wenig entwickelten Staaten zu finden, setzt voraus, daß der Staat jedenfalls Arbeit, Grund und Boden und ein eigenes stehendes Capital gewerblich anwendet, indem er entweder mit den Bürgern frei concurrirt oder sie von Gewerben, die er sich allein zu wirth- schaftlichem Vortheile vorbehalten hat (Finanzregalien), aus- schließt. Die zweite Art, schon eine höhere Culturstufe des Staats voraussetzend, unterscheidet die Staatswirthschaft wesentlich von der Privat- und Gemeindewirthschaft (§. 383.), und hat das Ei- genthümliche, daß sie kein stehendes Capital und keinen Grund und Boden braucht, sondern blos Arbeit zur Erhebung und Verwaltung nöthig hat, die Staatseinkünfte blos als umlaufendes Capital oder Consumtionsvorrath in Circulation erhält und die freie Concurrenz im Gewerbswesen nicht stört. Die dritte Art endlich, erst bei der höchsten Ausbildung des Staatswesens im Gebrauche, hat das Gute, daß sie nur dort Einkünfte erhebt, wo sich Vermögen in hinreichender Menge angesammelt findet, und hat im Uebrigen die Vortheile der zweiten Art. Man könnte hiernach in Versuchung gerathen, die Erste für unbedingt für verwerflich zu erklären und die Letzte unter allen Dreien vorzuziehen. Aber um die durch die Letzte eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, bedarf man immer eine der beiden ersteren Arten, und die erste Art ist sehr häufig aus polizeilichen und staatsrechtlichen Gründen nicht nach Belieben zu entfernen. Das Nähere darüber wird im nächsten Buche erörtert.
B. In Betreff des Einzugs gibt es ein Natural- und ein Geldwirthschaftssystem, je nachdem der Staat seine Einkünfte in Natur oder in Geld erhebt. Das Erstere ist von der oben ge- nannten ersten Erwerbsart unzertrennlich und findet sich zuweilen auch bei der zweiten Art. Der Staat verwickelt sich dadurch in alle Müheseeligkeit, Kosten und Gefahren der längeren Aufbe- wahrung und macht daher sein Einkommen und die Befriedigung seiner Bedürfnisse im höchsten Grade unsicher, was bei dem Geld- systeme nicht der Fall ist. Es wird aber natürlich dabei voraus- gesetzt, daß der Verkehr schon so weit gediehen und der Gebrauch des Geldes so allgemein ist, daß man das Letztere einführen kann. In diesem Falle zerfällt die gewöhnliche Einwendung für das Naturalsystem, daß der Bürger leichter in Natur als in Geld Abgaben bezahle, ganz als unhaltbar und mit dem Staatsvortheile nicht übereinstimmend, in sich selbst.
wenig entwickelten Staaten zu finden, ſetzt voraus, daß der Staat jedenfalls Arbeit, Grund und Boden und ein eigenes ſtehendes Capital gewerblich anwendet, indem er entweder mit den Bürgern frei concurrirt oder ſie von Gewerben, die er ſich allein zu wirth- ſchaftlichem Vortheile vorbehalten hat (Finanzregalien), aus- ſchließt. Die zweite Art, ſchon eine höhere Culturſtufe des Staats vorausſetzend, unterſcheidet die Staatswirthſchaft weſentlich von der Privat- und Gemeindewirthſchaft (§. 383.), und hat das Ei- genthümliche, daß ſie kein ſtehendes Capital und keinen Grund und Boden braucht, ſondern blos Arbeit zur Erhebung und Verwaltung nöthig hat, die Staatseinkünfte blos als umlaufendes Capital oder Conſumtionsvorrath in Circulation erhält und die freie Concurrenz im Gewerbsweſen nicht ſtört. Die dritte Art endlich, erſt bei der höchſten Ausbildung des Staatsweſens im Gebrauche, hat das Gute, daß ſie nur dort Einkünfte erhebt, wo ſich Vermögen in hinreichender Menge angeſammelt findet, und hat im Uebrigen die Vortheile der zweiten Art. Man könnte hiernach in Verſuchung gerathen, die Erſte für unbedingt für verwerflich zu erklären und die Letzte unter allen Dreien vorzuziehen. Aber um die durch die Letzte eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, bedarf man immer eine der beiden erſteren Arten, und die erſte Art iſt ſehr häufig aus polizeilichen und ſtaatsrechtlichen Gründen nicht nach Belieben zu entfernen. Das Nähere darüber wird im nächſten Buche erörtert.
B. In Betreff des Einzugs gibt es ein Natural- und ein Geldwirthſchaftsſyſtem, je nachdem der Staat ſeine Einkünfte in Natur oder in Geld erhebt. Das Erſtere iſt von der oben ge- nannten erſten Erwerbsart unzertrennlich und findet ſich zuweilen auch bei der zweiten Art. Der Staat verwickelt ſich dadurch in alle Müheſeeligkeit, Koſten und Gefahren der längeren Aufbe- wahrung und macht daher ſein Einkommen und die Befriedigung ſeiner Bedürfniſſe im höchſten Grade unſicher, was bei dem Geld- ſyſteme nicht der Fall iſt. Es wird aber natürlich dabei voraus- geſetzt, daß der Verkehr ſchon ſo weit gediehen und der Gebrauch des Geldes ſo allgemein iſt, daß man das Letztere einführen kann. In dieſem Falle zerfällt die gewöhnliche Einwendung für das Naturalſyſtem, daß der Bürger leichter in Natur als in Geld Abgaben bezahle, ganz als unhaltbar und mit dem Staatsvortheile nicht übereinſtimmend, in ſich ſelbſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0718"n="696"/>
wenig entwickelten Staaten zu finden, ſetzt voraus, daß der Staat<lb/>
jedenfalls Arbeit, Grund und Boden und ein eigenes ſtehendes<lb/>
Capital gewerblich anwendet, indem er entweder mit den Bürgern<lb/>
frei concurrirt oder ſie von Gewerben, die er ſich allein zu wirth-<lb/>ſchaftlichem Vortheile vorbehalten hat (<hirendition="#g">Finanzregalien</hi>), aus-<lb/>ſchließt. Die <hirendition="#g">zweite</hi> Art, ſchon eine höhere Culturſtufe des Staats<lb/>
vorausſetzend, unterſcheidet die Staatswirthſchaft weſentlich von<lb/>
der Privat- und Gemeindewirthſchaft (§. 383.), und hat das Ei-<lb/>
genthümliche, daß ſie kein ſtehendes Capital und keinen Grund und<lb/>
Boden braucht, ſondern blos Arbeit zur Erhebung und Verwaltung<lb/>
nöthig hat, die Staatseinkünfte blos als umlaufendes Capital oder<lb/>
Conſumtionsvorrath in Circulation erhält und die freie Concurrenz<lb/>
im Gewerbsweſen nicht ſtört. Die <hirendition="#g">dritte</hi> Art endlich, erſt bei<lb/>
der höchſten Ausbildung des Staatsweſens im Gebrauche, hat das<lb/>
Gute, daß ſie nur dort Einkünfte erhebt, wo ſich Vermögen in<lb/>
hinreichender Menge angeſammelt findet, und hat im Uebrigen die<lb/>
Vortheile der zweiten Art. Man könnte hiernach in Verſuchung<lb/>
gerathen, die Erſte für unbedingt für verwerflich zu erklären und die<lb/>
Letzte unter allen Dreien vorzuziehen. Aber um die durch die<lb/>
Letzte eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, bedarf man<lb/>
immer eine der beiden erſteren Arten, und die erſte Art iſt ſehr<lb/>
häufig aus polizeilichen und ſtaatsrechtlichen Gründen nicht nach<lb/>
Belieben zu entfernen. Das Nähere darüber wird im nächſten<lb/>
Buche erörtert.</p><lb/><p><hirendition="#aq">B.</hi> In Betreff des Einzugs gibt es ein <hirendition="#g">Natural</hi>- und ein<lb/><hirendition="#g">Geld</hi>wirthſchaftsſyſtem, je nachdem der Staat ſeine Einkünfte in<lb/>
Natur oder in Geld erhebt. Das Erſtere iſt von der oben ge-<lb/>
nannten erſten Erwerbsart unzertrennlich und findet ſich zuweilen<lb/>
auch bei der zweiten Art. Der Staat verwickelt ſich dadurch in<lb/>
alle Müheſeeligkeit, Koſten und Gefahren der längeren Aufbe-<lb/>
wahrung und macht daher ſein Einkommen und die Befriedigung<lb/>ſeiner Bedürfniſſe im höchſten Grade unſicher, was bei dem Geld-<lb/>ſyſteme nicht der Fall iſt. Es wird aber natürlich dabei voraus-<lb/>
geſetzt, daß der Verkehr ſchon ſo weit gediehen und der Gebrauch<lb/>
des Geldes ſo allgemein iſt, daß man das Letztere einführen kann.<lb/>
In dieſem Falle zerfällt die gewöhnliche Einwendung für das<lb/>
Naturalſyſtem, daß der Bürger leichter in Natur als in Geld<lb/>
Abgaben bezahle, ganz als unhaltbar und mit dem Staatsvortheile<lb/>
nicht übereinſtimmend, in ſich ſelbſt.</p></div></div><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[696/0718]
wenig entwickelten Staaten zu finden, ſetzt voraus, daß der Staat
jedenfalls Arbeit, Grund und Boden und ein eigenes ſtehendes
Capital gewerblich anwendet, indem er entweder mit den Bürgern
frei concurrirt oder ſie von Gewerben, die er ſich allein zu wirth-
ſchaftlichem Vortheile vorbehalten hat (Finanzregalien), aus-
ſchließt. Die zweite Art, ſchon eine höhere Culturſtufe des Staats
vorausſetzend, unterſcheidet die Staatswirthſchaft weſentlich von
der Privat- und Gemeindewirthſchaft (§. 383.), und hat das Ei-
genthümliche, daß ſie kein ſtehendes Capital und keinen Grund und
Boden braucht, ſondern blos Arbeit zur Erhebung und Verwaltung
nöthig hat, die Staatseinkünfte blos als umlaufendes Capital oder
Conſumtionsvorrath in Circulation erhält und die freie Concurrenz
im Gewerbsweſen nicht ſtört. Die dritte Art endlich, erſt bei
der höchſten Ausbildung des Staatsweſens im Gebrauche, hat das
Gute, daß ſie nur dort Einkünfte erhebt, wo ſich Vermögen in
hinreichender Menge angeſammelt findet, und hat im Uebrigen die
Vortheile der zweiten Art. Man könnte hiernach in Verſuchung
gerathen, die Erſte für unbedingt für verwerflich zu erklären und die
Letzte unter allen Dreien vorzuziehen. Aber um die durch die
Letzte eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, bedarf man
immer eine der beiden erſteren Arten, und die erſte Art iſt ſehr
häufig aus polizeilichen und ſtaatsrechtlichen Gründen nicht nach
Belieben zu entfernen. Das Nähere darüber wird im nächſten
Buche erörtert.
B. In Betreff des Einzugs gibt es ein Natural- und ein
Geldwirthſchaftsſyſtem, je nachdem der Staat ſeine Einkünfte in
Natur oder in Geld erhebt. Das Erſtere iſt von der oben ge-
nannten erſten Erwerbsart unzertrennlich und findet ſich zuweilen
auch bei der zweiten Art. Der Staat verwickelt ſich dadurch in
alle Müheſeeligkeit, Koſten und Gefahren der längeren Aufbe-
wahrung und macht daher ſein Einkommen und die Befriedigung
ſeiner Bedürfniſſe im höchſten Grade unſicher, was bei dem Geld-
ſyſteme nicht der Fall iſt. Es wird aber natürlich dabei voraus-
geſetzt, daß der Verkehr ſchon ſo weit gediehen und der Gebrauch
des Geldes ſo allgemein iſt, daß man das Letztere einführen kann.
In dieſem Falle zerfällt die gewöhnliche Einwendung für das
Naturalſyſtem, daß der Bürger leichter in Natur als in Geld
Abgaben bezahle, ganz als unhaltbar und mit dem Staatsvortheile
nicht übereinſtimmend, in ſich ſelbſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/718>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.