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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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norm für den Ertrag, da man diesen in ein gerades Verhält-
niß mit der Bevölkerung des Wohnortes setzt, also die Willkühr-
lichkeit der Klassifizirung und der Steuersätze, und die daher fol-
gende Steuerungleichheit, da bei den meisten Gewerben das ange-
nommene Verhältniß zwischen Ertrag und Ortsbevölkerung gar
nicht existirt. Die Gewerbesteuer dagegen sucht diesen letzteren
Fehler zu vermeiden, indem sie das aus Naturkräften, Kapital,
Arbeit, Absatz und Lebensweise sich entwickelnde Gewerbseinkommen
rein und so genau als möglich durch die Steuer zu erfassen strebt.
Man hat darum folgende Arten angewendet, um das reine Ein-
kommen zu treffen: a) die Umlage nach dem Gewerbscapitale,
sowohl dem stehenden, w. z. B. Mahlgänge, Webstühle, Kessel,
Brennhelme und dgl., als auch dem umlaufenden w. z. B. Ver-
brauch an Rohstoffen, Menge der Arbeiter u. dgl.4). Allein diese
Umlage ist einseitig und ungleich, weil mehr als Capitalanlagen
die Betriebsamkeit des Unternehmers und der Absatz das reine Ein-
kommen bei diesen Gewerben bestimmen und das umlaufende Ca-
pital ungleich schwerer als das stehende zu ermitteln ist, folglich
bei gleichem ermitteltem Capitale der Reinertrag doch höchst ver-
schieden sein kann. b) Die Umlage nach dem muthmaßlichen Ab-
satze und Umsatze. Allein die Ermittelung des Absatzes ist nur
durch gewaltige Eingriffe in die Betriebswirthschaft, z. B. Ein-
sicht der Bücher und dgl. möglich, dagegen ein Schluß auf dessen
Größe von der Größe und Bevölkerung des Wohnorts der Unter-
nehmer in den meisten Fällen grundfalsch. Um aber vom Capital-
umsatze auf den Reinertrag zu schließen, ist nicht blos die Er-
mittelung seiner Häufigkeit, sondern auch der Größe des umlau-
fenden Capitals und des jedesmaligen Zinsprocentes beim Umsatze
nöthig, und von dem gewonnenen Produkte die Abnutzung des ste-
henden Capitals, die Umsatzkosten und das sonstige umlaufende Ca-
pital abzuziehen, -- ein unreichbares Ideal von Ertragsschätzung.
c) Die Umlage nach dem auf diese verschiedenen Haltpunkte und
besonderen Gewerbsverhältnisse in Verbindung ermittelten durch-
schnittlichen Gewerbsreinertrage, die beste, obschon mit mehr
Mühe und Schwierigkeiten verbundene Methode. Sie ist noch
nicht praktisch in Anwendung, aber sie würde der obigen Kunst-
gewerbsteuer am nächsten führen, wenn man außer den gewöhnli-
chen Wirthschaftsausgaben den nothwendigen Lebensbedarf der Fa-
milie des Unternehmers im Durchschnitte und die Zinsen der Ge-
werbsanleihen in Abzug brächte, und die betreffenden Veränderun-
gen jedes Jahr nachtrüge. Es findet aber bei der Anlage dieser

norm für den Ertrag, da man dieſen in ein gerades Verhält-
niß mit der Bevölkerung des Wohnortes ſetzt, alſo die Willkühr-
lichkeit der Klaſſifizirung und der Steuerſätze, und die daher fol-
gende Steuerungleichheit, da bei den meiſten Gewerben das ange-
nommene Verhältniß zwiſchen Ertrag und Ortsbevölkerung gar
nicht exiſtirt. Die Gewerbeſteuer dagegen ſucht dieſen letzteren
Fehler zu vermeiden, indem ſie das aus Naturkräften, Kapital,
Arbeit, Abſatz und Lebensweiſe ſich entwickelnde Gewerbseinkommen
rein und ſo genau als möglich durch die Steuer zu erfaſſen ſtrebt.
Man hat darum folgende Arten angewendet, um das reine Ein-
kommen zu treffen: a) die Umlage nach dem Gewerbscapitale,
ſowohl dem ſtehenden, w. z. B. Mahlgänge, Webſtühle, Keſſel,
Brennhelme und dgl., als auch dem umlaufenden w. z. B. Ver-
brauch an Rohſtoffen, Menge der Arbeiter u. dgl.4). Allein dieſe
Umlage iſt einſeitig und ungleich, weil mehr als Capitalanlagen
die Betriebſamkeit des Unternehmers und der Abſatz das reine Ein-
kommen bei dieſen Gewerben beſtimmen und das umlaufende Ca-
pital ungleich ſchwerer als das ſtehende zu ermitteln iſt, folglich
bei gleichem ermitteltem Capitale der Reinertrag doch höchſt ver-
ſchieden ſein kann. b) Die Umlage nach dem muthmaßlichen Ab-
ſatze und Umſatze. Allein die Ermittelung des Abſatzes iſt nur
durch gewaltige Eingriffe in die Betriebswirthſchaft, z. B. Ein-
ſicht der Bücher und dgl. möglich, dagegen ein Schluß auf deſſen
Größe von der Größe und Bevölkerung des Wohnorts der Unter-
nehmer in den meiſten Fällen grundfalſch. Um aber vom Capital-
umſatze auf den Reinertrag zu ſchließen, iſt nicht blos die Er-
mittelung ſeiner Häufigkeit, ſondern auch der Größe des umlau-
fenden Capitals und des jedesmaligen Zinsprocentes beim Umſatze
nöthig, und von dem gewonnenen Produkte die Abnutzung des ſte-
henden Capitals, die Umſatzkoſten und das ſonſtige umlaufende Ca-
pital abzuziehen, — ein unreichbares Ideal von Ertragsſchätzung.
c) Die Umlage nach dem auf dieſe verſchiedenen Haltpunkte und
beſonderen Gewerbsverhältniſſe in Verbindung ermittelten durch-
ſchnittlichen Gewerbsreinertrage, die beſte, obſchon mit mehr
Mühe und Schwierigkeiten verbundene Methode. Sie iſt noch
nicht praktiſch in Anwendung, aber ſie würde der obigen Kunſt-
gewerbſteuer am nächſten führen, wenn man außer den gewöhnli-
chen Wirthſchaftsausgaben den nothwendigen Lebensbedarf der Fa-
milie des Unternehmers im Durchſchnitte und die Zinſen der Ge-
werbsanleihen in Abzug brächte, und die betreffenden Veränderun-
gen jedes Jahr nachtrüge. Es findet aber bei der Anlage dieſer

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[735/0757] norm für den Ertrag, da man dieſen in ein gerades Verhält- niß mit der Bevölkerung des Wohnortes ſetzt, alſo die Willkühr- lichkeit der Klaſſifizirung und der Steuerſätze, und die daher fol- gende Steuerungleichheit, da bei den meiſten Gewerben das ange- nommene Verhältniß zwiſchen Ertrag und Ortsbevölkerung gar nicht exiſtirt. Die Gewerbeſteuer dagegen ſucht dieſen letzteren Fehler zu vermeiden, indem ſie das aus Naturkräften, Kapital, Arbeit, Abſatz und Lebensweiſe ſich entwickelnde Gewerbseinkommen rein und ſo genau als möglich durch die Steuer zu erfaſſen ſtrebt. Man hat darum folgende Arten angewendet, um das reine Ein- kommen zu treffen: a) die Umlage nach dem Gewerbscapitale, ſowohl dem ſtehenden, w. z. B. Mahlgänge, Webſtühle, Keſſel, Brennhelme und dgl., als auch dem umlaufenden w. z. B. Ver- brauch an Rohſtoffen, Menge der Arbeiter u. dgl.4). Allein dieſe Umlage iſt einſeitig und ungleich, weil mehr als Capitalanlagen die Betriebſamkeit des Unternehmers und der Abſatz das reine Ein- kommen bei dieſen Gewerben beſtimmen und das umlaufende Ca- pital ungleich ſchwerer als das ſtehende zu ermitteln iſt, folglich bei gleichem ermitteltem Capitale der Reinertrag doch höchſt ver- ſchieden ſein kann. b) Die Umlage nach dem muthmaßlichen Ab- ſatze und Umſatze. Allein die Ermittelung des Abſatzes iſt nur durch gewaltige Eingriffe in die Betriebswirthſchaft, z. B. Ein- ſicht der Bücher und dgl. möglich, dagegen ein Schluß auf deſſen Größe von der Größe und Bevölkerung des Wohnorts der Unter- nehmer in den meiſten Fällen grundfalſch. Um aber vom Capital- umſatze auf den Reinertrag zu ſchließen, iſt nicht blos die Er- mittelung ſeiner Häufigkeit, ſondern auch der Größe des umlau- fenden Capitals und des jedesmaligen Zinsprocentes beim Umſatze nöthig, und von dem gewonnenen Produkte die Abnutzung des ſte- henden Capitals, die Umſatzkoſten und das ſonſtige umlaufende Ca- pital abzuziehen, — ein unreichbares Ideal von Ertragsſchätzung. c) Die Umlage nach dem auf dieſe verſchiedenen Haltpunkte und beſonderen Gewerbsverhältniſſe in Verbindung ermittelten durch- ſchnittlichen Gewerbsreinertrage, die beſte, obſchon mit mehr Mühe und Schwierigkeiten verbundene Methode. Sie iſt noch nicht praktiſch in Anwendung, aber ſie würde der obigen Kunſt- gewerbſteuer am nächſten führen, wenn man außer den gewöhnli- chen Wirthſchaftsausgaben den nothwendigen Lebensbedarf der Fa- milie des Unternehmers im Durchſchnitte und die Zinſen der Ge- werbsanleihen in Abzug brächte, und die betreffenden Veränderun- gen jedes Jahr nachtrüge. Es findet aber bei der Anlage dieſer

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/757>, abgerufen am 01.06.2024.