Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweiter Absatz.
Entschädigungsmittel.
§. 455.
1) Im Allgemeinen.

In früheren Zeiten ist es üblich gewesen, die Schäden der
genannten Arten durch Collecten, Unterstützung aus den Staats-
kassen, durch die Gnade des Landesherrn, durch Errichtung von
Lotterien und durch Ertheilung von Collectirbriefen (woher der
Name Brandbrief) zu decken. Aus so edelmüthigen Gründen
solche Unterstützungen, wie sie auch jetzt noch dargeboten werden,
auch immer fließen mögen, so sind sie doch in den wenigsten Fällen
zureichend und bieten keine hinreichende allgemeine Sicherheit dar,
während insbesondere mit der Collectirerlaubniß mehr oder weniger
Unfug getrieben werden kann1). Es ist daher ein schöner Zug des
neuern Volksgeistes, daß man sich zu Anstalten zu vereinigen sucht,
welche die Versicherung gegen solche Schäden vermöge Vertrags
bestimmt möglich machen und es ist Eine der erfolgreichsten Staats-
maximen, solche Assecuranz- oder Versicherungsanstalten
oder -Gesellschaften nicht blos zu begünstigen, sondern auch
unmittelbar unter seinen Schutz zu nehmen. Es ist zwar nicht zu
läugnen, daß solche Anstalten die Zahl der Unglücksfälle, insoweit
diese von Sorglosigkeit und böslicher Absicht der Menschen, die
versichert sind, abhängen, vermehren können; allein sie behalten
trotz eines solchen schmählichen Mißbrauchs ihren volkswirthschaft-
lichen Werth, nicht, weil sie den für das Volksvermögen verlorenen
Werth ersetzen sollen, denn dies ist nicht möglich, sondern weil sie
den außerordentlichen Schaden Einzelner auf Viele repartiren und
dessen Tragung erleichtern. Entweder vereinigen sich zum Behufe
gegenseitiger Entschädigung aus gemeinsamer Kasse die Interes-
senten eines Landes, einer Gegend oder einer Gemeinde und be-
zahlen verhältnißmäßige Beiträge; oder es tritt eine Gesellschaft
von Personen zusammen, um Andern eine Entschädigung dieser Art
gegen eine vorausbezahlte Summe (Prämie) zuzusichern, so daß
Versicherer und Versicherte ganz verschiedene Personen bilden; oder
endlich es vereinigen sich Leute in eine Gesellschaft dieser Art eines
Theils, um sich eintretende Schäden zu ersetzen und den periodisch
sich ergebenden Gewinn wieder unter einander zu theilen. Diese
letzteren Vereinigungen sind aber im Ganzen von den ersteren nicht
verschieden, außer in der Annahme, daß sie den Kassenrest als
Gewinn austheilen, während ihn jene in der Kasse behalten, was

41 *
Zweiter Abſatz.
Entſchädigungsmittel.
§. 455.
1) Im Allgemeinen.

In früheren Zeiten iſt es üblich geweſen, die Schäden der
genannten Arten durch Collecten, Unterſtützung aus den Staats-
kaſſen, durch die Gnade des Landesherrn, durch Errichtung von
Lotterien und durch Ertheilung von Collectirbriefen (woher der
Name Brandbrief) zu decken. Aus ſo edelmüthigen Gründen
ſolche Unterſtützungen, wie ſie auch jetzt noch dargeboten werden,
auch immer fließen mögen, ſo ſind ſie doch in den wenigſten Fällen
zureichend und bieten keine hinreichende allgemeine Sicherheit dar,
während insbeſondere mit der Collectirerlaubniß mehr oder weniger
Unfug getrieben werden kann1). Es iſt daher ein ſchöner Zug des
neuern Volksgeiſtes, daß man ſich zu Anſtalten zu vereinigen ſucht,
welche die Verſicherung gegen ſolche Schäden vermöge Vertrags
beſtimmt möglich machen und es iſt Eine der erfolgreichſten Staats-
maximen, ſolche Aſſecuranz- oder Verſicherungsanſtalten
oder -Geſellſchaften nicht blos zu begünſtigen, ſondern auch
unmittelbar unter ſeinen Schutz zu nehmen. Es iſt zwar nicht zu
läugnen, daß ſolche Anſtalten die Zahl der Unglücksfälle, inſoweit
dieſe von Sorgloſigkeit und böslicher Abſicht der Menſchen, die
verſichert ſind, abhängen, vermehren können; allein ſie behalten
trotz eines ſolchen ſchmählichen Mißbrauchs ihren volkswirthſchaft-
lichen Werth, nicht, weil ſie den für das Volksvermögen verlorenen
Werth erſetzen ſollen, denn dies iſt nicht möglich, ſondern weil ſie
den außerordentlichen Schaden Einzelner auf Viele repartiren und
deſſen Tragung erleichtern. Entweder vereinigen ſich zum Behufe
gegenſeitiger Entſchädigung aus gemeinſamer Kaſſe die Intereſ-
ſenten eines Landes, einer Gegend oder einer Gemeinde und be-
zahlen verhältnißmäßige Beiträge; oder es tritt eine Geſellſchaft
von Perſonen zuſammen, um Andern eine Entſchädigung dieſer Art
gegen eine vorausbezahlte Summe (Prämie) zuzuſichern, ſo daß
Verſicherer und Verſicherte ganz verſchiedene Perſonen bilden; oder
endlich es vereinigen ſich Leute in eine Geſellſchaft dieſer Art eines
Theils, um ſich eintretende Schäden zu erſetzen und den periodiſch
ſich ergebenden Gewinn wieder unter einander zu theilen. Dieſe
letzteren Vereinigungen ſind aber im Ganzen von den erſteren nicht
verſchieden, außer in der Annahme, daß ſie den Kaſſenreſt als
Gewinn austheilen, während ihn jene in der Kaſſe behalten, was

41 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0665" n="643"/>
                    <div n="8">
                      <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zweiter Ab&#x017F;atz</hi>.<lb/><hi rendition="#g">Ent&#x017F;chädigungsmittel</hi>.</hi> </head><lb/>
                      <div n="9">
                        <head> <hi rendition="#c">§. 455.<lb/>
1) <hi rendition="#g">Im Allgemeinen</hi>.</hi> </head><lb/>
                        <p>In früheren Zeiten i&#x017F;t es üblich gewe&#x017F;en, die Schäden der<lb/>
genannten Arten durch Collecten, Unter&#x017F;tützung aus den Staats-<lb/>
ka&#x017F;&#x017F;en, durch die Gnade des Landesherrn, durch Errichtung von<lb/>
Lotterien und durch Ertheilung von Collectirbriefen (woher der<lb/>
Name <hi rendition="#g">Brandbrief</hi>) zu decken. Aus &#x017F;o edelmüthigen Gründen<lb/>
&#x017F;olche Unter&#x017F;tützungen, wie &#x017F;ie auch jetzt noch dargeboten werden,<lb/>
auch immer fließen mögen, &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie doch in den wenig&#x017F;ten Fällen<lb/>
zureichend und bieten keine hinreichende allgemeine Sicherheit dar,<lb/>
während insbe&#x017F;ondere mit der Collectirerlaubniß mehr oder weniger<lb/>
Unfug getrieben werden kann<hi rendition="#sup">1</hi>). Es i&#x017F;t daher ein &#x017F;chöner Zug des<lb/>
neuern Volksgei&#x017F;tes, daß man &#x017F;ich zu An&#x017F;talten zu vereinigen &#x017F;ucht,<lb/>
welche die Ver&#x017F;icherung gegen &#x017F;olche Schäden vermöge Vertrags<lb/>
be&#x017F;timmt möglich machen und es i&#x017F;t Eine der erfolgreich&#x017F;ten Staats-<lb/>
maximen, &#x017F;olche <hi rendition="#g">A&#x017F;&#x017F;ecuranz</hi>- oder <hi rendition="#g">Ver&#x017F;icherungsan&#x017F;talten</hi><lb/>
oder -<hi rendition="#g">Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften</hi> nicht blos zu begün&#x017F;tigen, &#x017F;ondern auch<lb/>
unmittelbar unter &#x017F;einen Schutz zu nehmen. Es i&#x017F;t zwar nicht zu<lb/>
läugnen, daß &#x017F;olche An&#x017F;talten die Zahl der Unglücksfälle, in&#x017F;oweit<lb/>
die&#x017F;e von Sorglo&#x017F;igkeit und böslicher Ab&#x017F;icht der Men&#x017F;chen, die<lb/>
ver&#x017F;ichert &#x017F;ind, abhängen, vermehren können; allein &#x017F;ie behalten<lb/>
trotz eines &#x017F;olchen &#x017F;chmählichen Mißbrauchs ihren volkswirth&#x017F;chaft-<lb/>
lichen Werth, nicht, weil &#x017F;ie den für das Volksvermögen verlorenen<lb/>
Werth er&#x017F;etzen &#x017F;ollen, denn dies i&#x017F;t nicht möglich, &#x017F;ondern weil &#x017F;ie<lb/>
den außerordentlichen Schaden Einzelner auf Viele repartiren und<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Tragung erleichtern. Entweder vereinigen &#x017F;ich zum Behufe<lb/>
gegen&#x017F;eitiger Ent&#x017F;chädigung aus gemein&#x017F;amer Ka&#x017F;&#x017F;e die Intere&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enten eines Landes, einer Gegend oder einer Gemeinde und be-<lb/>
zahlen verhältnißmäßige Beiträge; oder es tritt eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
von Per&#x017F;onen zu&#x017F;ammen, um Andern eine Ent&#x017F;chädigung die&#x017F;er Art<lb/>
gegen eine vorausbezahlte Summe (Prämie) zuzu&#x017F;ichern, &#x017F;o daß<lb/>
Ver&#x017F;icherer und Ver&#x017F;icherte ganz ver&#x017F;chiedene Per&#x017F;onen bilden; oder<lb/>
endlich es vereinigen &#x017F;ich Leute in eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft die&#x017F;er Art eines<lb/>
Theils, um &#x017F;ich eintretende Schäden zu er&#x017F;etzen und den periodi&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ich ergebenden Gewinn wieder unter einander zu theilen. Die&#x017F;e<lb/>
letzteren Vereinigungen &#x017F;ind aber im Ganzen von den er&#x017F;teren nicht<lb/>
ver&#x017F;chieden, außer in der Annahme, daß &#x017F;ie den Ka&#x017F;&#x017F;enre&#x017F;t als<lb/>
Gewinn austheilen, während ihn jene in der Ka&#x017F;&#x017F;e behalten, was<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">41 *</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[643/0665] Zweiter Abſatz. Entſchädigungsmittel. §. 455. 1) Im Allgemeinen. In früheren Zeiten iſt es üblich geweſen, die Schäden der genannten Arten durch Collecten, Unterſtützung aus den Staats- kaſſen, durch die Gnade des Landesherrn, durch Errichtung von Lotterien und durch Ertheilung von Collectirbriefen (woher der Name Brandbrief) zu decken. Aus ſo edelmüthigen Gründen ſolche Unterſtützungen, wie ſie auch jetzt noch dargeboten werden, auch immer fließen mögen, ſo ſind ſie doch in den wenigſten Fällen zureichend und bieten keine hinreichende allgemeine Sicherheit dar, während insbeſondere mit der Collectirerlaubniß mehr oder weniger Unfug getrieben werden kann1). Es iſt daher ein ſchöner Zug des neuern Volksgeiſtes, daß man ſich zu Anſtalten zu vereinigen ſucht, welche die Verſicherung gegen ſolche Schäden vermöge Vertrags beſtimmt möglich machen und es iſt Eine der erfolgreichſten Staats- maximen, ſolche Aſſecuranz- oder Verſicherungsanſtalten oder -Geſellſchaften nicht blos zu begünſtigen, ſondern auch unmittelbar unter ſeinen Schutz zu nehmen. Es iſt zwar nicht zu läugnen, daß ſolche Anſtalten die Zahl der Unglücksfälle, inſoweit dieſe von Sorgloſigkeit und böslicher Abſicht der Menſchen, die verſichert ſind, abhängen, vermehren können; allein ſie behalten trotz eines ſolchen ſchmählichen Mißbrauchs ihren volkswirthſchaft- lichen Werth, nicht, weil ſie den für das Volksvermögen verlorenen Werth erſetzen ſollen, denn dies iſt nicht möglich, ſondern weil ſie den außerordentlichen Schaden Einzelner auf Viele repartiren und deſſen Tragung erleichtern. Entweder vereinigen ſich zum Behufe gegenſeitiger Entſchädigung aus gemeinſamer Kaſſe die Intereſ- ſenten eines Landes, einer Gegend oder einer Gemeinde und be- zahlen verhältnißmäßige Beiträge; oder es tritt eine Geſellſchaft von Perſonen zuſammen, um Andern eine Entſchädigung dieſer Art gegen eine vorausbezahlte Summe (Prämie) zuzuſichern, ſo daß Verſicherer und Verſicherte ganz verſchiedene Perſonen bilden; oder endlich es vereinigen ſich Leute in eine Geſellſchaft dieſer Art eines Theils, um ſich eintretende Schäden zu erſetzen und den periodiſch ſich ergebenden Gewinn wieder unter einander zu theilen. Dieſe letzteren Vereinigungen ſind aber im Ganzen von den erſteren nicht verſchieden, außer in der Annahme, daß ſie den Kaſſenreſt als Gewinn austheilen, während ihn jene in der Kaſſe behalten, was 41 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/665
Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/665>, abgerufen am 24.11.2024.