Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_626.001 Der Nacht ergraute Kinder, Weiber, denen nie pba_626.004 Der Götter einer, nie ein Mensch, noch Tier sich eint, pba_626.005 Des Bösen wegen sind sie da; sie hausen drum pba_626.006 Jm bösen Dunkel unten tief im Tartaros, pba_626.007 Der Menschen Abscheu und der Götter im Olymp. pba_626.008 Mit solchem Blutgreul, Seher du, an deinem Herd pba_626.011 pba_626.014Schändest dein Haus du selbstwilligend, selbstberufend, pba_626.012 Der du die Menschen ehrst wider der Götter Recht, pba_626.013 Der Moiren Macht, der uralten, brichst! erwidert er: pba_626.015Fort! meiner Wohnung dürfet ihr nicht nahe sein! pba_626.016 Nein da, wo mörderköpfendes, augauswühlendes pba_626.017 Gericht, wo Mordgemetzel, frevele Fehlgeburt, pba_626.018 Entmannung, Schändung, alles Jammers Übermaß, pba_626.019 Wo Aufgespießte jammerlaut, Gesteinigte pba_626.020 Verröchelnd wimmern! Habt ihr nun genug gehört, pba_626.021 Um welche Festlust, dran ihr euch ergötzt, verhaßt pba_626.022 Den Göttern ihr seid? pba_626.023 Nicht kann Apollon, nicht Athenes heilige Kraft pba_626.035 Dich schützen, daß du nicht von meiner Wut verfolgt pba_626.036 Verkommst, vergissest, wo im Herzen Freude weilt, pba_626.037 Du meine Weide, Blutes leer, ein Schatten bald! pba_626.038
Lebendig mußt du mich laben, nicht geopfert erst! pba_626.039 Hör unser Bannlied, dich zu fesseln und zu fahn pba_626.001 Der Nacht ergraute Kinder, Weiber, denen nie pba_626.004 Der Götter einer, nie ein Mensch, noch Tier sich eint, pba_626.005 Des Bösen wegen sind sie da; sie hausen drum pba_626.006 Jm bösen Dunkel unten tief im Tartaros, pba_626.007 Der Menschen Abscheu und der Götter im Olymp. pba_626.008 Mit solchem Blutgreul, Seher du, an deinem Herd pba_626.011 pba_626.014Schändest dein Haus du selbstwilligend, selbstberufend, pba_626.012 Der du die Menschen ehrst wider der Götter Recht, pba_626.013 Der Moiren Macht, der uralten, brichst! erwidert er: pba_626.015Fort! meiner Wohnung dürfet ihr nicht nahe sein! pba_626.016 Nein da, wo mörderköpfendes, augauswühlendes pba_626.017 Gericht, wo Mordgemetzel, frevele Fehlgeburt, pba_626.018 Entmannung, Schändung, alles Jammers Übermaß, pba_626.019 Wo Aufgespießte jammerlaut, Gesteinigte pba_626.020 Verröchelnd wimmern! Habt ihr nun genug gehört, pba_626.021 Um welche Festlust, dran ihr euch ergötzt, verhaßt pba_626.022 Den Göttern ihr seid? pba_626.023 Nicht kann Apollon, nicht Athenes heilige Kraft pba_626.035 Dich schützen, daß du nicht von meiner Wut verfolgt pba_626.036 Verkommst, vergissest, wo im Herzen Freude weilt, pba_626.037 Du meine Weide, Blutes leer, ein Schatten bald! pba_626.038
Lebendig mußt du mich laben, nicht geopfert erst! pba_626.039 Hör unser Bannlied, dich zu fesseln und zu fahn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0644" n="626"/><lb n="pba_626.001"/> Harmonie und helle, hohe Freudigkeit von Stirn und Auge strahlt, <lb n="pba_626.002"/> Apollon. Er nennt sie:</p> <lb n="pba_626.003"/> <lg> <l>Der Nacht ergraute Kinder, Weiber, denen nie</l> <lb n="pba_626.004"/> <l>Der Götter einer, nie ein Mensch, noch Tier sich eint,</l> <lb n="pba_626.005"/> <l>Des Bösen wegen sind sie da; sie hausen drum</l> <lb n="pba_626.006"/> <l>Jm bösen Dunkel unten tief im Tartaros,</l> <lb n="pba_626.007"/> <l>Der Menschen Abscheu und der Götter im Olymp.</l> </lg> <p><lb n="pba_626.008"/> Und auf den Vorwurf der Erinnyen, daß er dem Muttermörder <lb n="pba_626.009"/> Schutz gewährt:</p> <lb n="pba_626.010"/> <lg> <l>Mit solchem Blutgreul, Seher du, an deinem Herd</l> <lb n="pba_626.011"/> <l>Schändest dein Haus du selbstwilligend, selbstberufend,</l> <lb n="pba_626.012"/> <l> Der du die Menschen ehrst wider der Götter Recht,</l> <lb n="pba_626.013"/> <l> Der Moiren Macht, der uralten, brichst!</l> </lg> <lb n="pba_626.014"/> <p>erwidert er:</p> <lb n="pba_626.015"/> <lg> <l>Fort! <hi rendition="#g">meiner</hi> Wohnung dürfet ihr nicht nahe sein!</l> <lb n="pba_626.016"/> <l>Nein da, wo mörderköpfendes, augauswühlendes</l> <lb n="pba_626.017"/> <l>Gericht, wo Mordgemetzel, frevele Fehlgeburt,</l> <lb n="pba_626.018"/> <l>Entmannung, Schändung, alles Jammers Übermaß,</l> <lb n="pba_626.019"/> <l>Wo Aufgespießte jammerlaut, Gesteinigte</l> <lb n="pba_626.020"/> <l>Verröchelnd wimmern! Habt ihr nun genug gehört,</l> <lb n="pba_626.021"/> <l>Um welche Festlust, dran ihr euch ergötzt, verhaßt</l> <lb n="pba_626.022"/> <l>Den Göttern <hi rendition="#g">ihr</hi> seid?</l> </lg> <p><lb n="pba_626.023"/> Eine neue, aus dem inneren Wesen der Dinge urteilende Rechtsauffassung <lb n="pba_626.024"/> tritt der alten, starren, mechanisch nur den Thatbestand erfassenden <lb n="pba_626.025"/> Racheübung entgegen. Den Muttermörder heißt Apollon „zur <lb n="pba_626.026"/> Reinigung sich herzuwenden zu ihm“, während er die Blutthat der Klytämnestra <lb n="pba_626.027"/> schonungslos verfolgt: jene wenden umgekehrt ihren ganzen Grimm <lb n="pba_626.028"/> auf Orestes und müssen sich von Apollon vorwerfen lassen, daß sie „lau <lb n="pba_626.029"/> genug“ sind, den Ehebruch und Gattenmord Klytämnestras „nicht zu <lb n="pba_626.030"/> strafen“ oder doch „sichtlich viel gelassener aufzunehmen“. So repräsentieren <lb n="pba_626.031"/> die Erinnyen die uralte Naturgewalt des Fluches, der auf <lb n="pba_626.032"/> dem vergossenen Blut des Verwandten, Befreundeten ruht, am schwersten <lb n="pba_626.033"/> auf dem „niedergeflossenen, unwiederbringbaren Mutterblut“.</p> <lb n="pba_626.034"/> <lg> <l>Nicht kann Apollon, nicht Athenes heilige Kraft</l> <lb n="pba_626.035"/> <l>Dich schützen, daß du nicht von meiner Wut verfolgt</l> <lb n="pba_626.036"/> <l>Verkommst, vergissest, wo im Herzen Freude weilt,</l> <lb n="pba_626.037"/> <l>Du meine Weide, Blutes leer, ein Schatten bald! </l> </lg> <lg> <lb n="pba_626.038"/> <l>Lebendig mußt du mich laben, nicht geopfert erst!</l> <lb n="pba_626.039"/> <l>Hör unser Bannlied, dich zu fesseln und zu fahn</l> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [626/0644]
pba_626.001
Harmonie und helle, hohe Freudigkeit von Stirn und Auge strahlt, pba_626.002
Apollon. Er nennt sie:
pba_626.003
Der Nacht ergraute Kinder, Weiber, denen nie pba_626.004
Der Götter einer, nie ein Mensch, noch Tier sich eint, pba_626.005
Des Bösen wegen sind sie da; sie hausen drum pba_626.006
Jm bösen Dunkel unten tief im Tartaros, pba_626.007
Der Menschen Abscheu und der Götter im Olymp.
pba_626.008
Und auf den Vorwurf der Erinnyen, daß er dem Muttermörder pba_626.009
Schutz gewährt:
pba_626.010
Mit solchem Blutgreul, Seher du, an deinem Herd pba_626.011
Schändest dein Haus du selbstwilligend, selbstberufend, pba_626.012
Der du die Menschen ehrst wider der Götter Recht, pba_626.013
Der Moiren Macht, der uralten, brichst!
pba_626.014
erwidert er:
pba_626.015
Fort! meiner Wohnung dürfet ihr nicht nahe sein! pba_626.016
Nein da, wo mörderköpfendes, augauswühlendes pba_626.017
Gericht, wo Mordgemetzel, frevele Fehlgeburt, pba_626.018
Entmannung, Schändung, alles Jammers Übermaß, pba_626.019
Wo Aufgespießte jammerlaut, Gesteinigte pba_626.020
Verröchelnd wimmern! Habt ihr nun genug gehört, pba_626.021
Um welche Festlust, dran ihr euch ergötzt, verhaßt pba_626.022
Den Göttern ihr seid?
pba_626.023
Eine neue, aus dem inneren Wesen der Dinge urteilende Rechtsauffassung pba_626.024
tritt der alten, starren, mechanisch nur den Thatbestand erfassenden pba_626.025
Racheübung entgegen. Den Muttermörder heißt Apollon „zur pba_626.026
Reinigung sich herzuwenden zu ihm“, während er die Blutthat der Klytämnestra pba_626.027
schonungslos verfolgt: jene wenden umgekehrt ihren ganzen Grimm pba_626.028
auf Orestes und müssen sich von Apollon vorwerfen lassen, daß sie „lau pba_626.029
genug“ sind, den Ehebruch und Gattenmord Klytämnestras „nicht zu pba_626.030
strafen“ oder doch „sichtlich viel gelassener aufzunehmen“. So repräsentieren pba_626.031
die Erinnyen die uralte Naturgewalt des Fluches, der auf pba_626.032
dem vergossenen Blut des Verwandten, Befreundeten ruht, am schwersten pba_626.033
auf dem „niedergeflossenen, unwiederbringbaren Mutterblut“.
pba_626.034
Nicht kann Apollon, nicht Athenes heilige Kraft pba_626.035
Dich schützen, daß du nicht von meiner Wut verfolgt pba_626.036
Verkommst, vergissest, wo im Herzen Freude weilt, pba_626.037
Du meine Weide, Blutes leer, ein Schatten bald!
pba_626.038
Lebendig mußt du mich laben, nicht geopfert erst! pba_626.039
Hör unser Bannlied, dich zu fesseln und zu fahn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |