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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Seelen-Weißheit.
lich/ wer derhalben leere Sachen und hohe ver-
blümte Worte verlange/ der gehe der Psychoso-
phie
müssig/ und lese des Lucretii Vers:

Omnia nam stolide, magis admirantur amant-
que;
Inversis quae sub verbis latitantia cernunt.

Dann die verwunderen und lieben mehr die
Sachen gar thöricht/ welche sie unter denen
verkehrten Worten verborgen sehen. Wie
dann auch Chrysostomus über das leere
Schulgeschwätz klaget; Peregrina doctrina
multas jactans nugas & multa detinens audi-
tores loquacitate, vacuis tandem dimittit ma-
nibus, neque magnum neque parvum lucratos
emolumentum.
Das ist/ die fremde Lehre/ die
sich vieles Geschwätzes rühmet/ und ihre Zuhö-
rer nicht mit vielem Plaudern auffhält/ lässet
dieselbe endlich mit leeren Händen von sich/ und
haben da weder einen grossen noch kleinen Ge-
winn davon. Gott ist die Warheit selbst/ und
diese ist einfältig/ die Seele ist ein Spiegel der
Warheit/ darumb kan auch ihre Weißheit nicht
vielfältig/ dunckel und betrüglich seyn/ sondern
muß gantz schlecht und recht von jederman ver-
standen und approbirt werden/ wie dann wider
diese meine Psychosophie, niemand mit Fug
etwas beybringen wird/ und gleichwol wird ein
jeder bekennen müssen/ daß er diese Materi nir-

gends

Seelen-Weißheit.
lich/ wer derhalben leere Sachen und hohe ver-
bluͤmte Worte verlange/ der gehe der Pſychoſo-
phie
muͤſſig/ und leſe des Lucretii Vers:

Omnia nam ſtolidè, magis admirantur amant-
q́ue;
Inverſis quæ ſub verbis latitantia cernunt.

Dann die verwunderen und lieben mehr die
Sachen gar thoͤricht/ welche ſie unter denen
verkehrten Worten verborgen ſehen. Wie
dann auch Chryſoſtomus uͤber das leere
Schulgeſchwaͤtz klaget; Peregrina doctrina
multas jactans nugas & multâ detinens audi-
tores loquacitate, vacuis tandem dimittit ma-
nibus, neque magnum neque parvum lucratos
emolumentum.
Das iſt/ die fremde Lehre/ die
ſich vieles Geſchwaͤtzes ruͤhmet/ und ihre Zuhoͤ-
rer nicht mit vielem Plaudern auffhaͤlt/ laͤſſet
dieſelbe endlich mit leeren Haͤnden von ſich/ und
haben da weder einen groſſen noch kleinen Ge-
winn davon. Gott iſt die Warheit ſelbſt/ und
dieſe iſt einfaͤltig/ die Seele iſt ein Spiegel der
Warheit/ darumb kan auch ihre Weißheit nicht
vielfaͤltig/ dunckel und betruͤglich ſeyn/ ſondern
muß gantz ſchlecht und recht von jederman ver-
ſtanden und approbirt werden/ wie dann wider
dieſe meine Pſychoſophie, niemand mit Fug
etwas beybringen wird/ und gleichwol wird ein
jeder bekennen muͤſſen/ daß er dieſe Materi nir-

gends
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[307/0365] Seelen-Weißheit. lich/ wer derhalben leere Sachen und hohe ver- bluͤmte Worte verlange/ der gehe der Pſychoſo- phie muͤſſig/ und leſe des Lucretii Vers: Omnia nam ſtolidè, magis admirantur amant- q́ue; Inverſis quæ ſub verbis latitantia cernunt. Dann die verwunderen und lieben mehr die Sachen gar thoͤricht/ welche ſie unter denen verkehrten Worten verborgen ſehen. Wie dann auch Chryſoſtomus uͤber das leere Schulgeſchwaͤtz klaget; Peregrina doctrina multas jactans nugas & multâ detinens audi- tores loquacitate, vacuis tandem dimittit ma- nibus, neque magnum neque parvum lucratos emolumentum. Das iſt/ die fremde Lehre/ die ſich vieles Geſchwaͤtzes ruͤhmet/ und ihre Zuhoͤ- rer nicht mit vielem Plaudern auffhaͤlt/ laͤſſet dieſelbe endlich mit leeren Haͤnden von ſich/ und haben da weder einen groſſen noch kleinen Ge- winn davon. Gott iſt die Warheit ſelbſt/ und dieſe iſt einfaͤltig/ die Seele iſt ein Spiegel der Warheit/ darumb kan auch ihre Weißheit nicht vielfaͤltig/ dunckel und betruͤglich ſeyn/ ſondern muß gantz ſchlecht und recht von jederman ver- ſtanden und approbirt werden/ wie dann wider dieſe meine Pſychoſophie, niemand mit Fug etwas beybringen wird/ und gleichwol wird ein jeder bekennen muͤſſen/ daß er dieſe Materi nir- gends

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Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/365>, abgerufen am 22.11.2024.