rinnen. Mich aber interessirte sogleich ein Tänzer mit geistvollem südlich dunklen Gesicht, blitzenden Augen und sehr beweglichen Zügen, der die graziöse Wirthin mit einem Feuer schwenkte, daß seine dunklen Locken sich bäumten. Es war der Dichter des "Nußbaums" und des "Liedes vom Ritter Wahn" -- Julius Mosen, da¬ mals 35 Jahre alt.
Er ließ sich mir vorstellen und wir tanzten viel, plauderten aber noch mehr mit einander. Ich fühlte mich bald ungemein durch die seltene Vereinigung von Geist, Gemüth und Begeisterung für seine poetischen Aufgaben, sowie durch seine rührende Bescheidenheit zu dem Dichter hingezogen. Mosen sagte mir, daß er näch¬ stens der Intendanz ein neues Trauerspiel einreichen werde: "Die Bräute von Florenz", in dem er für Emil Devrient den Helden, für Fräulein Berg und mich die "Bräute" geschrieben habe. "Sie aber müssen leider an Gift sterben!" fügte er lächelnd hinzu. Ich versprach ihm heiter, dies auf's Rührendste und Beste zu besorgen. Wir konnten um so ungezwungener mit einander plau¬ dern und scherzen, da Mosen damals schon für's Leben gewählt hatte: -- ein liebenswürdiges, sanftes und geist¬ volles Mädchen, das bald darauf seine Frau wurde. Wir schieden wie gute alte Bekannte, denn bei aller Un¬ ruhe und Leidenschaftlichkeit seines Wesens hatte der Dichter doch etwas ungemein Vertrauenerweckendes und aus seinen Worten und aus seinen Zügen schimmerte ein edles, kindlich heiteres Herz.
rinnen. Mich aber intereſſirte ſogleich ein Tänzer mit geiſtvollem ſüdlich dunklen Geſicht, blitzenden Augen und ſehr beweglichen Zügen, der die graziöſe Wirthin mit einem Feuer ſchwenkte, daß ſeine dunklen Locken ſich bäumten. Es war der Dichter des »Nußbaums« und des »Liedes vom Ritter Wahn« — Julius Moſen, da¬ mals 35 Jahre alt.
Er ließ ſich mir vorſtellen und wir tanzten viel, plauderten aber noch mehr mit einander. Ich fühlte mich bald ungemein durch die ſeltene Vereinigung von Geiſt, Gemüth und Begeiſterung für ſeine poetiſchen Aufgaben, ſowie durch ſeine rührende Beſcheidenheit zu dem Dichter hingezogen. Moſen ſagte mir, daß er näch¬ ſtens der Intendanz ein neues Trauerſpiel einreichen werde: »Die Bräute von Florenz«, in dem er für Emil Devrient den Helden, für Fräulein Berg und mich die »Bräute« geſchrieben habe. »Sie aber müſſen leider an Gift ſterben!« fügte er lächelnd hinzu. Ich verſprach ihm heiter, dies auf's Rührendſte und Beſte zu beſorgen. Wir konnten um ſo ungezwungener mit einander plau¬ dern und ſcherzen, da Moſen damals ſchon für's Leben gewählt hatte: — ein liebenswürdiges, ſanftes und geiſt¬ volles Mädchen, das bald darauf ſeine Frau wurde. Wir ſchieden wie gute alte Bekannte, denn bei aller Un¬ ruhe und Leidenſchaftlichkeit ſeines Weſens hatte der Dichter doch etwas ungemein Vertrauenerweckendes und aus ſeinen Worten und aus ſeinen Zügen ſchimmerte ein edles, kindlich heiteres Herz.
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rinnen. Mich aber intereſſirte ſogleich ein Tänzer mit
geiſtvollem ſüdlich dunklen Geſicht, blitzenden Augen und
ſehr beweglichen Zügen, der die graziöſe Wirthin mit
einem Feuer ſchwenkte, daß ſeine dunklen Locken ſich
bäumten. Es war der Dichter des »Nußbaums« und
des »Liedes vom Ritter Wahn« — Julius Moſen, da¬
mals 35 Jahre alt.
Er ließ ſich mir vorſtellen und wir tanzten viel,
plauderten aber noch mehr mit einander. Ich fühlte
mich bald ungemein durch die ſeltene Vereinigung von
Geiſt, Gemüth und Begeiſterung für ſeine poetiſchen
Aufgaben, ſowie durch ſeine rührende Beſcheidenheit zu
dem Dichter hingezogen. Moſen ſagte mir, daß er näch¬
ſtens der Intendanz ein neues Trauerſpiel einreichen
werde: »Die Bräute von Florenz«, in dem er für Emil
Devrient den Helden, für Fräulein Berg und mich die
»Bräute« geſchrieben habe. »Sie aber müſſen leider an
Gift ſterben!« fügte er lächelnd hinzu. Ich verſprach
ihm heiter, dies auf's Rührendſte und Beſte zu beſorgen.
Wir konnten um ſo ungezwungener mit einander plau¬
dern und ſcherzen, da Moſen damals ſchon für's Leben
gewählt hatte: — ein liebenswürdiges, ſanftes und geiſt¬
volles Mädchen, das bald darauf ſeine Frau wurde.
Wir ſchieden wie gute alte Bekannte, denn bei aller Un¬
ruhe und Leidenſchaftlichkeit ſeines Weſens hatte der
Dichter doch etwas ungemein Vertrauenerweckendes und
aus ſeinen Worten und aus ſeinen Zügen ſchimmerte
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/488>, abgerufen am 22.11.2024.
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