Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_149.001 1 pba_149.033
Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: "Aristoteles, pba_149.034 Lessing und Goethe", Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: "Des pba_149.035 Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon". Die Hauptstelle, auf welche sich pba_149.036 die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der Nikomachischen Ethik des pba_149.037 Aristoteles, Buch X, Kap. 4 (1174b, 14-33): Aistheseos de pases pros to aistheton pba_149.038 energouses, teleios de tes eu diakeimenes pros to kalliston ton upo ten aisthesin; pba_149.039 toiouton gar malist einai dokei e teleia energeia; auten de legein energein, \e en pba_149.040 o esti, meden diaphereto; kath' ekaston de beltiste estin e eergeia tou arista pba_149.001 1 pba_149.033
Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: „Aristoteles, pba_149.034 Lessing und Goethe“, Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: „Des pba_149.035 Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon“. Die Hauptstelle, auf welche sich pba_149.036 die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der Nikomachischen Ethik des pba_149.037 Aristoteles, Buch X, Kap. 4 (1174b, 14–33): Αἰσθήσεως δὲ πάσης πρὸς τὸ αἰσθητὸν pba_149.038 ἐνεργούσης, τελείως δὲ τῆς εὖ διακειμένης πρὸς τὸ κάλλιστον τῶν ὑπὸ τὴν αἴσθησιν· pba_149.039 τοιοῦτον γὰρ μάλιστ̓ εἶναι δοκεῖ ἡ τελεία ἐνέργεια· αὐτὴν δὲ λέγειν ἐνεργεῖν, \̓η ἐν pba_149.040 ᾧ ἐστὶ, μηδὲν διαφερέτω· καθ' ἕκαστον δὲ βελτίστη ἐστὶν ἡ ἐέργεια τοῦ ἄριστα <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0167" n="149"/><lb n="pba_149.001"/> selben erfüllt war, und zwar, daß es <hi rendition="#g">gesunde, gute, edle, große, <lb n="pba_149.002"/> berechtigte Empfindungen</hi> seien; daß der Vortrag einer <hi rendition="#g">Ballade,</hi> <lb n="pba_149.003"/> einer <hi rendition="#g">gnomischen</hi> oder <hi rendition="#g">satirischen Dichtung</hi> in derselben Weise, mit <lb n="pba_149.004"/> dem gleichen Erfolge, ein ebenso geartetes <hi rendition="#g">Ethos</hi> nachzuahmen geeignet <lb n="pba_149.005"/> sei; daß endlich die <hi rendition="#g">Erzählung einer Handlung,</hi> wieder unter genau <lb n="pba_149.006"/> denselben Bedingungen, die Gesamtheit der <hi rendition="#g">in der Darstellungsweise <lb n="pba_149.007"/> des Erzählers</hi> derselben zu Grunde liegenden Seelenbewegungen und <lb n="pba_149.008"/> -Thätigkeiten durch die Nachahmung so bei dem Zuhörer wiedererwecke, <lb n="pba_149.009"/> daß er mit seinem Empfinden dieser Handlung ebenso gegenübersteht, <lb n="pba_149.010"/> als der Dichter, d. i. also, daß er <hi rendition="#g">sie richtig aufzunehmen, hinsichtlich <lb n="pba_149.011"/> der empfindenden Wahrnehmung</hi> — d. i. <hi rendition="#g">ästhetisch</hi> — <lb n="pba_149.012"/> <hi rendition="#g">in den Stand gesetzt werde.</hi> Die Art aber, wie in jedem dieser <lb n="pba_149.013"/> Fälle die künstlerische Nachahmung zu verfahren hat, welche Objekte sie <lb n="pba_149.014"/> also zu erwählen, von welcher Seite sie dieselben darzustellen, was daran <lb n="pba_149.015"/> hervorzuheben, was fortzulassen, welche Form sie ihnen zu erteilen hat, <lb n="pba_149.016"/> um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen, das alles ergibt sich jedesmal <lb n="pba_149.017"/> von selbst und mit Notwendigkeit zu einem Teile aus <hi rendition="#g">dieser Absicht <lb n="pba_149.018"/> an sich</hi> und zum andern <hi rendition="#g">aus der Natur der dieselbe zugleich <lb n="pba_149.019"/> veranlassenden und sich ihr darbietenden Gegenstände</hi> <lb n="pba_149.020"/> und der für ihre Nachahmung zur Verwendung gelangenden <hi rendition="#g">Mittel.</hi> <lb n="pba_149.021"/> Damit ist für jede Kunstgattung und für jede ihrer Arten die Möglichkeit <lb n="pba_149.022"/> einer bestimmten technischen Gesetzgebung eröffnet; das unübertreffliche, <lb n="pba_149.023"/> freilich einzig dastehende Muster dafür ist in der Aristotelischen <lb n="pba_149.024"/> Lehre von der Tragödie vorhanden. Die Gewähr aber, daß im einzelnen <lb n="pba_149.025"/> Falle jene höchste künstlerische Absicht erreicht ist, liegt darin, daß <lb n="pba_149.026"/> den innerhalb und vermittelst der ästhetischen Wahrnehmung sich vollziehenden <lb n="pba_149.027"/> psychischen Energien, sofern sie die richtigsten und besten sind, <lb n="pba_149.028"/> unfehlbar als begleitende und sie gleichsam krönende Erscheinung (<foreign xml:lang="grc">τελείωσις</foreign> <lb n="pba_149.029"/> <foreign xml:lang="grc">τῇς ἐνεργείας</foreign>) sich die <hi rendition="#g">Freude,</hi> das <hi rendition="#g">ästhetische Vergnügen</hi> — die <lb n="pba_149.030"/> <hi rendition="#g">Hedone</hi> — zugesellt, und zwar in um so höherem Grade, je höher <lb n="pba_149.031"/> geartet der Gegenstand dieser ästhetischen Seelenthätigkeit ist und in je <lb n="pba_149.032"/> vollendeterer Weise diese selbst von statten geht.<note xml:id="pba_149_1a" n="1" place="foot" next="#pba_149_1b"><lb n="pba_149.033"/> Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: „<hi rendition="#g">Aristoteles, <lb n="pba_149.034"/> Lessing und Goethe</hi>“, Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: „Des <lb n="pba_149.035"/> Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon“. 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selben erfüllt war, und zwar, daß es gesunde, gute, edle, große, pba_149.002
berechtigte Empfindungen seien; daß der Vortrag einer Ballade, pba_149.003
einer gnomischen oder satirischen Dichtung in derselben Weise, mit pba_149.004
dem gleichen Erfolge, ein ebenso geartetes Ethos nachzuahmen geeignet pba_149.005
sei; daß endlich die Erzählung einer Handlung, wieder unter genau pba_149.006
denselben Bedingungen, die Gesamtheit der in der Darstellungsweise pba_149.007
des Erzählers derselben zu Grunde liegenden Seelenbewegungen und pba_149.008
-Thätigkeiten durch die Nachahmung so bei dem Zuhörer wiedererwecke, pba_149.009
daß er mit seinem Empfinden dieser Handlung ebenso gegenübersteht, pba_149.010
als der Dichter, d. i. also, daß er sie richtig aufzunehmen, hinsichtlich pba_149.011
der empfindenden Wahrnehmung — d. i. ästhetisch — pba_149.012
in den Stand gesetzt werde. Die Art aber, wie in jedem dieser pba_149.013
Fälle die künstlerische Nachahmung zu verfahren hat, welche Objekte sie pba_149.014
also zu erwählen, von welcher Seite sie dieselben darzustellen, was daran pba_149.015
hervorzuheben, was fortzulassen, welche Form sie ihnen zu erteilen hat, pba_149.016
um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen, das alles ergibt sich jedesmal pba_149.017
von selbst und mit Notwendigkeit zu einem Teile aus dieser Absicht pba_149.018
an sich und zum andern aus der Natur der dieselbe zugleich pba_149.019
veranlassenden und sich ihr darbietenden Gegenstände pba_149.020
und der für ihre Nachahmung zur Verwendung gelangenden Mittel. pba_149.021
Damit ist für jede Kunstgattung und für jede ihrer Arten die Möglichkeit pba_149.022
einer bestimmten technischen Gesetzgebung eröffnet; das unübertreffliche, pba_149.023
freilich einzig dastehende Muster dafür ist in der Aristotelischen pba_149.024
Lehre von der Tragödie vorhanden. Die Gewähr aber, daß im einzelnen pba_149.025
Falle jene höchste künstlerische Absicht erreicht ist, liegt darin, daß pba_149.026
den innerhalb und vermittelst der ästhetischen Wahrnehmung sich vollziehenden pba_149.027
psychischen Energien, sofern sie die richtigsten und besten sind, pba_149.028
unfehlbar als begleitende und sie gleichsam krönende Erscheinung (τελείωσις pba_149.029
τῇς ἐνεργείας) sich die Freude, das ästhetische Vergnügen — die pba_149.030
Hedone — zugesellt, und zwar in um so höherem Grade, je höher pba_149.031
geartet der Gegenstand dieser ästhetischen Seelenthätigkeit ist und in je pba_149.032
vollendeterer Weise diese selbst von statten geht. 1
1 pba_149.033
Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: „Aristoteles, pba_149.034
Lessing und Goethe“, Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: „Des pba_149.035
Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon“. Die Hauptstelle, auf welche sich pba_149.036
die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der Nikomachischen Ethik des pba_149.037
Aristoteles, Buch X, Kap. 4 (1174b, 14–33): Αἰσθήσεως δὲ πάσης πρὸς τὸ αἰσθητὸν pba_149.038
ἐνεργούσης, τελείως δὲ τῆς εὖ διακειμένης πρὸς τὸ κάλλιστον τῶν ὑπὸ τὴν αἴσθησιν· pba_149.039
τοιοῦτον γὰρ μάλιστ̓ εἶναι δοκεῖ ἡ τελεία ἐνέργεια· αὐτὴν δὲ λέγειν ἐνεργεῖν, \̓η ἐν pba_149.040
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