Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].Seelen-Weißheit. in einer Stadt hundert Schuster eben genug zuthun haben/ und ehrlich auskommen können/ es wolten sich aber wegen zugelassener Freyheit noch dreyhundert frembde Meister dahin setzen/ so wür- den diese die andern verderben/ und alle zu Bettler werden. Nun wäre der Stadt ja besser/ ein hun- dert ehrliche nahrhaffte Bürger/ als vier hundert Bettler zu haben. Diß nennet man Polypolium, ist mehr schädlich/ als das Monopolium. Das erste gibt an einen/ worvon viel leben können/ dar- durch der Monopolist aber reich wird/ das andere gibt an alle/ worvon nur etliche leben können/ dar- durch die Polypolisten aber arm werden. Diß hat die Alten bewogen/ daß sie die Zünffte verord- net haben/ theils gute Sitten und Ordnungen un- ter das Handwercks-Volck zu bringen/ daß sie sich guter Arbeit und Redlichkeit befleissen/ meisten Theils aber darum/ daß die Zahl der Handwercker in kein Monopolium, noch Polypolium abweiche/ sondern sich nach dem Horizont der Nahrung sel- bigen Orts proportionire. Wiewol eine Obrig- keit billich darauf zu sehen hat/ daß unter diesem Schein die Zünffte unter sich selbsten nicht den Meister spielen/ die Handwercks-Conditiones so schwehr machen/ daß wenig Meister auf und drein kommen können/ und also heimlich ein Monopo- lium unter sich machen. Das muß man doch dem Polypolio zum guten sagen/ wo Nahrung und Abzug E vj
Seelen-Weißheit. in einer Stadt hundert Schuſter eben genug zuthun haben/ und ehrlich auskommen koͤnnen/ es wolten ſich aber wegen zugelaſſener Freyheit noch dreyhundert frembde Meiſter dahin ſetzen/ ſo wuͤr- den dieſe die andern verderben/ und alle zu Bettler werden. Nun waͤre der Stadt ja beſſer/ ein hun- dert ehrliche nahrhaffte Buͤrger/ als vier hundert Bettler zu haben. Diß nennet man Polypolium, iſt mehr ſchaͤdlich/ als das Monopolium. Das erſte gibt an einen/ worvon viel leben koͤnnen/ dar- durch der Monopoliſt aber reich wird/ das andere gibt an alle/ worvon nur etliche leben koͤnnen/ dar- durch die Polypoliſten aber arm werden. Diß hat die Alten bewogen/ daß ſie die Zuͤnffte verord- net haben/ theils gute Sitten und Ordnungen un- ter das Handwercks-Volck zu bringen/ daß ſie ſich guter Arbeit und Redlichkeit befleiſſen/ meiſten Theils aber darum/ daß die Zahl der Handwercker in kein Monopolium, noch Polypolium abweiche/ ſondern ſich nach dem Horizont der Nahrung ſel- bigen Orts proportionire. Wiewol eine Obrig- keit billich darauf zu ſehen hat/ daß unter dieſem Schein die Zuͤnffte unter ſich ſelbſten nicht den Meiſter ſpielen/ die Handwercks-Conditiones ſo ſchwehr machen/ daß wenig Meiſter auf und drein kommen koͤnnen/ und alſo heimlich ein Monopo- lium unter ſich machen. Das muß man doch dem Polypolio zum guten ſagen/ wo Nahrung und Abzug E vj
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Seelen-Weißheit.
in einer Stadt hundert Schuſter eben genug zu
thun haben/ und ehrlich auskommen koͤnnen/ es
wolten ſich aber wegen zugelaſſener Freyheit noch
dreyhundert frembde Meiſter dahin ſetzen/ ſo wuͤr-
den dieſe die andern verderben/ und alle zu Bettler
werden. Nun waͤre der Stadt ja beſſer/ ein hun-
dert ehrliche nahrhaffte Buͤrger/ als vier hundert
Bettler zu haben. Diß nennet man Polypolium,
iſt mehr ſchaͤdlich/ als das Monopolium. Das
erſte gibt an einen/ worvon viel leben koͤnnen/ dar-
durch der Monopoliſt aber reich wird/ das andere
gibt an alle/ worvon nur etliche leben koͤnnen/ dar-
durch die Polypoliſten aber arm werden. Diß
hat die Alten bewogen/ daß ſie die Zuͤnffte verord-
net haben/ theils gute Sitten und Ordnungen un-
ter das Handwercks-Volck zu bringen/ daß ſie ſich
guter Arbeit und Redlichkeit befleiſſen/ meiſten
Theils aber darum/ daß die Zahl der Handwercker
in kein Monopolium, noch Polypolium abweiche/
ſondern ſich nach dem Horizont der Nahrung ſel-
bigen Orts proportionire. Wiewol eine Obrig-
keit billich darauf zu ſehen hat/ daß unter dieſem
Schein die Zuͤnffte unter ſich ſelbſten nicht den
Meiſter ſpielen/ die Handwercks-Conditiones ſo
ſchwehr machen/ daß wenig Meiſter auf und drein
kommen koͤnnen/ und alſo heimlich ein Monopo-
lium unter ſich machen. Das muß man doch dem
Polypolio zum guten ſagen/ wo Nahrung und
Abzug
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