Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].Seelen-Weißheit. Varro nescit, quam ferum esse dicat illum, quimanu sua corporis sui fervidos aperit lacus, at- que vita se levat ferreo ense. Das ist/ Es stehet tapfferen Männern zu/ mehr den Tod zu verach- ten/ als das Leben zu hassen. Die Trägen wer- den offt durch Verdruß zur Arbeit/ zur Verach- tung ihrer selbst angetrieben/ aber die Tugend lässet nichts unversucht. Derowegen ist das Letzte alles Ubels der Tod/ zu welchem genug ist/ daß man nicht träge denselben angehe. Pharao weiß nicht/ wie unmenschlich er den nennen soll/ der mit seiner Hand die hitzigen Flüsse seines Leibes öffnet/ und ihm auß dem Leben hilfft durch ein eisern Schwerdt. Hastu aber so sehr Lust dich selbsten umbzubringen/ so will ich dir noch einen nähern und reputirlichern Weg weisen/ nemlich/ eine universal Medicin/ oder quint Essentz auß den jenigen fünff Haupt-Jngredientien bereitet/ welche die Natur uns als eine Panacea oder Aureolum Nepenthes mitgetheilet hat/ als erst- lich Unwissenheit/ dann wann ein Mensch all sein Elend und Unglück zuvor wüste/ so ihm sein Lebenlang zustehen würde/ was vor ein elen- dig Leben würde er zubringen. Zweytens/ die Vergessenheit/ dann wann ein. Mensch an alles Elend/ Unglück und Schmertzen gedächte/ so ihm sein Lebenlang begegnet/ er würde nicht einen frölichen Augenblick haben. Drittens/ die Nar- M vij
Seelen-Weißheit. Varro neſcit, quàm ferum eſſe dicat illum, quimanu ſua corporis ſui fervidos aperit lacus, at- que vita ſe levat ferreo enſe. Das iſt/ Es ſtehet tapfferen Maͤnnern zu/ mehr den Tod zu verach- ten/ als das Leben zu haſſen. Die Traͤgen wer- den offt durch Verdruß zur Arbeit/ zur Verach- tung ihrer ſelbſt angetrieben/ aber die Tugend laͤſſet nichts unverſucht. Derowegen iſt das Letzte alles Ubels der Tod/ zu welchem genug iſt/ daß man nicht traͤge denſelben angehe. Pharao weiß nicht/ wie unmenſchlich er den nennen ſoll/ der mit ſeiner Hand die hitzigen Fluͤſſe ſeines Leibes oͤffnet/ und ihm auß dem Leben hilfft durch ein eiſern Schwerdt. Haſtu aber ſo ſehr Luſt dich ſelbſten umbzubringen/ ſo will ich dir noch einen naͤhern und reputirlichern Weg weiſen/ nemlich/ eine univerſal Medicin/ oder quint Eſſentz auß den jenigen fuͤnff Haupt-Jngredientien bereitet/ welche die Natur uns als eine Panacea oder Aureolum Nepenthes mitgetheilet hat/ als erſt- lich Unwiſſenheit/ dann wann ein Menſch all ſein Elend und Ungluͤck zuvor wuͤſte/ ſo ihm ſein Lebenlang zuſtehen wuͤrde/ was vor ein elen- dig Leben wuͤrde er zubringen. Zweytens/ die Vergeſſenheit/ dann wann ein. Menſch an alles Elend/ Ungluͤck und Schmertzen gedaͤchte/ ſo ihm ſein Lebenlang begegnet/ er wuͤrde nicht einen froͤlichen Augenblick haben. Drittens/ die Nar- M vij
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Seelen-Weißheit.
Varro neſcit, quàm ferum eſſe dicat illum, qui
manu ſua corporis ſui fervidos aperit lacus, at-
que vita ſe levat ferreo enſe. Das iſt/ Es ſtehet
tapfferen Maͤnnern zu/ mehr den Tod zu verach-
ten/ als das Leben zu haſſen. Die Traͤgen wer-
den offt durch Verdruß zur Arbeit/ zur Verach-
tung ihrer ſelbſt angetrieben/ aber die Tugend
laͤſſet nichts unverſucht. Derowegen iſt das Letzte
alles Ubels der Tod/ zu welchem genug iſt/ daß
man nicht traͤge denſelben angehe. Pharao weiß
nicht/ wie unmenſchlich er den nennen ſoll/ der
mit ſeiner Hand die hitzigen Fluͤſſe ſeines Leibes
oͤffnet/ und ihm auß dem Leben hilfft durch ein
eiſern Schwerdt. Haſtu aber ſo ſehr Luſt dich
ſelbſten umbzubringen/ ſo will ich dir noch einen
naͤhern und reputirlichern Weg weiſen/ nemlich/
eine univerſal Medicin/ oder quint Eſſentz auß
den jenigen fuͤnff Haupt-Jngredientien bereitet/
welche die Natur uns als eine Panacea oder
Aureolum Nepenthes mitgetheilet hat/ als erſt-
lich Unwiſſenheit/ dann wann ein Menſch
all ſein Elend und Ungluͤck zuvor wuͤſte/ ſo ihm
ſein Lebenlang zuſtehen wuͤrde/ was vor ein elen-
dig Leben wuͤrde er zubringen. Zweytens/ die
Vergeſſenheit/ dann wann ein. Menſch an
alles Elend/ Ungluͤck und Schmertzen gedaͤchte/
ſo ihm ſein Lebenlang begegnet/ er wuͤrde nicht
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