pba_554.001 eigenes Unglück kontrastiert. Alles schön und richtig, aber das alles pba_554.002 ist Wirkung der Philosophie, ist Weisheit, und die Kunst, so mächtig sie pba_554.003 ist, vermag leider weder die eine noch die andere durch ihre Darstellungen pba_554.004 mitzuteilen. Das erkennt freilich auch Schiller an: "diese erhabene pba_554.005 Geistesstimmung ist das Los starker und philosophischer Gemüter;" demungeachtet pba_554.006 macht er jene Schlußfolgerung zur Grundlage für die Entwickelung pba_554.007 seiner Theorie der tragischen Kunst. Der Fehlschluß, durch pba_554.008 welchen er dazu bewogen wird, ist dieser: das durch praktische Philosophie pba_554.009 geläuterte Mitleid ist mit Vergnügen verbunden: das tragische pba_554.010 Mitleid gleichfalls: folglich muß das tragische Mitleid das durch den pba_554.011 moralischen Sinn von seinen eigennützigen Bestandteilen befreite sein, pba_554.012 und das Mittel, wodurch die tragische Kunst dieses Ziel erreicht, ist pba_554.013 der Angriff auf die Sinnlichkeit, um dem moralischen Bewußtsein zur pba_554.014 Freiheit zu verhelfen. Also ein Schluß wie dieser: eine gute Predigt pba_554.015 wirkt erhebend; ein gutes Trauerspiel gleichfalls; folglich sind dieselben pba_554.016 Mittel, welche für eine gute Predigt in Anwendung kommen, auch zu pba_554.017 gebrauchen, um ein gutes Trauerspiel zu machen. Nicht um ein Haar pba_554.018 anders verfährt Schiller. Er sagt:
pba_554.019
1) Der traurige Affekt bewirkt in moralischen Gemütern um so pba_554.020 mehr Vergnügen, je vollständiger sie den eigennützigen Trieb pba_554.021 unterdrücken.
pba_554.022
2) "Wir kennen aber nicht mehr als zweierlei Quellen des pba_554.023 Vergnügens, die Befriedigung des Glückseligkeitstriebes und pba_554.024 die Erfüllung moralischer Gesetze" (in der vorigen Abhandlung pba_554.025 kannte er außer dem sinnlichen Vergnügen doch noch sechspba_554.026 Quellen des "freien Vergnügens", worunter das Wahre und pba_554.027 Schöne noch eine Stelle hatten!).
pba_554.028
3) Da die Freude am Tragischen eine sinnliche nicht ist, muß sie pba_554.029 eine moralische sein. "Aus unserer moralischen Natur also pba_554.030 quillt die Lust hervor, wodurch uns schmerzhafte Affekte in der pba_554.031 Mitteilung entzücken und, auch sogar ursprünglich empfunden, pba_554.032 in gewissen Fällen noch angenehm rühren" (wobei der letzte, pba_554.033 verwirrende Zusatz wieder aus der Verkennung des Mitleids pba_554.034 als sekundären Affektes herrührt).
pba_554.035 All diese endlose Konfusion löst das eine aristotelische Wort: "Die pba_554.036 Hedone ist die Vollendung jedweder Energie;" es gibt also pba_554.037 so viele Arten der Hedone als es Energien gibt. Und also ebensoviele pba_554.038 Quellen derselben. Die Hedone der Kunst ist unter allen pba_554.039 aber die einzige, welche allgemein mitteilbar ist: denn während pba_554.040 die sinnliche Hedone an den gegenwärtigen Genuß des Gegen-
pba_554.001 eigenes Unglück kontrastiert. Alles schön und richtig, aber das alles pba_554.002 ist Wirkung der Philosophie, ist Weisheit, und die Kunst, so mächtig sie pba_554.003 ist, vermag leider weder die eine noch die andere durch ihre Darstellungen pba_554.004 mitzuteilen. Das erkennt freilich auch Schiller an: „diese erhabene pba_554.005 Geistesstimmung ist das Los starker und philosophischer Gemüter;“ demungeachtet pba_554.006 macht er jene Schlußfolgerung zur Grundlage für die Entwickelung pba_554.007 seiner Theorie der tragischen Kunst. Der Fehlschluß, durch pba_554.008 welchen er dazu bewogen wird, ist dieser: das durch praktische Philosophie pba_554.009 geläuterte Mitleid ist mit Vergnügen verbunden: das tragische pba_554.010 Mitleid gleichfalls: folglich muß das tragische Mitleid das durch den pba_554.011 moralischen Sinn von seinen eigennützigen Bestandteilen befreite sein, pba_554.012 und das Mittel, wodurch die tragische Kunst dieses Ziel erreicht, ist pba_554.013 der Angriff auf die Sinnlichkeit, um dem moralischen Bewußtsein zur pba_554.014 Freiheit zu verhelfen. Also ein Schluß wie dieser: eine gute Predigt pba_554.015 wirkt erhebend; ein gutes Trauerspiel gleichfalls; folglich sind dieselben pba_554.016 Mittel, welche für eine gute Predigt in Anwendung kommen, auch zu pba_554.017 gebrauchen, um ein gutes Trauerspiel zu machen. Nicht um ein Haar pba_554.018 anders verfährt Schiller. Er sagt:
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1) Der traurige Affekt bewirkt in moralischen Gemütern um so pba_554.020 mehr Vergnügen, je vollständiger sie den eigennützigen Trieb pba_554.021 unterdrücken.
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2) „Wir kennen aber nicht mehr als zweierlei Quellen des pba_554.023 Vergnügens, die Befriedigung des Glückseligkeitstriebes und pba_554.024 die Erfüllung moralischer Gesetze“ (in der vorigen Abhandlung pba_554.025 kannte er außer dem sinnlichen Vergnügen doch noch sechspba_554.026 Quellen des „freien Vergnügens“, worunter das Wahre und pba_554.027 Schöne noch eine Stelle hatten!).
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3) Da die Freude am Tragischen eine sinnliche nicht ist, muß sie pba_554.029 eine moralische sein. „Aus unserer moralischen Natur also pba_554.030 quillt die Lust hervor, wodurch uns schmerzhafte Affekte in der pba_554.031 Mitteilung entzücken und, auch sogar ursprünglich empfunden, pba_554.032 in gewissen Fällen noch angenehm rühren“ (wobei der letzte, pba_554.033 verwirrende Zusatz wieder aus der Verkennung des Mitleids pba_554.034 als sekundären Affektes herrührt).
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eigenes Unglück kontrastiert. Alles schön und richtig, aber das alles pba_554.002
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1) Der traurige Affekt bewirkt in moralischen Gemütern um so pba_554.020
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/572>, abgerufen am 31.10.2024.
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