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Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681.

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Die XLIV. Laster-Predigt/
solches Laster/ da ein Mensch sich den Geitz also einnemmen und überwinden
lasst/ daß er all sein Thun und Lassen/ mit Rath und That allein dahin richtet/
damit er für sich selbsten einen profit und Gewinn habe/ mit Hindansetzung
deß gemeinen Nutzens/ und Vervortheilung seines Nechsten. Solchen ei-
genen Nutzen suchen ihrer viel/ wann sie anderen rathen sollen/ steht in unserem
Text/ sie dencken ihnen selbs zu rathen/ und nicht dir/ lieber Mensch/ sie wollen
dichs wagen lassen/ sagt Syrach/ und mercken wie es gerathen wolle/ sehen aber
allezeit/ daß sie selbst den besten Rogen ziehen. Die Weimarische Gloß sagt:
Sie nemmen allein ihrer Schantz war/ und suchen darunter ihren Vortheil.
Aber das heisst untreulich gerathen und gehandelt/ darum hüte dich vor solchen
Räthen/ glaub und folge ihnen nicht so leichtlich/ dann etliche rathen auf ihren
eygen Nutzen.

Lehr.
Eigen Nutz
zu fliehen/
weil der istwider:
Lehr.

ALlhie haben wir nun wieder von einem andern Laster/ so eigentlich auf
den Lasterhafften Menschen sihet und gehet/ zu reden/ nemlich von dem
Eygen-Nutzen/ daß ein jeder Christ sich davor hüten solle/ und das um
nachfolgender 5. Ursachen willen.

I.
GOttes
Wort.

Dann I. ist der Eigen-Nutz wider Gottes Wort/ dasselbe will zwar
daß ein jeder sich selber soll in acht nemmen/ wie Paulus sagt/ Sihe auf dich
selbs. Galat. 6. Aber das soll geschehen ohne Vervortheilung deß Nechsten/
dann da GOtt den Menschen geschaffen/ befahl er einem jeglichen seinen
Nechsten/ sagt Syr. 17. Darum sagt Paulus auch: Niemand suche was
sein ist/ sondern ein jeglicher was deß ande en ist. 1. Cor. 10. Und wiederum fast
mit gleichen Worten: Ein jeglicher sehe nicht auf das seine/ sondern auf das/
das deß andern ist. Phil. 2. Als wolt er sagen/ es will sich nicht gebühren/ daß
ein Christ nur seinen eygenen Nutzen suche/ nicht deß Nechsten Vervorthei-
lung und Schaden/ sonde[r]n wie wir auf uns selbsten pflegen zu sehen/ also sol-
len wir auch auf unseren Nechsten sehen/ sollen anderer Leut Nutzen nicht we-
niger bedencken/ als unsern eygnen Nutzen/ damit sie auch neben uns hinkom-
men mögen/ dann das ander Gebott/ das dem fürnemsten und grösten Gebott
gleich ist/ heist: Du solt deinen Nechsten lieben als dich selbs. Matth. 22.

II.
Christliche
Liebe.

II. Jst der Eygen-Nutz wider die Christliche Liebe. S. Paulus
in Beschreibung der Christlichen Liebe und deren Eigenschafften/ setzt unter an-
derem auch dieses Sprüchlein: Die Liebe suchet nicht das ihre/ 1. Cor. 13. Das
ist/ sie suchet nicht ihren/ sondern vielmehr deß Nechsten Nutzen/ denselben zu
befürdern/ die Liebe ergtbt sich dem Nechsten gantz zu eygen/ und trachtet deßwe-
gen vielmehr darnach/ daß dem Nechsten gedienet werde/ als daß sie ihren eyg-
nen Nutzen mit deß Nechsten Schaden suchen solte. Ja die Christliche Lie-
be suchet so gar nicht das ihre mit deß Nechsten Verlust/ daß sie auch bereit ist/

ehe

Die XLIV. Laſter-Predigt/
ſolches Laſter/ da ein Menſch ſich den Geitz alſo einnemmen und uͤberwinden
laſſt/ daß er all ſein Thun und Laſſen/ mit Rath und That allein dahin richtet/
damit er fuͤr ſich ſelbſten einen profit und Gewinn habe/ mit Hindanſetzung
deß gemeinen Nutzens/ und Vervortheilung ſeines Nechſten. Solchen ei-
genen Nutzen ſuchen ihrer viel/ wann ſie anderen rathen ſollen/ ſteht in unſerem
Text/ ſie dencken ihnen ſelbs zu rathen/ und nicht dir/ lieber Menſch/ ſie wollen
dichs wagen laſſen/ ſagt Syrach/ und mercken wie es gerathen wolle/ ſehen aber
allezeit/ daß ſie ſelbſt den beſten Rogen ziehen. Die Weimariſche Gloß ſagt:
Sie nemmen allein ihrer Schantz war/ und ſuchen darunter ihren Vortheil.
Aber das heiſſt untreulich gerathen und gehandelt/ darum huͤte dich vor ſolchen
Raͤthen/ glaub und folge ihnen nicht ſo leichtlich/ dann etliche rathen auf ihren
eygen Nutzen.

Lehr.
Eigen Nutz
zu fliehen/
weil der iſtwider:
Lehr.

ALlhie haben wir nun wieder von einem andern Laſter/ ſo eigentlich auf
den Laſterhafften Menſchen ſihet und gehet/ zu reden/ nemlich von dem
Eygen-Nutzen/ daß ein jeder Chriſt ſich davor huͤten ſolle/ und das um
nachfolgender 5. Urſachen willen.

I.
GOttes
Wort.

Dann I. iſt der Eigen-Nutz wider Gottes Wort/ daſſelbe will zwar
daß ein jeder ſich ſelber ſoll in acht nemmen/ wie Paulus ſagt/ Sihe auf dich
ſelbs. Galat. 6. Aber das ſoll geſchehen ohne Vervortheilung deß Nechſten/
dann da GOtt den Menſchen geſchaffen/ befahl er einem jeglichen ſeinen
Nechſten/ ſagt Syr. 17. Darum ſagt Paulus auch: Niemand ſuche was
ſein iſt/ ſondern ein jeglicher was deß ande en iſt. 1. Cor. 10. Und wiederum faſt
mit gleichen Worten: Ein jeglicher ſehe nicht auf das ſeine/ ſondern auf das/
das deß andern iſt. Phil. 2. Als wolt er ſagen/ es will ſich nicht gebuͤhren/ daß
ein Chriſt nur ſeinen eygenen Nutzen ſuche/ nicht deß Nechſten Vervorthei-
lung und Schaden/ ſonde[r]n wie wir auf uns ſelbſten pflegen zu ſehen/ alſo ſol-
len wir auch auf unſeren Nechſten ſehen/ ſollen anderer Leut Nutzen nicht we-
niger bedencken/ als unſern eygnen Nutzen/ damit ſie auch neben uns hinkom-
men moͤgen/ dann das ander Gebott/ das dem fuͤrnemſten und groͤſten Gebott
gleich iſt/ heiſt: Du ſolt deinen Nechſten lieben als dich ſelbs. Matth. 22.

II.
Chriſtliche
Liebe.

II. Jſt der Eygen-Nutz wider die Chriſtliche Liebe. S. Paulus
in Beſchreibung der Chriſtlichen Liebe und deren Eigenſchafften/ ſetzt unter an-
derem auch dieſes Spruͤchlein: Die Liebe ſuchet nicht das ihre/ 1. Cor. 13. Das
iſt/ ſie ſuchet nicht ihren/ ſondern vielmehr deß Nechſten Nutzen/ denſelben zu
befuͤrdern/ die Liebe ergtbt ſich dem Nechſten gantz zu eygen/ und trachtet deßwe-
gen vielmehr darnach/ daß dem Nechſten gedienet werde/ als daß ſie ihren eyg-
nen Nutzen mit deß Nechſten Schaden ſuchen ſolte. Ja die Chriſtliche Lie-
be ſuchet ſo gar nicht das ihre mit deß Nechſten Verluſt/ daß ſie auch bereit iſt/

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[402/0472] Die XLIV. Laſter-Predigt/ ſolches Laſter/ da ein Menſch ſich den Geitz alſo einnemmen und uͤberwinden laſſt/ daß er all ſein Thun und Laſſen/ mit Rath und That allein dahin richtet/ damit er fuͤr ſich ſelbſten einen profit und Gewinn habe/ mit Hindanſetzung deß gemeinen Nutzens/ und Vervortheilung ſeines Nechſten. Solchen ei- genen Nutzen ſuchen ihrer viel/ wann ſie anderen rathen ſollen/ ſteht in unſerem Text/ ſie dencken ihnen ſelbs zu rathen/ und nicht dir/ lieber Menſch/ ſie wollen dichs wagen laſſen/ ſagt Syrach/ und mercken wie es gerathen wolle/ ſehen aber allezeit/ daß ſie ſelbſt den beſten Rogen ziehen. Die Weimariſche Gloß ſagt: Sie nemmen allein ihrer Schantz war/ und ſuchen darunter ihren Vortheil. Aber das heiſſt untreulich gerathen und gehandelt/ darum huͤte dich vor ſolchen Raͤthen/ glaub und folge ihnen nicht ſo leichtlich/ dann etliche rathen auf ihren eygen Nutzen. Lehr. ALlhie haben wir nun wieder von einem andern Laſter/ ſo eigentlich auf den Laſterhafften Menſchen ſihet und gehet/ zu reden/ nemlich von dem Eygen-Nutzen/ daß ein jeder Chriſt ſich davor huͤten ſolle/ und das um nachfolgender 5. Urſachen willen. Dann I. iſt der Eigen-Nutz wider Gottes Wort/ daſſelbe will zwar daß ein jeder ſich ſelber ſoll in acht nemmen/ wie Paulus ſagt/ Sihe auf dich ſelbs. Galat. 6. Aber das ſoll geſchehen ohne Vervortheilung deß Nechſten/ dann da GOtt den Menſchen geſchaffen/ befahl er einem jeglichen ſeinen Nechſten/ ſagt Syr. 17. Darum ſagt Paulus auch: Niemand ſuche was ſein iſt/ ſondern ein jeglicher was deß ande en iſt. 1. Cor. 10. Und wiederum faſt mit gleichen Worten: Ein jeglicher ſehe nicht auf das ſeine/ ſondern auf das/ das deß andern iſt. Phil. 2. Als wolt er ſagen/ es will ſich nicht gebuͤhren/ daß ein Chriſt nur ſeinen eygenen Nutzen ſuche/ nicht deß Nechſten Vervorthei- lung und Schaden/ ſondern wie wir auf uns ſelbſten pflegen zu ſehen/ alſo ſol- len wir auch auf unſeren Nechſten ſehen/ ſollen anderer Leut Nutzen nicht we- niger bedencken/ als unſern eygnen Nutzen/ damit ſie auch neben uns hinkom- men moͤgen/ dann das ander Gebott/ das dem fuͤrnemſten und groͤſten Gebott gleich iſt/ heiſt: Du ſolt deinen Nechſten lieben als dich ſelbs. Matth. 22. II. Jſt der Eygen-Nutz wider die Chriſtliche Liebe. S. Paulus in Beſchreibung der Chriſtlichen Liebe und deren Eigenſchafften/ ſetzt unter an- derem auch dieſes Spruͤchlein: Die Liebe ſuchet nicht das ihre/ 1. Cor. 13. Das iſt/ ſie ſuchet nicht ihren/ ſondern vielmehr deß Nechſten Nutzen/ denſelben zu befuͤrdern/ die Liebe ergtbt ſich dem Nechſten gantz zu eygen/ und trachtet deßwe- gen vielmehr darnach/ daß dem Nechſten gedienet werde/ als daß ſie ihren eyg- nen Nutzen mit deß Nechſten Schaden ſuchen ſolte. Ja die Chriſtliche Lie- be ſuchet ſo gar nicht das ihre mit deß Nechſten Verluſt/ daß ſie auch bereit iſt/ ehe

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Zitationshilfe: Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681. , S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauller_lasterspiegel_1681/472>, abgerufen am 22.11.2024.