Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.geben, als für ihren vaterlandsfeindlichen und verderblichen Wahnsinn. Vor einigen Jahren wäre die günstige Zeit gewesen, daß die Interessenten der immerwährenden Renten ihre Contracte hätten verkaufen, und sich mit dem gehobenen Gelde bei den Leibrenten betheiligen können. Aber auch dies würde ohne namhafte Verluste nicht abgegangen sein. Im Jahr siebenzehnhundertsechsunddreißig war der Cours jener immerwährenden Renten bis auf vierundvierzig herabgedrückt, doch hatte er sich kurz vor der Revolution wieder bis zu fünfzig Procent gehoben, was wäre das indeß gewesen? Im günstigen Fall hätte ein Betheiligter statt zweihundert Livres nur einhundert erhalten, und wäre der Zinsen eines ganzen Jahres verlustig gegangen. Gesetzt, das Stadthaus vermöchte seinen Credit aufrecht und seinen Gläubigern Wort zu halten, in was würde es jetzt Zahlung leisten? In Lumpenpapieren, in Assignaten, für die ich, so wahr ich Adrianus van der Valck heiße, nicht einen Deut, nicht einen Pfifferling gebe! Herr Adrianus war auf seinem Felde, Ludwig aber begann sich über dessen etwas in die Breite gezogene Auseinandersetzung zu langweilen; indeß fuhr Jener unermüdlich fort, nur daß er mit beiden Daumen jetzt die Mühle von Außen nach Innen machte: Vermittelst des Ihnen angeführten Courses und Decourts kann sich jetzt, vorausgesetzt, es stände Alles so gut wie es schlecht steht, bei den immerwährenden Renten ein Interessent über fünf Procent mit Beibehaltung des Kapitals berechnen, und wird also schwerlich bei vorausgesetztem Verluste des Kapitals auf sieben Procent lüstern werden, denn der Abwurf der Leibrente würde höchstens für ihn und eine vielleicht geliebte Person, die gleich ihm im Cölibat lebte und bis an ihren Tod darin beharren wollte, ausreichend sein, wenn sie nicht außerdem noch zu verzehren hätten, denn jenes Kapital würde mit des Nutznießers Tode erlöschen, er möchte verheirathet sein und Leibeserben haben oder nicht. Derjenige, dem fideicommissarische Einrichtungen lästig fallen, darf an dergleichen Verwandlungen seiner Contracte nicht denken, und die Frau Reichsgräfin Excellenz werden sich gnädigst zu erinnern geruhen, was Hochdieselben im Jahre siebenzehnhundertvierundfünfzig verlangt und wessen sie sich damals erklärt haben, als es sich um den ihrerseits auszustellenden Consens der Erhebung dieser de la Tremouille'schen Renten für ihre Herren Söhne handelte, den sie sich ausdrücklich geben, als für ihren vaterlandsfeindlichen und verderblichen Wahnsinn. Vor einigen Jahren wäre die günstige Zeit gewesen, daß die Interessenten der immerwährenden Renten ihre Contracte hätten verkaufen, und sich mit dem gehobenen Gelde bei den Leibrenten betheiligen können. Aber auch dies würde ohne namhafte Verluste nicht abgegangen sein. Im Jahr siebenzehnhundertsechsunddreißig war der Cours jener immerwährenden Renten bis auf vierundvierzig herabgedrückt, doch hatte er sich kurz vor der Revolution wieder bis zu fünfzig Procent gehoben, was wäre das indeß gewesen? Im günstigen Fall hätte ein Betheiligter statt zweihundert Livres nur einhundert erhalten, und wäre der Zinsen eines ganzen Jahres verlustig gegangen. Gesetzt, das Stadthaus vermöchte seinen Credit aufrecht und seinen Gläubigern Wort zu halten, in was würde es jetzt Zahlung leisten? In Lumpenpapieren, in Assignaten, für die ich, so wahr ich Adrianus van der Valck heiße, nicht einen Deut, nicht einen Pfifferling gebe! Herr Adrianus war auf seinem Felde, Ludwig aber begann sich über dessen etwas in die Breite gezogene Auseinandersetzung zu langweilen; indeß fuhr Jener unermüdlich fort, nur daß er mit beiden Daumen jetzt die Mühle von Außen nach Innen machte: Vermittelst des Ihnen angeführten Courses und Decourts kann sich jetzt, vorausgesetzt, es stände Alles so gut wie es schlecht steht, bei den immerwährenden Renten ein Interessent über fünf Procent mit Beibehaltung des Kapitals berechnen, und wird also schwerlich bei vorausgesetztem Verluste des Kapitals auf sieben Procent lüstern werden, denn der Abwurf der Leibrente würde höchstens für ihn und eine vielleicht geliebte Person, die gleich ihm im Cölibat lebte und bis an ihren Tod darin beharren wollte, ausreichend sein, wenn sie nicht außerdem noch zu verzehren hätten, denn jenes Kapital würde mit des Nutznießers Tode erlöschen, er möchte verheirathet sein und Leibeserben haben oder nicht. Derjenige, dem fideicommissarische Einrichtungen lästig fallen, darf an dergleichen Verwandlungen seiner Contracte nicht denken, und die Frau Reichsgräfin Excellenz werden sich gnädigst zu erinnern geruhen, was Hochdieselben im Jahre siebenzehnhundertvierundfünfzig verlangt und wessen sie sich damals erklärt haben, als es sich um den ihrerseits auszustellenden Consens der Erhebung dieser de la Tremouille’schen Renten für ihre Herren Söhne handelte, den sie sich ausdrücklich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0106" n="102"/> geben, als für ihren vaterlandsfeindlichen und verderblichen Wahnsinn. Vor einigen Jahren wäre die günstige Zeit gewesen, daß die Interessenten der immerwährenden Renten ihre Contracte hätten verkaufen, und sich mit dem gehobenen Gelde bei den Leibrenten betheiligen können. Aber auch dies würde ohne namhafte Verluste nicht abgegangen sein. Im Jahr siebenzehnhundertsechsunddreißig war der Cours jener immerwährenden Renten bis auf vierundvierzig herabgedrückt, doch hatte er sich kurz vor der Revolution wieder bis zu fünfzig Procent gehoben, was wäre das indeß gewesen? Im günstigen Fall hätte ein Betheiligter statt zweihundert Livres nur einhundert erhalten, und wäre der Zinsen eines ganzen Jahres verlustig gegangen. Gesetzt, das Stadthaus vermöchte seinen Credit aufrecht und seinen Gläubigern Wort zu halten, in was würde es jetzt Zahlung leisten? In Lumpenpapieren, in Assignaten, für die ich, so wahr ich Adrianus van der Valck heiße, nicht einen Deut, nicht einen Pfifferling gebe!</p> <p>Herr Adrianus war auf seinem Felde, Ludwig aber begann sich über dessen etwas in die Breite gezogene Auseinandersetzung zu langweilen; indeß fuhr Jener unermüdlich fort, nur daß er mit beiden Daumen jetzt die Mühle von Außen nach Innen machte: Vermittelst des Ihnen angeführten Courses und Decourts kann sich jetzt, vorausgesetzt, es stände Alles so gut wie es schlecht steht, bei den immerwährenden Renten ein Interessent über fünf Procent mit Beibehaltung des Kapitals berechnen, und wird also schwerlich bei vorausgesetztem Verluste des Kapitals auf sieben Procent lüstern werden, denn der Abwurf der Leibrente würde höchstens für ihn und eine vielleicht geliebte Person, die gleich ihm im Cölibat lebte und bis an ihren Tod darin beharren wollte, ausreichend sein, wenn sie nicht außerdem noch zu verzehren hätten, denn jenes Kapital würde mit des Nutznießers Tode erlöschen, er möchte verheirathet sein und Leibeserben haben oder nicht.</p> <p>Derjenige, dem fideicommissarische Einrichtungen lästig fallen, darf an dergleichen Verwandlungen seiner Contracte nicht denken, und die Frau Reichsgräfin Excellenz werden sich gnädigst zu erinnern geruhen, was Hochdieselben im Jahre siebenzehnhundertvierundfünfzig verlangt und wessen sie sich damals erklärt haben, als es sich um den ihrerseits auszustellenden Consens der Erhebung dieser de la Tremouille’schen Renten für ihre Herren Söhne handelte, den sie sich ausdrücklich </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0106]
geben, als für ihren vaterlandsfeindlichen und verderblichen Wahnsinn. Vor einigen Jahren wäre die günstige Zeit gewesen, daß die Interessenten der immerwährenden Renten ihre Contracte hätten verkaufen, und sich mit dem gehobenen Gelde bei den Leibrenten betheiligen können. Aber auch dies würde ohne namhafte Verluste nicht abgegangen sein. Im Jahr siebenzehnhundertsechsunddreißig war der Cours jener immerwährenden Renten bis auf vierundvierzig herabgedrückt, doch hatte er sich kurz vor der Revolution wieder bis zu fünfzig Procent gehoben, was wäre das indeß gewesen? Im günstigen Fall hätte ein Betheiligter statt zweihundert Livres nur einhundert erhalten, und wäre der Zinsen eines ganzen Jahres verlustig gegangen. Gesetzt, das Stadthaus vermöchte seinen Credit aufrecht und seinen Gläubigern Wort zu halten, in was würde es jetzt Zahlung leisten? In Lumpenpapieren, in Assignaten, für die ich, so wahr ich Adrianus van der Valck heiße, nicht einen Deut, nicht einen Pfifferling gebe!
Herr Adrianus war auf seinem Felde, Ludwig aber begann sich über dessen etwas in die Breite gezogene Auseinandersetzung zu langweilen; indeß fuhr Jener unermüdlich fort, nur daß er mit beiden Daumen jetzt die Mühle von Außen nach Innen machte: Vermittelst des Ihnen angeführten Courses und Decourts kann sich jetzt, vorausgesetzt, es stände Alles so gut wie es schlecht steht, bei den immerwährenden Renten ein Interessent über fünf Procent mit Beibehaltung des Kapitals berechnen, und wird also schwerlich bei vorausgesetztem Verluste des Kapitals auf sieben Procent lüstern werden, denn der Abwurf der Leibrente würde höchstens für ihn und eine vielleicht geliebte Person, die gleich ihm im Cölibat lebte und bis an ihren Tod darin beharren wollte, ausreichend sein, wenn sie nicht außerdem noch zu verzehren hätten, denn jenes Kapital würde mit des Nutznießers Tode erlöschen, er möchte verheirathet sein und Leibeserben haben oder nicht.
Derjenige, dem fideicommissarische Einrichtungen lästig fallen, darf an dergleichen Verwandlungen seiner Contracte nicht denken, und die Frau Reichsgräfin Excellenz werden sich gnädigst zu erinnern geruhen, was Hochdieselben im Jahre siebenzehnhundertvierundfünfzig verlangt und wessen sie sich damals erklärt haben, als es sich um den ihrerseits auszustellenden Consens der Erhebung dieser de la Tremouille’schen Renten für ihre Herren Söhne handelte, den sie sich ausdrücklich
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/106>, abgerufen am 16.07.2024. |