dem gastspielenden Fremdling mir vor der Nase weg¬ kapern sehen. Ja, das that meinem siebenzehnjährigen kunstglühenden, ehrgeizigen Herzen bitter weh!
"Und nicht wahr, jetzt sehen Sie selber ein, daß ich Ihnen den theuren Schimmel nicht lassen konnte?" sagte Karoline Müller. "Ruhe ist die erste Bürger- -- Selbsterhaltung aber die erste Künstlerpflicht!"
"Nun, wenn auch gerade nicht die erste Künstlerpflicht -- so doch leider Gottes eine bittere Nothwendigkeit, wie ich seitdem auch schon erfahren habe", seufzte ich. "Ja, Vol¬ taire hat nicht so Unrecht, wenn er behauptet: Il faut pour reussir, qu'un artiste ait le diable au corps ..."
Ich wollte als "Suschen" debütiren, weil ich gerade in dieser Rolle so glänzende Erfolge hatte, sogar auf dem öden Exerzirplatz des Pester Theaters.
Nicht brillant genug für Wien -- keine Toiletten- Effekte!" sagte Karoline Müller bedenklich.
Ich sollte späterhin bereuen, ihrer Welt- und be¬ sonders Wien-Erfahrung nicht vertraut zu haben und meinem eigenen Kopfe gefolgt zu sein.
Einen interessanten Besuch glaubte ich bei Frau von Weißenthurn, deren allerliebsten Stücken ich als Pauline -- Baronin Waldhüll -- Julie in "Beschämte Eifersucht" u. s. w. so hübsche Erfolge verdankte, machen zu können. Sie wohnte in einer reizenden Villa vor den Thoren Wiens und lebte in sehr behaglichen, ja sogar glänzenden Verhältnissen. Eines Koblenzer Schauspielers Kind, hatte Veronika Grünberg mit ihren Geschwistern schon in den
dem gaſtſpielenden Fremdling mir vor der Naſe weg¬ kapern ſehen. Ja, das that meinem ſiebenzehnjährigen kunſtglühenden, ehrgeizigen Herzen bitter weh!
»Und nicht wahr, jetzt ſehen Sie ſelber ein, daß ich Ihnen den theuren Schimmel nicht laſſen konnte?« ſagte Karoline Müller. »Ruhe iſt die erſte Bürger- — Selbſterhaltung aber die erſte Künſtlerpflicht!«
»Nun, wenn auch gerade nicht die erſte Künſtlerpflicht — ſo doch leider Gottes eine bittere Nothwendigkeit, wie ich ſeitdem auch ſchon erfahren habe«, ſeufzte ich. »Ja, Vol¬ taire hat nicht ſo Unrecht, wenn er behauptet: Il faut pour réussir, qu'un artiste ait le diable au corps …«
Ich wollte als »Suſchen« debütiren, weil ich gerade in dieſer Rolle ſo glänzende Erfolge hatte, ſogar auf dem öden Exerzirplatz des Peſter Theaters.
Nicht brillant genug für Wien — keine Toiletten- Effekte!« ſagte Karoline Müller bedenklich.
Ich ſollte ſpäterhin bereuen, ihrer Welt- und be¬ ſonders Wien-Erfahrung nicht vertraut zu haben und meinem eigenen Kopfe gefolgt zu ſein.
Einen intereſſanten Beſuch glaubte ich bei Frau von Weißenthurn, deren allerliebſten Stücken ich als Pauline — Baronin Waldhüll — Julie in »Beſchämte Eiferſucht« u. ſ. w. ſo hübſche Erfolge verdankte, machen zu können. Sie wohnte in einer reizenden Villa vor den Thoren Wiens und lebte in ſehr behaglichen, ja ſogar glänzenden Verhältniſſen. Eines Koblenzer Schauſpielers Kind, hatte Veronika Grünberg mit ihren Geſchwiſtern ſchon in den
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dem gaſtſpielenden Fremdling mir vor der Naſe weg¬
kapern ſehen. Ja, das that meinem ſiebenzehnjährigen
kunſtglühenden, ehrgeizigen Herzen bitter weh!
»Und nicht wahr, jetzt ſehen Sie ſelber ein, daß
ich Ihnen den theuren Schimmel nicht laſſen konnte?«
ſagte Karoline Müller. »Ruhe iſt die erſte Bürger- —
Selbſterhaltung aber die erſte Künſtlerpflicht!«
»Nun, wenn auch gerade nicht die erſte Künſtlerpflicht
— ſo doch leider Gottes eine bittere Nothwendigkeit, wie
ich ſeitdem auch ſchon erfahren habe«, ſeufzte ich. »Ja, Vol¬
taire hat nicht ſo Unrecht, wenn er behauptet: Il faut
pour réussir, qu'un artiste ait le diable au corps …«
Ich wollte als »Suſchen« debütiren, weil ich gerade
in dieſer Rolle ſo glänzende Erfolge hatte, ſogar auf
dem öden Exerzirplatz des Peſter Theaters.
Nicht brillant genug für Wien — keine Toiletten-
Effekte!« ſagte Karoline Müller bedenklich.
Ich ſollte ſpäterhin bereuen, ihrer Welt- und be¬
ſonders Wien-Erfahrung nicht vertraut zu haben und
meinem eigenen Kopfe gefolgt zu ſein.
Einen intereſſanten Beſuch glaubte ich bei Frau von
Weißenthurn, deren allerliebſten Stücken ich als Pauline
— Baronin Waldhüll — Julie in »Beſchämte Eiferſucht«
u. ſ. w. ſo hübſche Erfolge verdankte, machen zu können.
Sie wohnte in einer reizenden Villa vor den Thoren
Wiens und lebte in ſehr behaglichen, ja ſogar glänzenden
Verhältniſſen. Eines Koblenzer Schauſpielers Kind, hatte
Veronika Grünberg mit ihren Geſchwiſtern ſchon in den
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/332>, abgerufen am 22.11.2024.
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