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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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selben erfüllt war, und zwar, daß es gesunde, gute, edle, große, pba_149.002
berechtigte Empfindungen
seien; daß der Vortrag einer Ballade, pba_149.003
einer gnomischen oder satirischen Dichtung in derselben Weise, mit pba_149.004
dem gleichen Erfolge, ein ebenso geartetes Ethos nachzuahmen geeignet pba_149.005
sei; daß endlich die Erzählung einer Handlung, wieder unter genau pba_149.006
denselben Bedingungen, die Gesamtheit der in der Darstellungsweise pba_149.007
des Erzählers
derselben zu Grunde liegenden Seelenbewegungen und pba_149.008
-Thätigkeiten durch die Nachahmung so bei dem Zuhörer wiedererwecke, pba_149.009
daß er mit seinem Empfinden dieser Handlung ebenso gegenübersteht, pba_149.010
als der Dichter, d. i. also, daß er sie richtig aufzunehmen, hinsichtlich pba_149.011
der empfindenden Wahrnehmung
-- d. i. ästhetisch -- pba_149.012
in den Stand gesetzt werde. Die Art aber, wie in jedem dieser pba_149.013
Fälle die künstlerische Nachahmung zu verfahren hat, welche Objekte sie pba_149.014
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hervorzuheben, was fortzulassen, welche Form sie ihnen zu erteilen hat, pba_149.016
um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen, das alles ergibt sich jedesmal pba_149.017
von selbst und mit Notwendigkeit zu einem Teile aus dieser Absicht pba_149.018
an sich
und zum andern aus der Natur der dieselbe zugleich pba_149.019
veranlassenden und sich ihr darbietenden Gegenstände
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und der für ihre Nachahmung zur Verwendung gelangenden Mittel. pba_149.021
Damit ist für jede Kunstgattung und für jede ihrer Arten die Möglichkeit pba_149.022
einer bestimmten technischen Gesetzgebung eröffnet; das unübertreffliche, pba_149.023
freilich einzig dastehende Muster dafür ist in der Aristotelischen pba_149.024
Lehre von der Tragödie vorhanden. Die Gewähr aber, daß im einzelnen pba_149.025
Falle jene höchste künstlerische Absicht erreicht ist, liegt darin, daß pba_149.026
den innerhalb und vermittelst der ästhetischen Wahrnehmung sich vollziehenden pba_149.027
psychischen Energien, sofern sie die richtigsten und besten sind, pba_149.028
unfehlbar als begleitende und sie gleichsam krönende Erscheinung (teleiosis pba_149.029
tes energeias) sich die Freude, das ästhetische Vergnügen -- die pba_149.030
Hedone -- zugesellt, und zwar in um so höherem Grade, je höher pba_149.031
geartet der Gegenstand dieser ästhetischen Seelenthätigkeit ist und in je pba_149.032
vollendeterer Weise diese selbst von statten geht.1

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Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: "Aristoteles, pba_149.034
Lessing und Goethe
", Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: "Des pba_149.035
Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon". Die Hauptstelle, auf welche sich pba_149.036
die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der Nikomachischen Ethik des pba_149.037
Aristoteles, Buch X, Kap. 4 (1174b, 14-33): Aistheseos de pases pros to aistheton pba_149.038
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o esti, meden diaphereto; kath' ekaston de beltiste estin e eergeia tou arista

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selben erfüllt war, und zwar, daß es gesunde, gute, edle, große, pba_149.002
berechtigte Empfindungen
seien; daß der Vortrag einer Ballade, pba_149.003
einer gnomischen oder satirischen Dichtung in derselben Weise, mit pba_149.004
dem gleichen Erfolge, ein ebenso geartetes Ethos nachzuahmen geeignet pba_149.005
sei; daß endlich die Erzählung einer Handlung, wieder unter genau pba_149.006
denselben Bedingungen, die Gesamtheit der in der Darstellungsweise pba_149.007
des Erzählers
derselben zu Grunde liegenden Seelenbewegungen und pba_149.008
-Thätigkeiten durch die Nachahmung so bei dem Zuhörer wiedererwecke, pba_149.009
daß er mit seinem Empfinden dieser Handlung ebenso gegenübersteht, pba_149.010
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psychischen Energien, sofern sie die richtigsten und besten sind, pba_149.028
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Hedone — zugesellt, und zwar in um so höherem Grade, je höher pba_149.031
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vollendeterer Weise diese selbst von statten geht.1

1 pba_149.033
Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: „Aristoteles, pba_149.034
Lessing und Goethe
“, Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: „Des pba_149.035
Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon“. Die Hauptstelle, auf welche sich pba_149.036
die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der Nikomachischen Ethik des pba_149.037
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[149/0167] pba_149.001 selben erfüllt war, und zwar, daß es gesunde, gute, edle, große, pba_149.002 berechtigte Empfindungen seien; daß der Vortrag einer Ballade, pba_149.003 einer gnomischen oder satirischen Dichtung in derselben Weise, mit pba_149.004 dem gleichen Erfolge, ein ebenso geartetes Ethos nachzuahmen geeignet pba_149.005 sei; daß endlich die Erzählung einer Handlung, wieder unter genau pba_149.006 denselben Bedingungen, die Gesamtheit der in der Darstellungsweise pba_149.007 des Erzählers derselben zu Grunde liegenden Seelenbewegungen und pba_149.008 -Thätigkeiten durch die Nachahmung so bei dem Zuhörer wiedererwecke, pba_149.009 daß er mit seinem Empfinden dieser Handlung ebenso gegenübersteht, pba_149.010 als der Dichter, d. i. also, daß er sie richtig aufzunehmen, hinsichtlich pba_149.011 der empfindenden Wahrnehmung — d. i. ästhetisch — pba_149.012 in den Stand gesetzt werde. Die Art aber, wie in jedem dieser pba_149.013 Fälle die künstlerische Nachahmung zu verfahren hat, welche Objekte sie pba_149.014 also zu erwählen, von welcher Seite sie dieselben darzustellen, was daran pba_149.015 hervorzuheben, was fortzulassen, welche Form sie ihnen zu erteilen hat, pba_149.016 um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen, das alles ergibt sich jedesmal pba_149.017 von selbst und mit Notwendigkeit zu einem Teile aus dieser Absicht pba_149.018 an sich und zum andern aus der Natur der dieselbe zugleich pba_149.019 veranlassenden und sich ihr darbietenden Gegenstände pba_149.020 und der für ihre Nachahmung zur Verwendung gelangenden Mittel. pba_149.021 Damit ist für jede Kunstgattung und für jede ihrer Arten die Möglichkeit pba_149.022 einer bestimmten technischen Gesetzgebung eröffnet; das unübertreffliche, pba_149.023 freilich einzig dastehende Muster dafür ist in der Aristotelischen pba_149.024 Lehre von der Tragödie vorhanden. Die Gewähr aber, daß im einzelnen pba_149.025 Falle jene höchste künstlerische Absicht erreicht ist, liegt darin, daß pba_149.026 den innerhalb und vermittelst der ästhetischen Wahrnehmung sich vollziehenden pba_149.027 psychischen Energien, sofern sie die richtigsten und besten sind, pba_149.028 unfehlbar als begleitende und sie gleichsam krönende Erscheinung (τελείωσις pba_149.029 τῇς ἐνεργείας) sich die Freude, das ästhetische Vergnügen — die pba_149.030 Hedone — zugesellt, und zwar in um so höherem Grade, je höher pba_149.031 geartet der Gegenstand dieser ästhetischen Seelenthätigkeit ist und in je pba_149.032 vollendeterer Weise diese selbst von statten geht. 1 1 pba_149.033 Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: „Aristoteles, pba_149.034 Lessing und Goethe“, Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: „Des pba_149.035 Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon“. Die Hauptstelle, auf welche sich pba_149.036 die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der Nikomachischen Ethik des pba_149.037 Aristoteles, Buch X, Kap. 4 (1174b, 14–33): Αἰσθήσεως δὲ πάσης πρὸς τὸ αἰσθητὸν pba_149.038 ἐνεργούσης, τελείως δὲ τῆς εὖ διακειμένης πρὸς τὸ κάλλιστον τῶν ὑπὸ τὴν αἴσθησιν· pba_149.039 τοιοῦτον γὰρ μάλιστ̓ εἶναι δοκεῖ ἡ τελεία ἐνέργεια· αὐτὴν δὲ λέγειν ἐνεργεῖν, \̓η ἐν pba_149.040 ᾧ ἐστὶ, μηδὲν διαφερέτω· καθ' ἕκαστον δὲ βελτίστη ἐστὶν ἡ ἐέργεια τοῦ ἄριστα

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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/167>, abgerufen am 21.11.2024.