Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Wollen wir mit? fragte einer der Carmagnolen. Ich denke nein, antwortete der Gefragte: und ich halte dafür, wir machen uns im wahren Sinne des Wortes aus dem Staube; denn ich bemerkte mehrere auf uns gerichtete verdächtige Blicke, besonders drängte sich ein Kerl in Incroyabeltracht mit einem Spitzbubengesicht -- dort steht er noch und läßt uns nicht aus den Augen -- an uns heran, entweder hat er Lust zu stehlen, oder zu spioniren, oder am liebsten beides zugleich. Habe ein wenig Acht auf jenen guten Bürger, wandte sich der erste Sprecher zu dem dritten Begleiter, der hinter den beiden ging, die jetzt, der noch immer drängenden Menge entgegen, den Quai entlang schritten und den Zwischenraum zurücklegten, welcher das Tuilerienschloß vom Louvre trennt. Sage mir, bester Freund, begann der eine der Carmagnolen zum andern, mit dem er Arm in Arm ging, in derselben ganz fremdländischen Sprache, in der er sich schon vorher mit ihm unterhalten: wie kommst du dazu, diese Leute oder doch mehrere derselben zu kennen, diesen Villate, und selbst den Regisseur, wo nicht vielmehr Director der Pariser Tragödie? Du weißt ja, daß ich vor nicht langer Zeit hier war, und wirst mir so viel Theilnahme an den Ereignissen der Zeit, die so unheilvoll sind, zutrauen, daß ich meine Augen nicht verschließe, zumal wo Alles so wie hier in die Augen springt, selbst wenn man diese verschließen wollte. Der Menschenstrom schwand hinter den drei Carmagnolen mehr und mehr, mit einem Male war der Carousselplatz menschenleer, ebenso der ganze Garten, denn Alles und Alles folgte neugierig dem Strom nach dem Marsfelde. Die Freunde schritten langsam und gemächlich auf der hohen Terrasse am Bord der Seine hin und schauten über die niedrige Steinmauer und über den Strom hinüber, wo hoch zum Himmel wirbelnder Staub die Spur der zum Marsfeld wallenden Menschenmenge bezeichnete und von welcher Seite eine vom Schall nur dumpf getragene Musik herüberklang. Nur der vorhin erwähnte Bürger, der ein Spion schien, tänzelte hinter den Freunden her, und zwar that er, als bemerke er sie gar nicht, sondern schritt gleichsam spielend, wie ein großer Junge, auf der Wollen wir mit? fragte einer der Carmagnolen. Ich denke nein, antwortete der Gefragte: und ich halte dafür, wir machen uns im wahren Sinne des Wortes aus dem Staube; denn ich bemerkte mehrere auf uns gerichtete verdächtige Blicke, besonders drängte sich ein Kerl in Incroyabeltracht mit einem Spitzbubengesicht — dort steht er noch und läßt uns nicht aus den Augen — an uns heran, entweder hat er Lust zu stehlen, oder zu spioniren, oder am liebsten beides zugleich. Habe ein wenig Acht auf jenen guten Bürger, wandte sich der erste Sprecher zu dem dritten Begleiter, der hinter den beiden ging, die jetzt, der noch immer drängenden Menge entgegen, den Quai entlang schritten und den Zwischenraum zurücklegten, welcher das Tuilerienschloß vom Louvre trennt. Sage mir, bester Freund, begann der eine der Carmagnolen zum andern, mit dem er Arm in Arm ging, in derselben ganz fremdländischen Sprache, in der er sich schon vorher mit ihm unterhalten: wie kommst du dazu, diese Leute oder doch mehrere derselben zu kennen, diesen Villate, und selbst den Regisseur, wo nicht vielmehr Director der Pariser Tragödie? Du weißt ja, daß ich vor nicht langer Zeit hier war, und wirst mir so viel Theilnahme an den Ereignissen der Zeit, die so unheilvoll sind, zutrauen, daß ich meine Augen nicht verschließe, zumal wo Alles so wie hier in die Augen springt, selbst wenn man diese verschließen wollte. Der Menschenstrom schwand hinter den drei Carmagnolen mehr und mehr, mit einem Male war der Carousselplatz menschenleer, ebenso der ganze Garten, denn Alles und Alles folgte neugierig dem Strom nach dem Marsfelde. Die Freunde schritten langsam und gemächlich auf der hohen Terrasse am Bord der Seine hin und schauten über die niedrige Steinmauer und über den Strom hinüber, wo hoch zum Himmel wirbelnder Staub die Spur der zum Marsfeld wallenden Menschenmenge bezeichnete und von welcher Seite eine vom Schall nur dumpf getragene Musik herüberklang. Nur der vorhin erwähnte Bürger, der ein Spion schien, tänzelte hinter den Freunden her, und zwar that er, als bemerke er sie gar nicht, sondern schritt gleichsam spielend, wie ein großer Junge, auf der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0137" n="133"/> <p>Wollen wir mit? fragte einer der Carmagnolen.</p> <p>Ich denke nein, antwortete der Gefragte: und ich halte dafür, wir machen uns im wahren Sinne des Wortes aus dem Staube; denn ich bemerkte mehrere auf uns gerichtete verdächtige Blicke, besonders drängte sich ein Kerl in Incroyabeltracht mit einem Spitzbubengesicht — dort steht er noch und läßt uns nicht aus den Augen — an uns heran, entweder hat er Lust zu stehlen, oder zu spioniren, oder am liebsten beides zugleich.</p> <p>Habe ein wenig Acht auf jenen guten Bürger, wandte sich der erste Sprecher zu dem dritten Begleiter, der hinter den beiden ging, die jetzt, der noch immer drängenden Menge entgegen, den Quai entlang schritten und den Zwischenraum zurücklegten, welcher das Tuilerienschloß vom Louvre trennt.</p> <p>Sage mir, bester Freund, begann der eine der Carmagnolen zum andern, mit dem er Arm in Arm ging, in derselben ganz fremdländischen Sprache, in der er sich schon vorher mit ihm unterhalten: wie kommst du dazu, diese Leute oder doch mehrere derselben zu kennen, diesen Villate, und selbst den Regisseur, wo nicht vielmehr Director der Pariser Tragödie?</p> <p>Du weißt ja, daß ich vor nicht langer Zeit hier war, und wirst mir so viel Theilnahme an den Ereignissen der Zeit, die so unheilvoll sind, zutrauen, daß ich meine Augen nicht verschließe, zumal wo Alles so wie hier in die Augen springt, selbst wenn man diese verschließen wollte.</p> <p>Der Menschenstrom schwand hinter den drei Carmagnolen mehr und mehr, mit einem Male war der Carousselplatz menschenleer, ebenso der ganze Garten, denn Alles und Alles folgte neugierig dem Strom nach dem Marsfelde. Die Freunde schritten langsam und gemächlich auf der hohen Terrasse am Bord der Seine hin und schauten über die niedrige Steinmauer und über den Strom hinüber, wo hoch zum Himmel wirbelnder Staub die Spur der zum Marsfeld wallenden Menschenmenge bezeichnete und von welcher Seite eine vom Schall nur dumpf getragene Musik herüberklang.</p> <p>Nur der vorhin erwähnte Bürger, der ein Spion schien, tänzelte hinter den Freunden her, und zwar that er, als bemerke er sie gar nicht, sondern schritt gleichsam spielend, wie ein großer Junge, auf der </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [133/0137]
Wollen wir mit? fragte einer der Carmagnolen.
Ich denke nein, antwortete der Gefragte: und ich halte dafür, wir machen uns im wahren Sinne des Wortes aus dem Staube; denn ich bemerkte mehrere auf uns gerichtete verdächtige Blicke, besonders drängte sich ein Kerl in Incroyabeltracht mit einem Spitzbubengesicht — dort steht er noch und läßt uns nicht aus den Augen — an uns heran, entweder hat er Lust zu stehlen, oder zu spioniren, oder am liebsten beides zugleich.
Habe ein wenig Acht auf jenen guten Bürger, wandte sich der erste Sprecher zu dem dritten Begleiter, der hinter den beiden ging, die jetzt, der noch immer drängenden Menge entgegen, den Quai entlang schritten und den Zwischenraum zurücklegten, welcher das Tuilerienschloß vom Louvre trennt.
Sage mir, bester Freund, begann der eine der Carmagnolen zum andern, mit dem er Arm in Arm ging, in derselben ganz fremdländischen Sprache, in der er sich schon vorher mit ihm unterhalten: wie kommst du dazu, diese Leute oder doch mehrere derselben zu kennen, diesen Villate, und selbst den Regisseur, wo nicht vielmehr Director der Pariser Tragödie?
Du weißt ja, daß ich vor nicht langer Zeit hier war, und wirst mir so viel Theilnahme an den Ereignissen der Zeit, die so unheilvoll sind, zutrauen, daß ich meine Augen nicht verschließe, zumal wo Alles so wie hier in die Augen springt, selbst wenn man diese verschließen wollte.
Der Menschenstrom schwand hinter den drei Carmagnolen mehr und mehr, mit einem Male war der Carousselplatz menschenleer, ebenso der ganze Garten, denn Alles und Alles folgte neugierig dem Strom nach dem Marsfelde. Die Freunde schritten langsam und gemächlich auf der hohen Terrasse am Bord der Seine hin und schauten über die niedrige Steinmauer und über den Strom hinüber, wo hoch zum Himmel wirbelnder Staub die Spur der zum Marsfeld wallenden Menschenmenge bezeichnete und von welcher Seite eine vom Schall nur dumpf getragene Musik herüberklang.
Nur der vorhin erwähnte Bürger, der ein Spion schien, tänzelte hinter den Freunden her, und zwar that er, als bemerke er sie gar nicht, sondern schritt gleichsam spielend, wie ein großer Junge, auf der
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