicht verstanden,
nicht gewürdigt zu werden, trübte seinen sonst so
klaren Blick. Gepeinigt von solchen düsteren Gedanken
verbarg er sich oft tagelang auf seiner hübschen Villa
Gutenstein vor aller Welt Augen. Vor einigen Jahren
war es seiner langjährigen Freundin, der genialen
Therese Krones, doch noch oft gelungen, ihn aus seinen
Grübeleien zu reißen -- -- aber Therese Krones war
jetzt schon seit vier Jahren todt. Die Wiener sagten:
das zehre auch an seinem Herzen ... Und nach
zwei Jahren -- 1836, in einer finsteren Stunde -- in
dem Wahne, von einem tollen Hunde gebissen und
unrettbar der Hundswuth preisgegeben zu sein ... da
warf er dies verdüsterte Leben von sich -- und Wien,
das lustige Wien, das so oft über seinen Liebling Rai¬
mund und seine Zauberpossen aus vollem Herzen bis zu
Thränen gelacht hatte, -- das weinte jetzt aus ebenso
vollem Herzen bei seinem Leichenbegängniß.

Wie mich 1836 in Dresden die Nachricht erschütterte:
Ferdinand Raimund hat sich erschossen! -- -- und wie

Erinnerungen etc. 18

die erſchütterndſten Wirkungen erzielt — — ſo mahnt
Raimund uns in ſeinen luſtigſten Zaubermärchen plötzlich
durch ein tiefſchmerzliches Antlitz an des Lebens bitterſten
Ernſt. O, ich liebe dieſen Humor, der mit dem einen
Auge lacht — mit dem anderen weint!

Und dieſer herzfröhliche Dichter — dieſer urnärriſche
Komiker … war ſchon damals im bürgerlichen Leben
ein finſterer Hypochonder — ein Schwarzſeher. Die
fixe Idee von ſeinen lieben Wienern nicht verſtanden,
nicht gewürdigt zu werden, trübte ſeinen ſonſt ſo
klaren Blick. Gepeinigt von ſolchen düſteren Gedanken
verbarg er ſich oft tagelang auf ſeiner hübſchen Villa
Gutenſtein vor aller Welt Augen. Vor einigen Jahren
war es ſeiner langjährigen Freundin, der genialen
Thereſe Krones, doch noch oft gelungen, ihn aus ſeinen
Grübeleien zu reißen — — aber Thereſe Krones war
jetzt ſchon ſeit vier Jahren todt. Die Wiener ſagten:
das zehre auch an ſeinem Herzen … Und nach
zwei Jahren — 1836, in einer finſteren Stunde — in
dem Wahne, von einem tollen Hunde gebiſſen und
unrettbar der Hundswuth preisgegeben zu ſein … da
warf er dies verdüſterte Leben von ſich — und Wien,
das luſtige Wien, das ſo oft über ſeinen Liebling Rai¬
mund und ſeine Zauberpoſſen aus vollem Herzen bis zu
Thränen gelacht hatte, — das weinte jetzt aus ebenſo
vollem Herzen bei ſeinem Leichenbegängniß.

Wie mich 1836 in Dresden die Nachricht erſchütterte:
Ferdinand Raimund hat ſich erſchoſſen! — — und wie

Erinnerungen ꝛc. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0301" n="273"/>
die er&#x017F;chütternd&#x017F;ten Wirkungen erzielt &#x2014; &#x2014; &#x017F;o mahnt<lb/>
Raimund uns in &#x017F;einen lu&#x017F;tig&#x017F;ten Zaubermärchen plötzlich<lb/>
durch ein tief&#x017F;chmerzliches Antlitz an des Lebens bitter&#x017F;ten<lb/>
Ern&#x017F;t. O, ich liebe die&#x017F;en Humor, der mit dem einen<lb/>
Auge lacht &#x2014; mit dem anderen weint!</p><lb/>
        <p>Und die&#x017F;er herzfröhliche Dichter &#x2014; die&#x017F;er urnärri&#x017F;che<lb/>
Komiker &#x2026; war &#x017F;chon damals im bürgerlichen Leben<lb/>
ein fin&#x017F;terer Hypochonder &#x2014; ein Schwarz&#x017F;eher. Die<lb/>
fixe Idee von &#x017F;einen lieben Wienern nicht ver&#x017F;tanden,<lb/>
nicht gewürdigt zu werden, trübte &#x017F;einen &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
klaren Blick. Gepeinigt von &#x017F;olchen dü&#x017F;teren Gedanken<lb/>
verbarg er &#x017F;ich oft tagelang auf &#x017F;einer hüb&#x017F;chen Villa<lb/>
Guten&#x017F;tein vor aller Welt Augen. Vor einigen Jahren<lb/>
war es &#x017F;einer langjährigen Freundin, der genialen<lb/>
There&#x017F;e Krones, doch noch oft gelungen, ihn aus &#x017F;einen<lb/>
Grübeleien zu reißen &#x2014; &#x2014; aber There&#x017F;e Krones war<lb/>
jetzt &#x017F;chon &#x017F;eit vier Jahren todt. Die Wiener &#x017F;agten:<lb/>
das zehre auch an &#x017F;einem Herzen &#x2026; Und nach<lb/>
zwei Jahren &#x2014; 1836, in einer fin&#x017F;teren Stunde &#x2014; in<lb/>
dem Wahne, von einem tollen Hunde gebi&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
unrettbar der Hundswuth preisgegeben zu &#x017F;ein &#x2026; da<lb/>
warf er dies verdü&#x017F;terte Leben von &#x017F;ich &#x2014; und Wien,<lb/>
das lu&#x017F;tige Wien, das &#x017F;o oft über &#x017F;einen Liebling Rai¬<lb/>
mund und &#x017F;eine Zauberpo&#x017F;&#x017F;en aus vollem Herzen bis zu<lb/>
Thränen gelacht hatte, &#x2014; das weinte jetzt aus eben&#x017F;o<lb/>
vollem Herzen bei &#x017F;einem Leichenbegängniß.</p><lb/>
        <p>Wie mich 1836 in Dresden die Nachricht er&#x017F;chütterte:<lb/>
Ferdinand Raimund hat &#x017F;ich er&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en! &#x2014; &#x2014; und wie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Erinnerungen &#xA75B;c. 18<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0301] die erſchütterndſten Wirkungen erzielt — — ſo mahnt Raimund uns in ſeinen luſtigſten Zaubermärchen plötzlich durch ein tiefſchmerzliches Antlitz an des Lebens bitterſten Ernſt. O, ich liebe dieſen Humor, der mit dem einen Auge lacht — mit dem anderen weint! Und dieſer herzfröhliche Dichter — dieſer urnärriſche Komiker … war ſchon damals im bürgerlichen Leben ein finſterer Hypochonder — ein Schwarzſeher. Die fixe Idee von ſeinen lieben Wienern nicht verſtanden, nicht gewürdigt zu werden, trübte ſeinen ſonſt ſo klaren Blick. Gepeinigt von ſolchen düſteren Gedanken verbarg er ſich oft tagelang auf ſeiner hübſchen Villa Gutenſtein vor aller Welt Augen. Vor einigen Jahren war es ſeiner langjährigen Freundin, der genialen Thereſe Krones, doch noch oft gelungen, ihn aus ſeinen Grübeleien zu reißen — — aber Thereſe Krones war jetzt ſchon ſeit vier Jahren todt. Die Wiener ſagten: das zehre auch an ſeinem Herzen … Und nach zwei Jahren — 1836, in einer finſteren Stunde — in dem Wahne, von einem tollen Hunde gebiſſen und unrettbar der Hundswuth preisgegeben zu ſein … da warf er dies verdüſterte Leben von ſich — und Wien, das luſtige Wien, das ſo oft über ſeinen Liebling Rai¬ mund und ſeine Zauberpoſſen aus vollem Herzen bis zu Thränen gelacht hatte, — das weinte jetzt aus ebenſo vollem Herzen bei ſeinem Leichenbegängniß. Wie mich 1836 in Dresden die Nachricht erſchütterte: Ferdinand Raimund hat ſich erſchoſſen! — — und wie Erinnerungen ꝛc. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/301
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/301>, abgerufen am 22.11.2024.