dastehen sah, schluckte ich erst das Grausen und hernach das höllische Kosackengebräu hinunter -- und am Abend sang ich als Preciosa meines theuren Pius Alexander Wolff's schwärmerische Worte:
Einsam bin ich nicht alleine, Denn es schwebt ja süß und mild Um mich her beim Mondenscheine Dein geliebtes, theures Bild!
-- mit klarer, talgglatter Stimme den guten Rigaern zu. -- "Sie sehen, Doktorchen, ich vermag das Meinige zu thun, nun thun Sie das Ihrige!"
Und der Doktor bepinselte mir den Arm und wickelte ihn in Watte, so daß Elisabeth von Hessen ihn wirklich am andern Abend zu einigen fürstlichen Gesten gebrauchen konnte. Der gute Dichter und die Dresdener ahnten aber nicht, welche glühenden, stechenden Schmerzen mich jede dieser Gesten kostete.
Noch Eins knüpfte das Freundschaftsband zwischen Julius Mosen und mir fester -- das war unsere ge¬ meinsame Verehrung für die Großherzogin Cäcilie von Oldenburg. Ich mußte dem Dichter und seiner Gattin oft von meinen Begegnungen mit der schönen und liebens¬ würdigen Fürstin erzählen:
"Es war im Januar 1814. Ich war 61/2 Jahr alt. Eine Freundin meiner Mutter hatte mich von Bruchsal auf einige Wochen zu sich nach Karlsruhe eingeladen, um mit ihrem Töchterchen bei dem Tanzmeister Richard die Tänze a la mode einzuüben. Des guten Tanzmeisters
daſtehen ſah, ſchluckte ich erſt das Grauſen und hernach das hölliſche Koſackengebräu hinunter — und am Abend ſang ich als Precioſa meines theuren Pius Alexander Wolff's ſchwärmeriſche Worte:
Einſam bin ich nicht alleine, Denn es ſchwebt ja ſüß und mild Um mich her beim Mondenſcheine Dein geliebtes, theures Bild!
— mit klarer, talgglatter Stimme den guten Rigaern zu. — »Sie ſehen, Doktorchen, ich vermag das Meinige zu thun, nun thun Sie das Ihrige!«
Und der Doktor bepinſelte mir den Arm und wickelte ihn in Watte, ſo daß Eliſabeth von Heſſen ihn wirklich am andern Abend zu einigen fürſtlichen Geſten gebrauchen konnte. Der gute Dichter und die Dresdener ahnten aber nicht, welche glühenden, ſtechenden Schmerzen mich jede dieſer Geſten koſtete.
Noch Eins knüpfte das Freundſchaftsband zwiſchen Julius Moſen und mir feſter — das war unſere ge¬ meinſame Verehrung für die Großherzogin Cäcilie von Oldenburg. Ich mußte dem Dichter und ſeiner Gattin oft von meinen Begegnungen mit der ſchönen und liebens¬ würdigen Fürſtin erzählen:
»Es war im Januar 1814. Ich war 6½ Jahr alt. Eine Freundin meiner Mutter hatte mich von Bruchſal auf einige Wochen zu ſich nach Karlsruhe eingeladen, um mit ihrem Töchterchen bei dem Tanzmeiſter Richard die Tänze à la mode einzuüben. Des guten Tanzmeiſters
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daſtehen ſah, ſchluckte ich erſt das Grauſen und hernach
das hölliſche Koſackengebräu hinunter — und am Abend
ſang ich als Precioſa meines theuren Pius Alexander
Wolff's ſchwärmeriſche Worte:
Einſam bin ich nicht alleine,
Denn es ſchwebt ja ſüß und mild
Um mich her beim Mondenſcheine
Dein geliebtes, theures Bild!
— mit klarer, talgglatter Stimme den guten Rigaern
zu. — »Sie ſehen, Doktorchen, ich vermag das Meinige
zu thun, nun thun Sie das Ihrige!«
Und der Doktor bepinſelte mir den Arm und wickelte
ihn in Watte, ſo daß Eliſabeth von Heſſen ihn wirklich
am andern Abend zu einigen fürſtlichen Geſten gebrauchen
konnte. Der gute Dichter und die Dresdener ahnten
aber nicht, welche glühenden, ſtechenden Schmerzen mich
jede dieſer Geſten koſtete.
Noch Eins knüpfte das Freundſchaftsband zwiſchen
Julius Moſen und mir feſter — das war unſere ge¬
meinſame Verehrung für die Großherzogin Cäcilie von
Oldenburg. Ich mußte dem Dichter und ſeiner Gattin
oft von meinen Begegnungen mit der ſchönen und liebens¬
würdigen Fürſtin erzählen:
»Es war im Januar 1814. Ich war 6½ Jahr alt.
Eine Freundin meiner Mutter hatte mich von Bruchſal
auf einige Wochen zu ſich nach Karlsruhe eingeladen, um
mit ihrem Töchterchen bei dem Tanzmeiſter Richard die
Tänze à la mode einzuüben. Des guten Tanzmeiſters
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/492>, abgerufen am 22.11.2024.
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