-- es sei ihm heut wie ein lachender Frühlingstag aus seiner schönen, goldenen Jugendzeit gewesen ... da stimm¬ ten die verstaubten, verschollenen Schatten ganz herzhaft laut mit ein.
"Welch' ein glücklicher, sonniger Lebensabend!" -- sagte Maltitz beim Nachhausegehen ... "Wer doch auch mit so klarem, friedlichen Auge -- lächelnd schon auf den nahen Sonnenuntergang warten dürfte! Tiedge hat bald überwunden -- aber wir? Gott weiß, welche Kämpfe und Stürme uns noch beschieden sind! Sie Glückliche, der es so leicht wurde, dort im Spätherbst fröhlich klingenden, duftig blühenden, sonnigen Frühling hervor¬ zuzaubern und selbst den Mumien Leben und Herzen einzuhauchen! Möge auch Ihnen -- auch uns dereinst, wenn's still und einsam um uns geworden ist, die Jugend -- die frohe, lachende, strahlende Jugend nicht fehlen, die uns versteht und -- für uns ein wenig liebenswürdig sein will ... Wir wollen noch oft zu Tiedge hinaus¬ gehen ... Und wenn Sie zuletzt noch allein übrig ge¬ blieben sind dann lassen Sie in Ihrem Abendtraum auch ein freundlich Bild vorübergleiten von dem armen, närrischen Maltitz und von dieser Minute auf der Dres¬ dener Elbbrücke ..."
Und noch oft sind wir mit einander hinausgewandert über die Elbbrücke in das Haus von Tiedge ... "Sie kommen, wie das Mädchen aus der Fremde!" -- sagte der liebenswürdige Greis scherzend. -- Nach drei Jahren ging ich den Weg allein. Maltitz war gestorben, kaum
— es ſei ihm heut wie ein lachender Frühlingstag aus ſeiner ſchönen, goldenen Jugendzeit geweſen … da ſtimm¬ ten die verſtaubten, verſchollenen Schatten ganz herzhaft laut mit ein.
»Welch' ein glücklicher, ſonniger Lebensabend!« — ſagte Maltitz beim Nachhauſegehen … »Wer doch auch mit ſo klarem, friedlichen Auge — lächelnd ſchon auf den nahen Sonnenuntergang warten dürfte! Tiedge hat bald überwunden — aber wir? Gott weiß, welche Kämpfe und Stürme uns noch beſchieden ſind! Sie Glückliche, der es ſo leicht wurde, dort im Spätherbſt fröhlich klingenden, duftig blühenden, ſonnigen Frühling hervor¬ zuzaubern und ſelbſt den Mumien Leben und Herzen einzuhauchen! Möge auch Ihnen — auch uns dereinſt, wenn's ſtill und einſam um uns geworden iſt, die Jugend — die frohe, lachende, ſtrahlende Jugend nicht fehlen, die uns verſteht und — für uns ein wenig liebenswürdig ſein will … Wir wollen noch oft zu Tiedge hinaus¬ gehen … Und wenn Sie zuletzt noch allein übrig ge¬ blieben ſind dann laſſen Sie in Ihrem Abendtraum auch ein freundlich Bild vorübergleiten von dem armen, närriſchen Maltitz und von dieſer Minute auf der Dres¬ dener Elbbrücke …«
Und noch oft ſind wir mit einander hinausgewandert über die Elbbrücke in das Haus von Tiedge … »Sie kommen, wie das Mädchen aus der Fremde!« — ſagte der liebenswürdige Greis ſcherzend. — Nach drei Jahren ging ich den Weg allein. Maltitz war geſtorben, kaum
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— es ſei ihm heut wie ein lachender Frühlingstag aus
ſeiner ſchönen, goldenen Jugendzeit geweſen … da ſtimm¬
ten die verſtaubten, verſchollenen Schatten ganz herzhaft
laut mit ein.
»Welch' ein glücklicher, ſonniger Lebensabend!« —
ſagte Maltitz beim Nachhauſegehen … »Wer doch auch
mit ſo klarem, friedlichen Auge — lächelnd ſchon auf
den nahen Sonnenuntergang warten dürfte! Tiedge hat
bald überwunden — aber wir? Gott weiß, welche Kämpfe
und Stürme uns noch beſchieden ſind! Sie Glückliche,
der es ſo leicht wurde, dort im Spätherbſt fröhlich
klingenden, duftig blühenden, ſonnigen Frühling hervor¬
zuzaubern und ſelbſt den Mumien Leben und Herzen
einzuhauchen! Möge auch Ihnen — auch uns dereinſt,
wenn's ſtill und einſam um uns geworden iſt, die Jugend
— die frohe, lachende, ſtrahlende Jugend nicht fehlen,
die uns verſteht und — für uns ein wenig liebenswürdig
ſein will … Wir wollen noch oft zu Tiedge hinaus¬
gehen … Und wenn Sie zuletzt noch allein übrig ge¬
blieben ſind dann laſſen Sie in Ihrem Abendtraum
auch ein freundlich Bild vorübergleiten von dem armen,
närriſchen Maltitz und von dieſer Minute auf der Dres¬
dener Elbbrücke …«
Und noch oft ſind wir mit einander hinausgewandert
über die Elbbrücke in das Haus von Tiedge … »Sie
kommen, wie das Mädchen aus der Fremde!« — ſagte
der liebenswürdige Greis ſcherzend. — Nach drei Jahren
ging ich den Weg allein. Maltitz war geſtorben, kaum
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/388>, abgerufen am 22.11.2024.
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