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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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gefügt, ihm mit Aufopferung ihres Vermögens jeden
Wunsch seiner kostspieligen Bücherliebhaberei zu erfüllen
gesucht und ihn -- o Wunder! -- sicher zehntausendmal
vorlesen gehört -- ja, was noch mehr sagen will: hundert¬
mal gehörte Shakespeares und Spanier mit gleichem Ent¬
zücken, mit verklärtem Gesicht, mit sprudelndem Enthu¬
siasmus!

Ich sprach einst mit Amalie Wolff, die zum Besuch
zu Verdys, ihren werthen Kollegen aus der alten glänzen¬
den Blüthezeit des Weimarischen Theaters unter Goethe's
Sonne, nach Dresden gekommen war und eine -- nur
eine einzige Shakespeare-Vorlesung bei Tieck mit angehört
hatte. Ich fand die liebe Berliner Freundin am andern
Morgen über Nervenkopfweh klagend auf dem Sopha
liegen. In ihrer humoristischen Art schilderte sie mir
ihre verbissenen Gähnkrämpfe, unterdrückten Nerven¬
zuckungen während Tieck's Vorlesung von Richard III ...
"Er liest ja meisterhaft vor, wie kein anderer Sterb¬
licher, entzückend schön -- aber eine Tantalusqual bleibt's
doch, in dieser Backofenhitze drei Stunden lang wie eine
egyptische Sphinx dasitzen zu müssen vor diesen beiden
müden Wachslichten, sich nicht rühren, nicht zucken, nicht
räuspern, nicht gähnen, ja nicht einmal ein wenig
schlafen zu dürfen, denn diese schreckliche Mumie von
Gräfin beobachtete unter ihrem grünen Augenschirm
hervor jeden beglückten Zuhörer mit Argusaugen, ob er
sich auch nicht ein Kapitalverbrechen gegen ihren Abgott
zu Schulden kommen ließ -- ich glaube, kein Schlummer¬

gefügt, ihm mit Aufopferung ihres Vermögens jeden
Wunſch ſeiner koſtſpieligen Bücherliebhaberei zu erfüllen
geſucht und ihn — o Wunder! — ſicher zehntauſendmal
vorleſen gehört — ja, was noch mehr ſagen will: hundert¬
mal gehörte Shakeſpeares und Spanier mit gleichem Ent¬
zücken, mit verklärtem Geſicht, mit ſprudelndem Enthu¬
ſiasmus!

Ich ſprach einſt mit Amalie Wolff, die zum Beſuch
zu Verdys, ihren werthen Kollegen aus der alten glänzen¬
den Blüthezeit des Weimariſchen Theaters unter Goethe's
Sonne, nach Dresden gekommen war und eine — nur
eine einzige Shakeſpeare-Vorleſung bei Tieck mit angehört
hatte. Ich fand die liebe Berliner Freundin am andern
Morgen über Nervenkopfweh klagend auf dem Sopha
liegen. In ihrer humoriſtiſchen Art ſchilderte ſie mir
ihre verbiſſenen Gähnkrämpfe, unterdrückten Nerven¬
zuckungen während Tieck's Vorleſung von Richard III
»Er lieſt ja meiſterhaft vor, wie kein anderer Sterb¬
licher, entzückend ſchön — aber eine Tantalusqual bleibt's
doch, in dieſer Backofenhitze drei Stunden lang wie eine
egyptiſche Sphinx daſitzen zu müſſen vor dieſen beiden
müden Wachslichten, ſich nicht rühren, nicht zucken, nicht
räuſpern, nicht gähnen, ja nicht einmal ein wenig
ſchlafen zu dürfen, denn dieſe ſchreckliche Mumie von
Gräfin beobachtete unter ihrem grünen Augenſchirm
hervor jeden beglückten Zuhörer mit Argusaugen, ob er
ſich auch nicht ein Kapitalverbrechen gegen ihren Abgott
zu Schulden kommen ließ — ich glaube, kein Schlummer¬

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[395/0423] gefügt, ihm mit Aufopferung ihres Vermögens jeden Wunſch ſeiner koſtſpieligen Bücherliebhaberei zu erfüllen geſucht und ihn — o Wunder! — ſicher zehntauſendmal vorleſen gehört — ja, was noch mehr ſagen will: hundert¬ mal gehörte Shakeſpeares und Spanier mit gleichem Ent¬ zücken, mit verklärtem Geſicht, mit ſprudelndem Enthu¬ ſiasmus! Ich ſprach einſt mit Amalie Wolff, die zum Beſuch zu Verdys, ihren werthen Kollegen aus der alten glänzen¬ den Blüthezeit des Weimariſchen Theaters unter Goethe's Sonne, nach Dresden gekommen war und eine — nur eine einzige Shakeſpeare-Vorleſung bei Tieck mit angehört hatte. Ich fand die liebe Berliner Freundin am andern Morgen über Nervenkopfweh klagend auf dem Sopha liegen. In ihrer humoriſtiſchen Art ſchilderte ſie mir ihre verbiſſenen Gähnkrämpfe, unterdrückten Nerven¬ zuckungen während Tieck's Vorleſung von Richard III … »Er lieſt ja meiſterhaft vor, wie kein anderer Sterb¬ licher, entzückend ſchön — aber eine Tantalusqual bleibt's doch, in dieſer Backofenhitze drei Stunden lang wie eine egyptiſche Sphinx daſitzen zu müſſen vor dieſen beiden müden Wachslichten, ſich nicht rühren, nicht zucken, nicht räuſpern, nicht gähnen, ja nicht einmal ein wenig ſchlafen zu dürfen, denn dieſe ſchreckliche Mumie von Gräfin beobachtete unter ihrem grünen Augenſchirm hervor jeden beglückten Zuhörer mit Argusaugen, ob er ſich auch nicht ein Kapitalverbrechen gegen ihren Abgott zu Schulden kommen ließ — ich glaube, kein Schlummer¬

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/423>, abgerufen am 22.11.2024.