Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Theater gehen!" Als die Händel-Schütz "lebende Bil¬
der" stellte, stand ich mit den der Mutter abgebettelten
24 Kreuzern schon zwei Stunden vor Beginn der Vor¬
stellung an der Eingangsthür des Museumssaales. Aber
nachdem ich diese in der That lebensvollsten Bilder ge¬
sehen, wurde es der Mutter mit mir fast zu bunt. Was
einem Vorhang, Shawl, einer Draperie glich, wurde
zusammengeschleppt und benutzt, um die Händel-Schütz
nachzuahmen, bis endlich das mütterliche Machtgebot dem
Treiben ein Ende machte. Ja, die "kleine Komödiantin"
durfte nur selten noch das Theater besuchen. Meine
Mutter eiferte mich stets zum größten Fleiße an: "Be¬
nutze die kostbare Zeit!" Sie erlaubte auch nie, daß ich
mich bedienen ließ. Ich mußte mich ohne Hülfe frisiren,
mich selbst ankleiden, das Zimmer aufräumen, meine
Kleider und Wäsche in Ordnung halten ... und auf
rebellische Fragen: "Aber, Mama, wozu ist denn die
Kammerjungfer da?" gab's die ernste Antwort: "Kind,
Du wirst es mir später noch danken! -- Je mehr Du
lernst, Dir selber zu helfen, desto unabhängiger wirst
Du sein und jede schwierige Lage leichter ertragen!"

Ich lernte eifrig und wurde bald die Erste in der
Klasse. Auf dem Klavier übte ich mit leidenschaftlicher
Beharrlichkeit. Die Mutter hielt mir den besten und
theuersten Klavierlehrer, Marx. Noch nicht 13 Jahre alt,
spielte ich das D-moll-Konzert von Mozart mit Orchester¬
begleitung in einem Dilettantenconcert im Museumssaal.
Gern hätte ich mich ganz der Musik gewidmet. --

Theater gehen!« Als die Händel-Schütz »lebende Bil¬
der« ſtellte, ſtand ich mit den der Mutter abgebettelten
24 Kreuzern ſchon zwei Stunden vor Beginn der Vor¬
ſtellung an der Eingangsthür des Muſeumsſaales. Aber
nachdem ich dieſe in der That lebensvollſten Bilder ge¬
ſehen, wurde es der Mutter mit mir faſt zu bunt. Was
einem Vorhang, Shawl, einer Draperie glich, wurde
zuſammengeſchleppt und benutzt, um die Händel-Schütz
nachzuahmen, bis endlich das mütterliche Machtgebot dem
Treiben ein Ende machte. Ja, die »kleine Komödiantin«
durfte nur ſelten noch das Theater beſuchen. Meine
Mutter eiferte mich ſtets zum größten Fleiße an: »Be¬
nutze die koſtbare Zeit!« Sie erlaubte auch nie, daß ich
mich bedienen ließ. Ich mußte mich ohne Hülfe friſiren,
mich ſelbſt ankleiden, das Zimmer aufräumen, meine
Kleider und Wäſche in Ordnung halten … und auf
rebelliſche Fragen: »Aber, Mama, wozu iſt denn die
Kammerjungfer da?« gab's die ernſte Antwort: »Kind,
Du wirſt es mir ſpäter noch danken! — Je mehr Du
lernſt, Dir ſelber zu helfen, deſto unabhängiger wirſt
Du ſein und jede ſchwierige Lage leichter ertragen!«

Ich lernte eifrig und wurde bald die Erſte in der
Klaſſe. Auf dem Klavier übte ich mit leidenſchaftlicher
Beharrlichkeit. Die Mutter hielt mir den beſten und
theuerſten Klavierlehrer, Marx. Noch nicht 13 Jahre alt,
ſpielte ich das D-moll-Konzert von Mozart mit Orcheſter¬
begleitung in einem Dilettantenconcert im Muſeumsſaal.
Gern hätte ich mich ganz der Muſik gewidmet. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="5"/>
Theater gehen!« Als die Händel-Schütz »lebende Bil¬<lb/>
der« &#x017F;tellte, &#x017F;tand ich mit den der Mutter abgebettelten<lb/>
24 Kreuzern &#x017F;chon zwei Stunden vor Beginn der Vor¬<lb/>
&#x017F;tellung an der Eingangsthür des Mu&#x017F;eums&#x017F;aales. Aber<lb/>
nachdem ich die&#x017F;e in der That lebensvoll&#x017F;ten Bilder ge¬<lb/>
&#x017F;ehen, wurde es der Mutter mit mir fa&#x017F;t zu bunt. Was<lb/>
einem Vorhang, Shawl, einer Draperie glich, wurde<lb/>
zu&#x017F;ammenge&#x017F;chleppt und benutzt, um die Händel-Schütz<lb/>
nachzuahmen, bis endlich das mütterliche Machtgebot dem<lb/>
Treiben ein Ende machte. Ja, die »kleine Komödiantin«<lb/>
durfte nur &#x017F;elten noch das Theater be&#x017F;uchen. Meine<lb/>
Mutter eiferte mich &#x017F;tets zum größten Fleiße an: »Be¬<lb/>
nutze die ko&#x017F;tbare Zeit!« Sie erlaubte auch nie, daß ich<lb/>
mich bedienen ließ. Ich mußte mich ohne Hülfe fri&#x017F;iren,<lb/>
mich &#x017F;elb&#x017F;t ankleiden, das Zimmer aufräumen, meine<lb/>
Kleider und Wä&#x017F;che in Ordnung halten &#x2026; und auf<lb/>
rebelli&#x017F;che Fragen: »Aber, Mama, wozu i&#x017F;t denn die<lb/>
Kammerjungfer da?« gab's die ern&#x017F;te Antwort: »Kind,<lb/>
Du wir&#x017F;t es mir &#x017F;päter noch danken! &#x2014; Je mehr Du<lb/>
lern&#x017F;t, Dir &#x017F;elber zu helfen, de&#x017F;to unabhängiger wir&#x017F;t<lb/>
Du &#x017F;ein und jede &#x017F;chwierige Lage leichter ertragen!«</p><lb/>
        <p>Ich lernte eifrig und wurde bald die Er&#x017F;te in der<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;e. Auf dem Klavier übte ich mit leiden&#x017F;chaftlicher<lb/>
Beharrlichkeit. Die Mutter hielt mir den be&#x017F;ten und<lb/>
theuer&#x017F;ten Klavierlehrer, Marx. Noch nicht 13 Jahre alt,<lb/>
&#x017F;pielte ich das <hi rendition="#aq">D-moll</hi>-Konzert von Mozart mit Orche&#x017F;ter¬<lb/>
begleitung in einem Dilettantenconcert im Mu&#x017F;eums&#x017F;aal.<lb/>
Gern hätte ich mich ganz der Mu&#x017F;ik gewidmet. &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0033] Theater gehen!« Als die Händel-Schütz »lebende Bil¬ der« ſtellte, ſtand ich mit den der Mutter abgebettelten 24 Kreuzern ſchon zwei Stunden vor Beginn der Vor¬ ſtellung an der Eingangsthür des Muſeumsſaales. Aber nachdem ich dieſe in der That lebensvollſten Bilder ge¬ ſehen, wurde es der Mutter mit mir faſt zu bunt. Was einem Vorhang, Shawl, einer Draperie glich, wurde zuſammengeſchleppt und benutzt, um die Händel-Schütz nachzuahmen, bis endlich das mütterliche Machtgebot dem Treiben ein Ende machte. Ja, die »kleine Komödiantin« durfte nur ſelten noch das Theater beſuchen. Meine Mutter eiferte mich ſtets zum größten Fleiße an: »Be¬ nutze die koſtbare Zeit!« Sie erlaubte auch nie, daß ich mich bedienen ließ. Ich mußte mich ohne Hülfe friſiren, mich ſelbſt ankleiden, das Zimmer aufräumen, meine Kleider und Wäſche in Ordnung halten … und auf rebelliſche Fragen: »Aber, Mama, wozu iſt denn die Kammerjungfer da?« gab's die ernſte Antwort: »Kind, Du wirſt es mir ſpäter noch danken! — Je mehr Du lernſt, Dir ſelber zu helfen, deſto unabhängiger wirſt Du ſein und jede ſchwierige Lage leichter ertragen!« Ich lernte eifrig und wurde bald die Erſte in der Klaſſe. Auf dem Klavier übte ich mit leidenſchaftlicher Beharrlichkeit. Die Mutter hielt mir den beſten und theuerſten Klavierlehrer, Marx. Noch nicht 13 Jahre alt, ſpielte ich das D-moll-Konzert von Mozart mit Orcheſter¬ begleitung in einem Dilettantenconcert im Muſeumsſaal. Gern hätte ich mich ganz der Muſik gewidmet. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/33
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/33>, abgerufen am 21.11.2024.