Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.kreischendes, gellendes, mit Ketten rasselndes fremdländisches Gethier, Cacadu's, Papageien, Affen, Meerkatzen, eine überwältigende Fülle von Gegenständen, die förmlich auf die Sinne eines des Anblicks solchen Reichthums nicht Gewohnten verwirrend und fast bethörend wirkten. Nach flüchtigen Blicken auf die Mannichfaltigkeit all dieser eben vorhandenen, sich gleichsam von selbst verstehenden und ganz ungesucht zur Schau gestellten Herrlichkeiten öffnete Leonardus dem Freunde das Arbeitskabinet seines Vaters. Es war dies ein kleines, fast enges Zimmerchen, das durch eine vergitterte Zwischenwand von einem einige Stufen tiefer liegenden, folglich höheren geräumigen Zimmer abgeschieden war, in welchem die zahlreichen Arbeiter der Schreibstube an einfachen schwarzlakirten, mit allem Nöthigen versehenen Tischen und Tafeln saßen. Ein Schalter, für das Oberhaupt des Geschäftes bequem angebracht, vermittelte den Empfang der hinaus oder hereingereichten Briefschaften, Wechsel, Quittungen und was sonst der tägliche Gang der Geschäfte erforderte. Die Thüre zum Kabinet des alten Herrn führte aus einem etwas größeren, ebenso wie das Kabinet höchst einfach ausgestatteten Empfangzimmer hinein. Der Geruch im Kabinet und in der großen Schreibstube war eine eigenthümliche Vermählung der Gerüche von Schnupftabak und Tinte, und von durchdringender Schärfe. Herr Adrianus van der Valck war ein kleiner, gut und wohlhäbig aussehender Mann mit schneeweißem Haar, darüber eine kleine Zopfperrücke, welche er mit schwarzem Käppchen bedeckt trug, und nach kurzem grüßenden Lüpfen dieses Käppchens auch bedeckt hielt. Er bediente sich beim Lesen und Schreiben einer jener altmodischen die Nase klemmenden Brillen. Auch die Tracht des Mannes war noch eine altmodische; kurze Beinkleider von Sammtmanchester, seidene Strümpfe mit Zwickeln, Schuhe mit großen, glitzernden, ächten Edelsteinschnallen. Nach den gewöhnlichen förmlichen Begrüßungen beim Eintritt mußte sich Ludwig auf einen der runden drehbaren Polsterschemel setzen, wie sie, um möglichst Raum zu sparen, in den kleinen kaufmännischen Schreibstuben üblich sind, und als dieser Aufforderung von ihm genügt war, überreichte er einen Theil seiner Papiere. Herr Adrianus sah dieselben scharf prüfend an, und fand alles in bester Ordnung. -- Sie sind uns gut empfohlen, Herr Graf, nahm der alte Herr das Wort; kreischendes, gellendes, mit Ketten rasselndes fremdländisches Gethier, Cacadu’s, Papageien, Affen, Meerkatzen, eine überwältigende Fülle von Gegenständen, die förmlich auf die Sinne eines des Anblicks solchen Reichthums nicht Gewohnten verwirrend und fast bethörend wirkten. Nach flüchtigen Blicken auf die Mannichfaltigkeit all dieser eben vorhandenen, sich gleichsam von selbst verstehenden und ganz ungesucht zur Schau gestellten Herrlichkeiten öffnete Leonardus dem Freunde das Arbeitskabinet seines Vaters. Es war dies ein kleines, fast enges Zimmerchen, das durch eine vergitterte Zwischenwand von einem einige Stufen tiefer liegenden, folglich höheren geräumigen Zimmer abgeschieden war, in welchem die zahlreichen Arbeiter der Schreibstube an einfachen schwarzlakirten, mit allem Nöthigen versehenen Tischen und Tafeln saßen. Ein Schalter, für das Oberhaupt des Geschäftes bequem angebracht, vermittelte den Empfang der hinaus oder hereingereichten Briefschaften, Wechsel, Quittungen und was sonst der tägliche Gang der Geschäfte erforderte. Die Thüre zum Kabinet des alten Herrn führte aus einem etwas größeren, ebenso wie das Kabinet höchst einfach ausgestatteten Empfangzimmer hinein. Der Geruch im Kabinet und in der großen Schreibstube war eine eigenthümliche Vermählung der Gerüche von Schnupftabak und Tinte, und von durchdringender Schärfe. Herr Adrianus van der Valck war ein kleiner, gut und wohlhäbig aussehender Mann mit schneeweißem Haar, darüber eine kleine Zopfperrücke, welche er mit schwarzem Käppchen bedeckt trug, und nach kurzem grüßenden Lüpfen dieses Käppchens auch bedeckt hielt. Er bediente sich beim Lesen und Schreiben einer jener altmodischen die Nase klemmenden Brillen. Auch die Tracht des Mannes war noch eine altmodische; kurze Beinkleider von Sammtmanchester, seidene Strümpfe mit Zwickeln, Schuhe mit großen, glitzernden, ächten Edelsteinschnallen. Nach den gewöhnlichen förmlichen Begrüßungen beim Eintritt mußte sich Ludwig auf einen der runden drehbaren Polsterschemel setzen, wie sie, um möglichst Raum zu sparen, in den kleinen kaufmännischen Schreibstuben üblich sind, und als dieser Aufforderung von ihm genügt war, überreichte er einen Theil seiner Papiere. Herr Adrianus sah dieselben scharf prüfend an, und fand alles in bester Ordnung. — Sie sind uns gut empfohlen, Herr Graf, nahm der alte Herr das Wort; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0103" n="99"/> kreischendes, gellendes, mit Ketten rasselndes fremdländisches Gethier, Cacadu’s, Papageien, Affen, Meerkatzen, eine überwältigende Fülle von Gegenständen, die förmlich auf die Sinne eines des Anblicks solchen Reichthums nicht Gewohnten verwirrend und fast bethörend wirkten. Nach flüchtigen Blicken auf die Mannichfaltigkeit all dieser eben vorhandenen, sich gleichsam von selbst verstehenden und ganz ungesucht zur Schau gestellten Herrlichkeiten öffnete Leonardus dem Freunde das Arbeitskabinet seines Vaters. Es war dies ein kleines, fast enges Zimmerchen, das durch eine vergitterte Zwischenwand von einem einige Stufen tiefer liegenden, folglich höheren geräumigen Zimmer abgeschieden war, in welchem die zahlreichen Arbeiter der Schreibstube an einfachen schwarzlakirten, mit allem Nöthigen versehenen Tischen und Tafeln saßen. Ein Schalter, für das Oberhaupt des Geschäftes bequem angebracht, vermittelte den Empfang der hinaus oder hereingereichten Briefschaften, Wechsel, Quittungen und was sonst der tägliche Gang der Geschäfte erforderte. Die Thüre zum Kabinet des alten Herrn führte aus einem etwas größeren, ebenso wie das Kabinet höchst einfach ausgestatteten Empfangzimmer hinein. Der Geruch im Kabinet und in der großen Schreibstube war eine eigenthümliche Vermählung der Gerüche von Schnupftabak und Tinte, und von durchdringender Schärfe.</p> <p>Herr Adrianus van der Valck war ein kleiner, gut und wohlhäbig aussehender Mann mit schneeweißem Haar, darüber eine kleine Zopfperrücke, welche er mit schwarzem Käppchen bedeckt trug, und nach kurzem grüßenden Lüpfen dieses Käppchens auch bedeckt hielt. Er bediente sich beim Lesen und Schreiben einer jener altmodischen die Nase klemmenden Brillen. Auch die Tracht des Mannes war noch eine altmodische; kurze Beinkleider von Sammtmanchester, seidene Strümpfe mit Zwickeln, Schuhe mit großen, glitzernden, ächten Edelsteinschnallen. Nach den gewöhnlichen förmlichen Begrüßungen beim Eintritt mußte sich Ludwig auf einen der runden drehbaren Polsterschemel setzen, wie sie, um möglichst Raum zu sparen, in den kleinen kaufmännischen Schreibstuben üblich sind, und als dieser Aufforderung von ihm genügt war, überreichte er einen Theil seiner Papiere. Herr Adrianus sah dieselben scharf prüfend an, und fand alles in bester Ordnung. — Sie sind uns gut empfohlen, Herr Graf, nahm der alte Herr das Wort; </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0103]
kreischendes, gellendes, mit Ketten rasselndes fremdländisches Gethier, Cacadu’s, Papageien, Affen, Meerkatzen, eine überwältigende Fülle von Gegenständen, die förmlich auf die Sinne eines des Anblicks solchen Reichthums nicht Gewohnten verwirrend und fast bethörend wirkten. Nach flüchtigen Blicken auf die Mannichfaltigkeit all dieser eben vorhandenen, sich gleichsam von selbst verstehenden und ganz ungesucht zur Schau gestellten Herrlichkeiten öffnete Leonardus dem Freunde das Arbeitskabinet seines Vaters. Es war dies ein kleines, fast enges Zimmerchen, das durch eine vergitterte Zwischenwand von einem einige Stufen tiefer liegenden, folglich höheren geräumigen Zimmer abgeschieden war, in welchem die zahlreichen Arbeiter der Schreibstube an einfachen schwarzlakirten, mit allem Nöthigen versehenen Tischen und Tafeln saßen. Ein Schalter, für das Oberhaupt des Geschäftes bequem angebracht, vermittelte den Empfang der hinaus oder hereingereichten Briefschaften, Wechsel, Quittungen und was sonst der tägliche Gang der Geschäfte erforderte. Die Thüre zum Kabinet des alten Herrn führte aus einem etwas größeren, ebenso wie das Kabinet höchst einfach ausgestatteten Empfangzimmer hinein. Der Geruch im Kabinet und in der großen Schreibstube war eine eigenthümliche Vermählung der Gerüche von Schnupftabak und Tinte, und von durchdringender Schärfe.
Herr Adrianus van der Valck war ein kleiner, gut und wohlhäbig aussehender Mann mit schneeweißem Haar, darüber eine kleine Zopfperrücke, welche er mit schwarzem Käppchen bedeckt trug, und nach kurzem grüßenden Lüpfen dieses Käppchens auch bedeckt hielt. Er bediente sich beim Lesen und Schreiben einer jener altmodischen die Nase klemmenden Brillen. Auch die Tracht des Mannes war noch eine altmodische; kurze Beinkleider von Sammtmanchester, seidene Strümpfe mit Zwickeln, Schuhe mit großen, glitzernden, ächten Edelsteinschnallen. Nach den gewöhnlichen förmlichen Begrüßungen beim Eintritt mußte sich Ludwig auf einen der runden drehbaren Polsterschemel setzen, wie sie, um möglichst Raum zu sparen, in den kleinen kaufmännischen Schreibstuben üblich sind, und als dieser Aufforderung von ihm genügt war, überreichte er einen Theil seiner Papiere. Herr Adrianus sah dieselben scharf prüfend an, und fand alles in bester Ordnung. — Sie sind uns gut empfohlen, Herr Graf, nahm der alte Herr das Wort;
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/103>, abgerufen am 16.07.2024. |