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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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gebracht hat, so ist doch schon an sich der ausgedehnte Aufschluß
hier von der höchsten Wichtigkeit, welchen sie über Staat, Recht,
Strafe, Vernunft und Moral gegeben hat. Allein das ganze
Kantische System war der Entwickelung der Kameralwissenschaft
unentbehrlich1). In noch näherer Beziehung zu ihr stehen aber
von Herders Verdienste um die Philosophie der Geschichte der
Menschheit2); denn diese lehrt gerade, was im politischen Theile
der Kameralwissenschaften und in der Politik selbst sehr schwer ist,
das historische Einzelne auf ein allgemeines Prinzip zurückzuführen,
und selbst wenn sie auch über Vieles keine reellen Aufschlüsse ge-
geben hätte, was jenen wichtig ist, so mußte sie wenigstens die
Art klarer machen, wie man so umfassende Fragen zu behandeln hat.

Unter diesem fünffachen Einflusse gedieh nun die Kameral-
wissenschaft, da sie gerade erhielt, was ihr gemangelt hatte (§. 30).
Insbesondere sah man sogleich, daß die Theorie des Volksver-
mögens ein integrirender Theil derselben sein mußte. Aber darüber
entstanden Schwierigkeiten, in wieferne und welchen Platz sie im
kameralistischen Systeme einnehmen sollte. Denn mit der Polizei-
wissenschaft stand sie nur halb in logischem Zusammenhange, weil
es diese auch mit dem Bildungswesen, der Religion, Gesundheit
und Sicherheit zu thun hatte, wovon jene nichts enthielt. Mit
der Finanzwissenschaft war sie auch schwer zu verbinden, zum
Theile weil ihr Ineinandergreifen auch nur theilweise war, zum
Theile weil sie sich oft geradezu widersprachen und zum Theile weil
sie schon in der Lehre von der Verzehrung des Volksvermögens
einen wesentlichen Theil der Lezteren abhandelte. Ueberhaupt war
in ihr das Philosophische mit dem theoretisch und praktisch Poli-
tischen noch so vermengt, daß man nicht wußte, welche Seite als
die wichtigste herauszuheben sei3), obschon man einsah, daß sie
mit den ökonomischen Wissenschaften nichts gemein hatte4). Jedoch
die Schlötzer'sche Staatswissenschaft war in diesen Zweifeln ent-
scheidend, indem sie blos die Sicherheitspolizei für die Polizei
erklärte, und ihr die Pflege der Volkswirthschaft und Volksbildung
gegenüber stellte. Leztere fiel an sich außer das Gebiet der Kameral-
wissenschaft; die Polizei, der Justiz gegenüber, hätte in ihr nur
nach dem verkehrten Prinzipe Platz finden können, daß man Wohl-
stand und Bildung befördere, um die Sicherheit zu erhalten5).
Daher fiel nur die Pflege der Volkswirthschaft der Kameralwissen-
schaft anheim, während die Statistik eine Hilfswissenschaft
sowohl der Lezteren als der Staatswissenschaft wurde. Die
Kameralwissenschaft bestand also fortan aus den ökonomischen Wis-
senschaften, der Theorie des Volksvermögens nebst ihren praktischen

gebracht hat, ſo iſt doch ſchon an ſich der ausgedehnte Aufſchluß
hier von der höchſten Wichtigkeit, welchen ſie über Staat, Recht,
Strafe, Vernunft und Moral gegeben hat. Allein das ganze
Kantiſche Syſtem war der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft
unentbehrlich1). In noch näherer Beziehung zu ihr ſtehen aber
von Herders Verdienſte um die Philoſophie der Geſchichte der
Menſchheit2); denn dieſe lehrt gerade, was im politiſchen Theile
der Kameralwiſſenſchaften und in der Politik ſelbſt ſehr ſchwer iſt,
das hiſtoriſche Einzelne auf ein allgemeines Prinzip zurückzuführen,
und ſelbſt wenn ſie auch über Vieles keine reellen Aufſchlüſſe ge-
geben hätte, was jenen wichtig iſt, ſo mußte ſie wenigſtens die
Art klarer machen, wie man ſo umfaſſende Fragen zu behandeln hat.

Unter dieſem fünffachen Einfluſſe gedieh nun die Kameral-
wiſſenſchaft, da ſie gerade erhielt, was ihr gemangelt hatte (§. 30).
Insbeſondere ſah man ſogleich, daß die Theorie des Volksver-
mögens ein integrirender Theil derſelben ſein mußte. Aber darüber
entſtanden Schwierigkeiten, in wieferne und welchen Platz ſie im
kameraliſtiſchen Syſteme einnehmen ſollte. Denn mit der Polizei-
wiſſenſchaft ſtand ſie nur halb in logiſchem Zuſammenhange, weil
es dieſe auch mit dem Bildungsweſen, der Religion, Geſundheit
und Sicherheit zu thun hatte, wovon jene nichts enthielt. Mit
der Finanzwiſſenſchaft war ſie auch ſchwer zu verbinden, zum
Theile weil ihr Ineinandergreifen auch nur theilweiſe war, zum
Theile weil ſie ſich oft geradezu widerſprachen und zum Theile weil
ſie ſchon in der Lehre von der Verzehrung des Volksvermögens
einen weſentlichen Theil der Lezteren abhandelte. Ueberhaupt war
in ihr das Philoſophiſche mit dem theoretiſch und praktiſch Poli-
tiſchen noch ſo vermengt, daß man nicht wußte, welche Seite als
die wichtigſte herauszuheben ſei3), obſchon man einſah, daß ſie
mit den ökonomiſchen Wiſſenſchaften nichts gemein hatte4). Jedoch
die Schlötzer'ſche Staatswiſſenſchaft war in dieſen Zweifeln ent-
ſcheidend, indem ſie blos die Sicherheitspolizei für die Polizei
erklärte, und ihr die Pflege der Volkswirthſchaft und Volksbildung
gegenüber ſtellte. Leztere fiel an ſich außer das Gebiet der Kameral-
wiſſenſchaft; die Polizei, der Juſtiz gegenüber, hätte in ihr nur
nach dem verkehrten Prinzipe Platz finden können, daß man Wohl-
ſtand und Bildung befördere, um die Sicherheit zu erhalten5).
Daher fiel nur die Pflege der Volkswirthſchaft der Kameralwiſſen-
ſchaft anheim, während die Statiſtik eine Hilfswiſſenſchaft
ſowohl der Lezteren als der Staatswiſſenſchaft wurde. Die
Kameralwiſſenſchaft beſtand alſo fortan aus den ökonomiſchen Wiſ-
ſenſchaften, der Theorie des Volksvermögens nebſt ihren praktiſchen

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[43/0065] gebracht hat, ſo iſt doch ſchon an ſich der ausgedehnte Aufſchluß hier von der höchſten Wichtigkeit, welchen ſie über Staat, Recht, Strafe, Vernunft und Moral gegeben hat. Allein das ganze Kantiſche Syſtem war der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft unentbehrlich1). In noch näherer Beziehung zu ihr ſtehen aber von Herders Verdienſte um die Philoſophie der Geſchichte der Menſchheit2); denn dieſe lehrt gerade, was im politiſchen Theile der Kameralwiſſenſchaften und in der Politik ſelbſt ſehr ſchwer iſt, das hiſtoriſche Einzelne auf ein allgemeines Prinzip zurückzuführen, und ſelbſt wenn ſie auch über Vieles keine reellen Aufſchlüſſe ge- geben hätte, was jenen wichtig iſt, ſo mußte ſie wenigſtens die Art klarer machen, wie man ſo umfaſſende Fragen zu behandeln hat. Unter dieſem fünffachen Einfluſſe gedieh nun die Kameral- wiſſenſchaft, da ſie gerade erhielt, was ihr gemangelt hatte (§. 30). Insbeſondere ſah man ſogleich, daß die Theorie des Volksver- mögens ein integrirender Theil derſelben ſein mußte. Aber darüber entſtanden Schwierigkeiten, in wieferne und welchen Platz ſie im kameraliſtiſchen Syſteme einnehmen ſollte. Denn mit der Polizei- wiſſenſchaft ſtand ſie nur halb in logiſchem Zuſammenhange, weil es dieſe auch mit dem Bildungsweſen, der Religion, Geſundheit und Sicherheit zu thun hatte, wovon jene nichts enthielt. Mit der Finanzwiſſenſchaft war ſie auch ſchwer zu verbinden, zum Theile weil ihr Ineinandergreifen auch nur theilweiſe war, zum Theile weil ſie ſich oft geradezu widerſprachen und zum Theile weil ſie ſchon in der Lehre von der Verzehrung des Volksvermögens einen weſentlichen Theil der Lezteren abhandelte. Ueberhaupt war in ihr das Philoſophiſche mit dem theoretiſch und praktiſch Poli- tiſchen noch ſo vermengt, daß man nicht wußte, welche Seite als die wichtigſte herauszuheben ſei3), obſchon man einſah, daß ſie mit den ökonomiſchen Wiſſenſchaften nichts gemein hatte4). Jedoch die Schlötzer'ſche Staatswiſſenſchaft war in dieſen Zweifeln ent- ſcheidend, indem ſie blos die Sicherheitspolizei für die Polizei erklärte, und ihr die Pflege der Volkswirthſchaft und Volksbildung gegenüber ſtellte. Leztere fiel an ſich außer das Gebiet der Kameral- wiſſenſchaft; die Polizei, der Juſtiz gegenüber, hätte in ihr nur nach dem verkehrten Prinzipe Platz finden können, daß man Wohl- ſtand und Bildung befördere, um die Sicherheit zu erhalten5). Daher fiel nur die Pflege der Volkswirthſchaft der Kameralwiſſen- ſchaft anheim, während die Statiſtik eine Hilfswiſſenſchaft ſowohl der Lezteren als der Staatswiſſenſchaft wurde. Die Kameralwiſſenſchaft beſtand alſo fortan aus den ökonomiſchen Wiſ- ſenſchaften, der Theorie des Volksvermögens nebſt ihren praktiſchen

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/65>, abgerufen am 24.11.2024.