pba_019.001 ein Mittel um etwas Anderes, Höheres nachahmend zur Darstellung zu pba_019.002 bringen. Dieses andere, die innere Handlung, kann zwar an und für pba_019.003 sich auch eine Succession von zweien oder auch mehreren, selbst vielen pba_019.004 Veränderungsmomenten umschließen, wie z. B. bei komplizierten Entschlüssen, pba_019.005 welche aus langem Schwanken zwischen entgegengesetzten Extremen pba_019.006 hervorgehen und bei welchen das letzte entscheidende Entschließungsmoment pba_019.007 nicht ohne jene vorausgehende Reihe zu denken ist (z. B. bei pba_019.008 Coriolan), es kann aber auch lediglich auf einen einzigen Moment beschränkt pba_019.009 sein; unter allen Umständen jedoch ist das Wesentliche an der pba_019.010 Darstellung von Handlungen durch die Poesie, dasjenige also, um dessentwillen pba_019.011 im Grunde die poetische Nachahmung erfolgt, nicht die so oder pba_019.012 so geschehende äußere Verwirklichung, sondern das im Jnnern der Seele pba_019.013 vorgehende psychologisch-ethische Ereignis, welches als Entschlußpba_019.014 sich nach außen kundgibt. Dieser ist Gegenstand der künstlerischen pba_019.015 Nachahmung, die Folge von Veränderungen nur eins von pba_019.016 den Mitteln, deren sich die Kunst dazu bedienen kann.
pba_019.017 Hieraus ergeben sich die folgenden Sätze und weiteren Schlußfolgerungen:
pba_019.018
pba_019.019 Zum Wesen der eigentlichen, innern Handlung gehört es nicht, daß pba_019.020 sie eine Folge von Veränderungen darstellt; sie kann sich auch in einem pba_019.021 einzigen Augenblick verwirklichen.
pba_019.022 Diesen einen Augenblick kann die bildende Kunst ebenso wohl zum pba_019.023 Gegenstande der Nachahmung wählen als die Poesie. Die bildende pba_019.024 Kunst erzielt diese Nachahmung vermittelst der Darstellung von Figuren pba_019.025 und Körpern, die Poesie vermittelst der Darstellung einer Succession von pba_019.026 Veränderungen.
pba_019.027 Es ist also nicht richtig mit Lessing die Malerei und die Poesie so pba_019.028 zu einander in Gegensatz zu stellen, daß der einen Körper, der andern pba_019.029 Handlungen als Gegenstände der Nachahmung zugewiesen werden. pba_019.030 Jn beiden Fällen handelt es sich nur um die Mittel der Nachahmung,pba_019.031 oder wenn man den Ausdruck Mittel nur auf die Werkzeuge -- pba_019.032 Worte, Töne, Linien, Flächen, Farben -- einschränken will, um das pba_019.033 Material, -- ule --, durch welches die einzelnen Künste der Natur jener pba_019.034 Werkzeuge gemäß allein ihre Nachahmung zu bewerkstelligen vermögen.
pba_019.035 Alle Sätze Lessings, welche er aus jenem obersten Grundsatz herleitet, pba_019.036 gelten nur für dieses Material -- ule --, in welchem die pba_019.037 verschiedenen Künste arbeiten. Hier freilich unbedingt.
pba_019.038 Aber nicht für die Gegenstände der Nachahmung. Hier erfüllt pba_019.039 sich das Wort Plutarchs in seinem ganzen Umfange, dessen wesentliche pba_019.040 zweite Hälfte Lessing in dem Motto seines Laokoon fortgelassen hat:
pba_019.001 ein Mittel um etwas Anderes, Höheres nachahmend zur Darstellung zu pba_019.002 bringen. Dieses andere, die innere Handlung, kann zwar an und für pba_019.003 sich auch eine Succession von zweien oder auch mehreren, selbst vielen pba_019.004 Veränderungsmomenten umschließen, wie z. B. bei komplizierten Entschlüssen, pba_019.005 welche aus langem Schwanken zwischen entgegengesetzten Extremen pba_019.006 hervorgehen und bei welchen das letzte entscheidende Entschließungsmoment pba_019.007 nicht ohne jene vorausgehende Reihe zu denken ist (z. B. bei pba_019.008 Coriolan), es kann aber auch lediglich auf einen einzigen Moment beschränkt pba_019.009 sein; unter allen Umständen jedoch ist das Wesentliche an der pba_019.010 Darstellung von Handlungen durch die Poesie, dasjenige also, um dessentwillen pba_019.011 im Grunde die poetische Nachahmung erfolgt, nicht die so oder pba_019.012 so geschehende äußere Verwirklichung, sondern das im Jnnern der Seele pba_019.013 vorgehende psychologisch-ethische Ereignis, welches als Entschlußpba_019.014 sich nach außen kundgibt. Dieser ist Gegenstand der künstlerischen pba_019.015 Nachahmung, die Folge von Veränderungen nur eins von pba_019.016 den Mitteln, deren sich die Kunst dazu bedienen kann.
pba_019.017 Hieraus ergeben sich die folgenden Sätze und weiteren Schlußfolgerungen:
pba_019.018
pba_019.019 Zum Wesen der eigentlichen, innern Handlung gehört es nicht, daß pba_019.020 sie eine Folge von Veränderungen darstellt; sie kann sich auch in einem pba_019.021 einzigen Augenblick verwirklichen.
pba_019.022 Diesen einen Augenblick kann die bildende Kunst ebenso wohl zum pba_019.023 Gegenstande der Nachahmung wählen als die Poesie. Die bildende pba_019.024 Kunst erzielt diese Nachahmung vermittelst der Darstellung von Figuren pba_019.025 und Körpern, die Poesie vermittelst der Darstellung einer Succession von pba_019.026 Veränderungen.
pba_019.027 Es ist also nicht richtig mit Lessing die Malerei und die Poesie so pba_019.028 zu einander in Gegensatz zu stellen, daß der einen Körper, der andern pba_019.029 Handlungen als Gegenstände der Nachahmung zugewiesen werden. pba_019.030 Jn beiden Fällen handelt es sich nur um die Mittel der Nachahmung,pba_019.031 oder wenn man den Ausdruck Mittel nur auf die Werkzeuge — pba_019.032 Worte, Töne, Linien, Flächen, Farben — einschränken will, um das pba_019.033 Material, — ὕλη —, durch welches die einzelnen Künste der Natur jener pba_019.034 Werkzeuge gemäß allein ihre Nachahmung zu bewerkstelligen vermögen.
pba_019.035 Alle Sätze Lessings, welche er aus jenem obersten Grundsatz herleitet, pba_019.036 gelten nur für dieses Material — ὕλη —, in welchem die pba_019.037 verschiedenen Künste arbeiten. Hier freilich unbedingt.
pba_019.038 Aber nicht für die Gegenstände der Nachahmung. Hier erfüllt pba_019.039 sich das Wort Plutarchs in seinem ganzen Umfange, dessen wesentliche pba_019.040 zweite Hälfte Lessing in dem Motto seines Laokoon fortgelassen hat:
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ein Mittel um etwas Anderes, Höheres nachahmend zur Darstellung zu pba_019.002
bringen. Dieses andere, die innere Handlung, kann zwar an und für pba_019.003
sich auch eine Succession von zweien oder auch mehreren, selbst vielen pba_019.004
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hervorgehen und bei welchen das letzte entscheidende Entschließungsmoment pba_019.007
nicht ohne jene vorausgehende Reihe zu denken ist (z. B. bei pba_019.008
Coriolan), es kann aber auch lediglich auf einen einzigen Moment beschränkt pba_019.009
sein; unter allen Umständen jedoch ist das Wesentliche an der pba_019.010
Darstellung von Handlungen durch die Poesie, dasjenige also, um dessentwillen pba_019.011
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pba_019.017
Hieraus ergeben sich die folgenden Sätze und weiteren Schlußfolgerungen:
pba_019.018
pba_019.019
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pba_019.022
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pba_019.027
Es ist also nicht richtig mit Lessing die Malerei und die Poesie so pba_019.028
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pba_019.035
Alle Sätze Lessings, welche er aus jenem obersten Grundsatz herleitet, pba_019.036
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verschiedenen Künste arbeiten. Hier freilich unbedingt.
pba_019.038
Aber nicht für die Gegenstände der Nachahmung. Hier erfüllt pba_019.039
sich das Wort Plutarchs in seinem ganzen Umfange, dessen wesentliche pba_019.040
zweite Hälfte Lessing in dem Motto seines Laokoon fortgelassen hat:
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/37>, abgerufen am 03.12.2024.
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