Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite
pba_097.001
Nährten seine Jugend pba_097.002
Gute Geister pba_097.003
Zwischen Klippen im Gebüsch.

pba_097.004
Die sonnigen Kindertage des begünstigten Genius -- und warum pba_097.005
nicht des Dichters eigene? -- und zugleich der Hinweis auf seinen geheimnisvollen pba_097.006
Ursprung, von welchem dem menschlichen Auge denn doch pba_097.007
soviel sich entdeckt, daß besondere und durch Generationen vererbte pba_097.008
Güte und Trefflichkeit um seine Wiege stehen und "seine Jugend pba_097.009
nähren" mußte!

pba_097.010
Jünglingfrisch pba_097.011
Tanzt er aus der Wolke pba_097.012
Auf die Marmorfelsen nieder, pba_097.013
Jauchzet wieder pba_097.014
Nach dem Himmel. pba_097.015
Durch die Gipfelgänge pba_097.016
Jagt er bunten Kieseln nach, pba_097.017
Und mit frühem Führertritt pba_097.018
Reißt er seine Bruderquellen pba_097.019
Mit sich fort.

pba_097.020
Jn den Knabenspielen überall die freudig emporstrebende Flamme pba_097.021
einer üppig reichen, aber immer dem Höchsten zugewandten Phantasie pba_097.022
und damit die angeborene Führerschaft über die Genossen, in denen er pba_097.023
ähnliche Bestrebungen weckt, die ohne ihn doch kraftlos stocken und versiegen pba_097.024
würden!

pba_097.025
Drunten werden in dem Thal pba_097.026
Unter seinem Fußtritt Blumen, pba_097.027
Und die Wiese pba_097.028
Lebt von seinem Hauch.

pba_097.029
Es klingt wie die Signatur seiner poesievollen Jünglingsjahre, der pba_097.030
Leipziger, Frankfurter und ersten Straßburger Zeit! Nun ist er in das pba_097.031
breitere Leben getreten, und wie ist da jede, auch nur flüchtige Beziehung, pba_097.032
in die er eintrat, bezeichnet durch das Emporsprießen der reizvollsten pba_097.033
Blüten der Poesie, die "unter seinem Fußtritt wurden", und pba_097.034
wie "lebt" alles, was er damals berührte, unsterblich fort, durch seinen pba_097.035
Hauch geadelt!

pba_097.036
Doch ihn hält kein Schattenthal, pba_097.037
Keine Blumen, pba_097.038
Die ihm seine Knie umschlingen, pba_097.039
Jhm mit Liebesaugen schmeicheln; pba_097.040
Nach der Eb'ne dringt sein Lauf pba_097.041
Schlangenwandelnd.
pba_097.001
Nährten seine Jugend pba_097.002
Gute Geister pba_097.003
Zwischen Klippen im Gebüsch.

pba_097.004
Die sonnigen Kindertage des begünstigten Genius — und warum pba_097.005
nicht des Dichters eigene? — und zugleich der Hinweis auf seinen geheimnisvollen pba_097.006
Ursprung, von welchem dem menschlichen Auge denn doch pba_097.007
soviel sich entdeckt, daß besondere und durch Generationen vererbte pba_097.008
Güte und Trefflichkeit um seine Wiege stehen und „seine Jugend pba_097.009
nähren“ mußte!

pba_097.010
Jünglingfrisch pba_097.011
Tanzt er aus der Wolke pba_097.012
Auf die Marmorfelsen nieder, pba_097.013
Jauchzet wieder pba_097.014
Nach dem Himmel. pba_097.015
Durch die Gipfelgänge pba_097.016
Jagt er bunten Kieseln nach, pba_097.017
Und mit frühem Führertritt pba_097.018
Reißt er seine Bruderquellen pba_097.019
Mit sich fort.

pba_097.020
Jn den Knabenspielen überall die freudig emporstrebende Flamme pba_097.021
einer üppig reichen, aber immer dem Höchsten zugewandten Phantasie pba_097.022
und damit die angeborene Führerschaft über die Genossen, in denen er pba_097.023
ähnliche Bestrebungen weckt, die ohne ihn doch kraftlos stocken und versiegen pba_097.024
würden!

pba_097.025
Drunten werden in dem Thal pba_097.026
Unter seinem Fußtritt Blumen, pba_097.027
Und die Wiese pba_097.028
Lebt von seinem Hauch.

pba_097.029
Es klingt wie die Signatur seiner poesievollen Jünglingsjahre, der pba_097.030
Leipziger, Frankfurter und ersten Straßburger Zeit! Nun ist er in das pba_097.031
breitere Leben getreten, und wie ist da jede, auch nur flüchtige Beziehung, pba_097.032
in die er eintrat, bezeichnet durch das Emporsprießen der reizvollsten pba_097.033
Blüten der Poesie, die „unter seinem Fußtritt wurden“, und pba_097.034
wie „lebt“ alles, was er damals berührte, unsterblich fort, durch seinen pba_097.035
Hauch geadelt!

pba_097.036
Doch ihn hält kein Schattenthal, pba_097.037
Keine Blumen, pba_097.038
Die ihm seine Knie umschlingen, pba_097.039
Jhm mit Liebesaugen schmeicheln; pba_097.040
Nach der Eb'ne dringt sein Lauf pba_097.041
Schlangenwandelnd.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0115" n="97"/>
        <lb n="pba_097.001"/>
        <lg>
          <l>Nährten seine Jugend</l>
          <lb n="pba_097.002"/>
          <l>Gute Geister</l>
          <lb n="pba_097.003"/>
          <l>Zwischen Klippen im Gebüsch.</l>
        </lg>
        <p><lb n="pba_097.004"/>
Die sonnigen Kindertage des begünstigten Genius &#x2014; und warum <lb n="pba_097.005"/>
nicht des Dichters eigene? &#x2014; und zugleich der Hinweis auf seinen geheimnisvollen <lb n="pba_097.006"/>
Ursprung, von welchem dem menschlichen Auge denn doch <lb n="pba_097.007"/>
soviel sich entdeckt, daß besondere und durch Generationen vererbte <lb n="pba_097.008"/>
Güte und Trefflichkeit um seine Wiege stehen und &#x201E;seine Jugend <lb n="pba_097.009"/>
nähren&#x201C; mußte!</p>
        <lb n="pba_097.010"/>
        <lg>
          <l>Jünglingfrisch</l>
          <lb n="pba_097.011"/>
          <l>Tanzt er aus der Wolke</l>
          <lb n="pba_097.012"/>
          <l>Auf die Marmorfelsen nieder,</l>
          <lb n="pba_097.013"/>
          <l>Jauchzet wieder</l>
          <lb n="pba_097.014"/>
          <l>Nach dem Himmel.</l>
          <lb n="pba_097.015"/>
          <l>Durch die Gipfelgänge</l>
          <lb n="pba_097.016"/>
          <l>Jagt er bunten Kieseln nach,</l>
          <lb n="pba_097.017"/>
          <l>Und mit frühem Führertritt</l>
          <lb n="pba_097.018"/>
          <l>Reißt er seine Bruderquellen</l>
          <lb n="pba_097.019"/>
          <l>Mit sich fort.</l>
        </lg>
        <p><lb n="pba_097.020"/>
Jn den Knabenspielen überall die freudig emporstrebende Flamme <lb n="pba_097.021"/>
einer üppig reichen, aber immer dem Höchsten zugewandten Phantasie <lb n="pba_097.022"/>
und damit die angeborene Führerschaft über die Genossen, in denen er <lb n="pba_097.023"/>
ähnliche Bestrebungen weckt, die ohne ihn doch kraftlos stocken und versiegen <lb n="pba_097.024"/>
würden!</p>
        <lb n="pba_097.025"/>
        <lg>
          <l>Drunten werden in dem Thal</l>
          <lb n="pba_097.026"/>
          <l>Unter seinem Fußtritt Blumen,</l>
          <lb n="pba_097.027"/>
          <l>Und die Wiese</l>
          <lb n="pba_097.028"/>
          <l>Lebt von seinem Hauch.</l>
        </lg>
        <p><lb n="pba_097.029"/>
Es klingt wie die Signatur seiner poesievollen Jünglingsjahre, der <lb n="pba_097.030"/>
Leipziger, Frankfurter und ersten Straßburger Zeit! Nun ist er in das <lb n="pba_097.031"/>
breitere Leben getreten, und wie ist da jede, auch nur flüchtige Beziehung, <lb n="pba_097.032"/>
in die er eintrat, bezeichnet durch das Emporsprießen der reizvollsten <lb n="pba_097.033"/>
Blüten der Poesie, die &#x201E;unter seinem Fußtritt wurden&#x201C;, und <lb n="pba_097.034"/>
wie &#x201E;lebt&#x201C; alles, was er damals berührte, unsterblich fort, durch seinen <lb n="pba_097.035"/>
Hauch geadelt!</p>
        <lb n="pba_097.036"/>
        <lg>
          <l>Doch ihn hält kein Schattenthal,</l>
          <lb n="pba_097.037"/>
          <l>Keine Blumen,</l>
          <lb n="pba_097.038"/>
          <l>Die ihm seine Knie umschlingen,</l>
          <lb n="pba_097.039"/>
          <l>Jhm mit Liebesaugen schmeicheln;</l>
          <lb n="pba_097.040"/>
          <l>Nach der Eb'ne dringt sein Lauf</l>
          <lb n="pba_097.041"/>
          <l>Schlangenwandelnd.</l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0115] pba_097.001 Nährten seine Jugend pba_097.002 Gute Geister pba_097.003 Zwischen Klippen im Gebüsch. pba_097.004 Die sonnigen Kindertage des begünstigten Genius — und warum pba_097.005 nicht des Dichters eigene? — und zugleich der Hinweis auf seinen geheimnisvollen pba_097.006 Ursprung, von welchem dem menschlichen Auge denn doch pba_097.007 soviel sich entdeckt, daß besondere und durch Generationen vererbte pba_097.008 Güte und Trefflichkeit um seine Wiege stehen und „seine Jugend pba_097.009 nähren“ mußte! pba_097.010 Jünglingfrisch pba_097.011 Tanzt er aus der Wolke pba_097.012 Auf die Marmorfelsen nieder, pba_097.013 Jauchzet wieder pba_097.014 Nach dem Himmel. pba_097.015 Durch die Gipfelgänge pba_097.016 Jagt er bunten Kieseln nach, pba_097.017 Und mit frühem Führertritt pba_097.018 Reißt er seine Bruderquellen pba_097.019 Mit sich fort. pba_097.020 Jn den Knabenspielen überall die freudig emporstrebende Flamme pba_097.021 einer üppig reichen, aber immer dem Höchsten zugewandten Phantasie pba_097.022 und damit die angeborene Führerschaft über die Genossen, in denen er pba_097.023 ähnliche Bestrebungen weckt, die ohne ihn doch kraftlos stocken und versiegen pba_097.024 würden! pba_097.025 Drunten werden in dem Thal pba_097.026 Unter seinem Fußtritt Blumen, pba_097.027 Und die Wiese pba_097.028 Lebt von seinem Hauch. pba_097.029 Es klingt wie die Signatur seiner poesievollen Jünglingsjahre, der pba_097.030 Leipziger, Frankfurter und ersten Straßburger Zeit! Nun ist er in das pba_097.031 breitere Leben getreten, und wie ist da jede, auch nur flüchtige Beziehung, pba_097.032 in die er eintrat, bezeichnet durch das Emporsprießen der reizvollsten pba_097.033 Blüten der Poesie, die „unter seinem Fußtritt wurden“, und pba_097.034 wie „lebt“ alles, was er damals berührte, unsterblich fort, durch seinen pba_097.035 Hauch geadelt! pba_097.036 Doch ihn hält kein Schattenthal, pba_097.037 Keine Blumen, pba_097.038 Die ihm seine Knie umschlingen, pba_097.039 Jhm mit Liebesaugen schmeicheln; pba_097.040 Nach der Eb'ne dringt sein Lauf pba_097.041 Schlangenwandelnd.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/115
Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/115>, abgerufen am 24.11.2024.