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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Zweiter Theil.
Gemeindewirthschaftslehre.
Einleitung.
§. 378.

Die Gemeinden, von deren Wirthschaft (§. 43.) hier die
Rede ist, werden jetzt allmälig, nachdem ihr Wesen und ihre Be-
deutsamkeit für das Volks- und Staatswohl lange Zeit mißkannt
gewesen, von ihrer richtigen und wichtigen Seite betrachtet. Im
Mittelalter waren blos Städte die eigentlichen Gemeinden (Com-
munitates),
und das Element, aus welchem sie sich selbst, ihre
Verfassung und Verwaltung bildeten, waren die Kaufmanns- und
die Handwerksgesellschaften oder Gilden1), eine Thatsache, aus
welcher sich erklären läßt, warum das städtische Gewerbswesen im
Gegensatze des ländlichen der Inbegriff der Handelsgeschäfte und
Kunstgewerbe war. Sind diese Gemeinden auf diese Weise daher
als freie Vereinigungen zur Erzielung verschiedener gemeinsamer
Zwecke zu betrachten, so dürfen die gemeinschaftlichen Niederlas-
sungen ähnlicher Art auf dem Lande, um eine Burg (Bürger,
Bürgerschaften) u. dgl. ebenfalls nur als solche betrachtet werden.
Steigt man aber in jene tiefe Zeit hinab, wo solche Unterschei-
dungen noch nicht vorhanden sind, so findet man schon Genossen-
schaften, auf Stammgleichheit, Verwandtschaft und anderen
Basen beruhende gemeinschaftliche Niederlassungen auf einem be-
grenzten Gebiete (einer Mark), welche sich nach eigenen bestimmten
Rechten im Innern und gegen Außen Schutz und Sicherheit ge-
währten (§. 7. 8.). Aus diesen verschiedenen kleineren staatsähn-
lichen Verbindungen ging unstreitig der größere Staatsverband
hervor. Die städtischen Gewerbe und mit ihnen die städtische Ver-
fassung und Verwaltung entfalteten sich theils unter dem Schutze
der Freiheit und Selbstständigkeit, theils unter den Wohlthaten
manchfacher Gerechtsame und Privilegien zu einer Blüthe und zu
einem Reichthume, woraus ihre politische Bedeutsamkeit hervor-
ging, die sie bei Staatsfragen mit den Hauptständen in den ersten
Rang stellte (§. 14. 20. 23.). So sehr sie anfänglich und längere
Zeit hindurch der Stolz der Staaten und Fürsten waren, ebenso
erregten sie später, als in der Wirthschaft der Fürsten und Adeligen
der frühere Glanz und Reichthum der Armuth Platz gemacht hatte,
die Eifersucht derselben. Diese und das kräftigere nachdrückliche

Zweiter Theil.
Gemeindewirthſchaftslehre.
Einleitung.
§. 378.

Die Gemeinden, von deren Wirthſchaft (§. 43.) hier die
Rede iſt, werden jetzt allmälig, nachdem ihr Weſen und ihre Be-
deutſamkeit für das Volks- und Staatswohl lange Zeit mißkannt
geweſen, von ihrer richtigen und wichtigen Seite betrachtet. Im
Mittelalter waren blos Städte die eigentlichen Gemeinden (Com-
munitates),
und das Element, aus welchem ſie ſich ſelbſt, ihre
Verfaſſung und Verwaltung bildeten, waren die Kaufmanns- und
die Handwerksgeſellſchaften oder Gilden1), eine Thatſache, aus
welcher ſich erklären läßt, warum das ſtädtiſche Gewerbsweſen im
Gegenſatze des ländlichen der Inbegriff der Handelsgeſchäfte und
Kunſtgewerbe war. Sind dieſe Gemeinden auf dieſe Weiſe daher
als freie Vereinigungen zur Erzielung verſchiedener gemeinſamer
Zwecke zu betrachten, ſo dürfen die gemeinſchaftlichen Niederlaſ-
ſungen ähnlicher Art auf dem Lande, um eine Burg (Bürger,
Bürgerſchaften) u. dgl. ebenfalls nur als ſolche betrachtet werden.
Steigt man aber in jene tiefe Zeit hinab, wo ſolche Unterſchei-
dungen noch nicht vorhanden ſind, ſo findet man ſchon Genoſſen-
ſchaften, auf Stammgleichheit, Verwandtſchaft und anderen
Baſen beruhende gemeinſchaftliche Niederlaſſungen auf einem be-
grenzten Gebiete (einer Mark), welche ſich nach eigenen beſtimmten
Rechten im Innern und gegen Außen Schutz und Sicherheit ge-
währten (§. 7. 8.). Aus dieſen verſchiedenen kleineren ſtaatsähn-
lichen Verbindungen ging unſtreitig der größere Staatsverband
hervor. Die ſtädtiſchen Gewerbe und mit ihnen die ſtädtiſche Ver-
faſſung und Verwaltung entfalteten ſich theils unter dem Schutze
der Freiheit und Selbſtſtändigkeit, theils unter den Wohlthaten
manchfacher Gerechtſame und Privilegien zu einer Blüthe und zu
einem Reichthume, woraus ihre politiſche Bedeutſamkeit hervor-
ging, die ſie bei Staatsfragen mit den Hauptſtänden in den erſten
Rang ſtellte (§. 14. 20. 23.). So ſehr ſie anfänglich und längere
Zeit hindurch der Stolz der Staaten und Fürſten waren, ebenſo
erregten ſie ſpäter, als in der Wirthſchaft der Fürſten und Adeligen
der frühere Glanz und Reichthum der Armuth Platz gemacht hatte,
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[506/0528] Zweiter Theil. Gemeindewirthſchaftslehre. Einleitung. §. 378. Die Gemeinden, von deren Wirthſchaft (§. 43.) hier die Rede iſt, werden jetzt allmälig, nachdem ihr Weſen und ihre Be- deutſamkeit für das Volks- und Staatswohl lange Zeit mißkannt geweſen, von ihrer richtigen und wichtigen Seite betrachtet. Im Mittelalter waren blos Städte die eigentlichen Gemeinden (Com- munitates), und das Element, aus welchem ſie ſich ſelbſt, ihre Verfaſſung und Verwaltung bildeten, waren die Kaufmanns- und die Handwerksgeſellſchaften oder Gilden1), eine Thatſache, aus welcher ſich erklären läßt, warum das ſtädtiſche Gewerbsweſen im Gegenſatze des ländlichen der Inbegriff der Handelsgeſchäfte und Kunſtgewerbe war. Sind dieſe Gemeinden auf dieſe Weiſe daher als freie Vereinigungen zur Erzielung verſchiedener gemeinſamer Zwecke zu betrachten, ſo dürfen die gemeinſchaftlichen Niederlaſ- ſungen ähnlicher Art auf dem Lande, um eine Burg (Bürger, Bürgerſchaften) u. dgl. ebenfalls nur als ſolche betrachtet werden. Steigt man aber in jene tiefe Zeit hinab, wo ſolche Unterſchei- dungen noch nicht vorhanden ſind, ſo findet man ſchon Genoſſen- ſchaften, auf Stammgleichheit, Verwandtſchaft und anderen Baſen beruhende gemeinſchaftliche Niederlaſſungen auf einem be- grenzten Gebiete (einer Mark), welche ſich nach eigenen beſtimmten Rechten im Innern und gegen Außen Schutz und Sicherheit ge- währten (§. 7. 8.). Aus dieſen verſchiedenen kleineren ſtaatsähn- lichen Verbindungen ging unſtreitig der größere Staatsverband hervor. Die ſtädtiſchen Gewerbe und mit ihnen die ſtädtiſche Ver- faſſung und Verwaltung entfalteten ſich theils unter dem Schutze der Freiheit und Selbſtſtändigkeit, theils unter den Wohlthaten manchfacher Gerechtſame und Privilegien zu einer Blüthe und zu einem Reichthume, woraus ihre politiſche Bedeutſamkeit hervor- ging, die ſie bei Staatsfragen mit den Hauptſtänden in den erſten Rang ſtellte (§. 14. 20. 23.). So ſehr ſie anfänglich und längere Zeit hindurch der Stolz der Staaten und Fürſten waren, ebenſo erregten ſie ſpäter, als in der Wirthſchaft der Fürſten und Adeligen der frühere Glanz und Reichthum der Armuth Platz gemacht hatte, die Eiferſucht derſelben. Dieſe und das kräftigere nachdrückliche

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/528>, abgerufen am 22.11.2024.